# taz.de -- Stuttgarter Zeitungen fusionieren: Der neue Weg des Kaputtsparens | |
> Die Redaktionen der „Stuttgarter Nachrichten“ und der „Stuttgarter | |
> Zeitung“ werden eins. 20 Stellen gehen verloren. | |
Bild: Werden Redaktionen zusammengelegt, leidet die Meinungsvielfalt. | |
Vom „Kahlschlag“ im Stuttgarter Pressehaus ist die Rede, von | |
publizistischem „Einheitsbrei“ und Einschnitt in die Pressefreiheit. Die | |
Redaktionen der Stuttgarter Zeitung (STZ) und der Stuttgarter Nachrichten | |
(STN) werden zusammengelegt. Dadurch werden 30 bis 35 Redakteursstellen | |
wegfallen. Im Gegenzug sollen 10 bis 15 Stellen im Bereich Online und | |
Leseraktionen entstehen. Die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende | |
Gabriele Frenzer-Wolf sieht „die große Gefahr, dass das Profil beider | |
Zeitungen verwässert wird und die Medienvielfalt in Baden-Württemberg | |
leidet“. | |
Die Pläne wurden am Dienstag bekannt. In den Mittwochsausgaben beider | |
Zeitungen erklärten die Chefredakteure in Editorials den Schritt. Christoph | |
Reisinger von den Stuttgarter Nachrichten schlug den offeneren Ton an. Für | |
Onlineaktivitäten seien Investitionen nötig, und das in einer Phase, in der | |
die gedruckte Auflage leicht, aber stetig fällt. Deshalb die Zusammenlegung | |
und die Gründung eines Ressorts „Multimediale Reportage“. Reisinger | |
verspricht, dass „die Stuttgarter Nachrichten die Nachrichten bleiben und | |
die Zeitung die Zeitung“. Zwölf „exklusive Autoren“ sollen das Profil des | |
jeweiligen Blattes erhalten. Beide Titel behalten eine eigene | |
Chefredaktion, ein Titelteam und eigene Veranstaltungen, heißt es. Der | |
Umbau beginnt sofort und soll im April 2016 abgeschlossen sein. | |
Beide Zeitungen gehören zur Südwestdeutschen Medienholding (SWMH). Bislang | |
arbeiten Sie redaktionell weitestgehend getrennt. Im Lokalen werden Texte | |
in beiden Zeitungen verwendet, seit Kurzem wird eine gemeinsame | |
Onlineredaktion aufgebaut. Die STZ ist das bürgerlich-liberale Blatt mit | |
überregionalem Anspruch. Die STN sind bodenständiger, setzen auf | |
Verbraucherthemen. Insbesondere bei der STZ würde sich ein Teil der | |
Kollegen lieber den Finger abhacken, als für die STN zu schreiben. Ein | |
Facebook-Nutzer kommentiert die Neuigkeit im Netz: „Es wird | |
zusammengezwungen, was nicht zusammengehört.“ Ein anderer schreibt: „Dieser | |
Einheitsbrei wird weitere Leser bzw. Abonnenten kosten.“ | |
## Die Stimmung ist desaströs | |
Geschäftsführer der SWMH, Richard Rebmann, sprach gegenüber der Zeitung | |
Welt vom „neuen Stuttgarter Weg“. „Wir müssen unsere Arbeitsweise an die | |
veränderte Mediennutzung anpassen. Es ist wichtig, dies so lange zu tun, | |
wie wir dazu den Spielraum haben.“ Der Konzernbetriebsrat Thomas Ducks | |
sagt: „Uns erschließt sich nicht, was der ‚neue Stuttgarter Weg‘ sein so… | |
20 Vollzeitstellen werden abgebaut, das ist die Fortsetzung dessen, was | |
seit Jahren in der Branche passiert. Das ist ein Sparprogramm.“ | |
Betriebsbedingte Kündigungen soll es nach ersten Ankündigungen nicht geben, | |
stattdessen freiwillige Abfindungsangebote. Ducks sagt: „Wir kennen die | |
Höhe dieser Angebote aber noch gar nicht.“ | |
Die SWMH-Bilanz 2013 weist einen Fehlbetrag von 71,4 Millionen Euro aus. | |
Viele machen für die finanzielle Schieflage noch immer den Kauf der | |
Süddeutschen Zeitung aus, bei dem sich die SWMH überschätzt habe. Die | |
Auflage von Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten lag im ersten | |
Quartal 2015 bei 180.811 Exemplaren. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum | |
bedeutet das ein Minus von 3,67 Prozent. | |
Die Journalisten im Pressehaus bekommen Unterstützung von einem alten | |
Kollegen: Josef-Otto Freudenreich, einst STZ-Chefreporter, heute Macher der | |
Kontext-Wochenzeitung, startet die Kampagne „David kämpft für Goliath. Wir | |
fordern Pressevielfalt. Kein Zusammenlegen von Stuttgarter Nachrichten und | |
Stuttgarter Zeitung“. Diese Unterstützung scheint nötig zu sein, laut | |
Freudenreich ist die Stimmung im Pressehaus „desaströs“. | |
10 Jun 2015 | |
## AUTOREN | |
Lena Müssigmann | |
## TAGS | |
Zeitungsmarkt | |
Stuttgart | |
Medienkrise | |
Digitale Medien | |
Abendzeitung | |
Hamburger Abendblatt | |
Axel Springer | |
Axel Springer | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Bordexemplare nur noch als E-Paper: Lufthansa kündigt seine Zeitungsabos | |
Es ist umweltfreundlicher, die Airline spart aber auch Millionen Euro: | |
Künftig wird es fast keinen gedruckten Gratis-Lesestoff mehr geben. | |
Münchener „Abendzeitung“: Nur noch eine Zeitung | |
Seit einer Woche erscheint die neue „Abendzeitung“: Von außen sieht sie | |
fast aus wie immer. Dabei hat sich drinnen viel verändert. | |
Norddeutscher Zeitungsmarkt im Umbruch: Was kommt nach Springer? | |
Der Springer-Verlag zieht sich aus dem Norden zurück, die Funke-Gruppe | |
übernimmt. Zugleich ist der Madsack-Konzern auf dem Vormarsch. Was ist von | |
den Verlagen zu erwarten? | |
Berliner Presselandschaft: Die „Mottenpost“ ist Geschichte | |
Springer trennt sich von der „Berliner Morgenpost“. Die Redaktion zeigt | |
sich geschockt. Muss das Blatt nun das Hochhaus an der Rudi-Dutschke-Straße | |
verlassen? | |
Verschiebung auf dem Zeitungsmarkt: Springer verkauft Regionalzeitungen | |
Das Medienunternehmen gibt die „Berliner Morgenpost“ und das „Hamburger | |
Abendblatt“ ab. Auch „Hörzu“ und andere Blätter gehören bald der Funke | |
Mediengruppe. |