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# taz.de -- Handgearbeitete Fahrräder: Alles fließt
> Nachhaltig, stylish, modern und entsprechend teuer: Raphael Much baut
> Fahrräder mit Holzrahmen. Ein Werkstattbesuch im Schwarzwald.
Bild: Die Rahmen werden ausgehöhlt, um das Rad leichter zu machen: Raphael Muc…
SCHRAMBERG taz | Manche Dinge muss man streicheln. Da rutscht einem
automatisch die Hand aus und gleitet über Strukturen wie ein Skifahrer über
frisch präparierte Pisten. Die Holzfahrräder von Raphael Much sind solche
Handschmeichler: aalglattes Holz in bis zu 36 Schichten verleimt und in
weichen Rundungen geformt. Jetzt weiß man wieder, warum es Edelhölzer
heißt.
In einer unscheinbaren Werkstatt im Schwarzwaldstädtchen Schramberg stehen
zwei sauber eingeparkte Holzfahrräder, ein drittes hängt wie eine Trophäe
an der Wand. Mitten im Raum steht lässig der junge Herr Schreiner. T-Shirt,
Jeans, der unvermeidliche Bart, wache Augen. Im Hintergrund murmelt die
Schiltach, die sich von der Rüstungsfabrik Junghans am anderen Ende durch
die Stadt schlängelt: Alles fließt, alles Natur.
Holzfahrräder – das klingt nach Jesuslatschen und klobiger
Zweirad-Ideologie, nach gewollt korrektem Werkstoff. Klobig? Muchs
Holzrahmen sind stylish, modern und dank des nachwachsenden Rohstoffs Holz
nachhaltig. Bei der Herstellung zimmert der Schreiner Schablonen, nach
deren Formen er die Holzrahmen zurechtbiegt. Ihm kommt seine Erfahrung als
Bootsbauer entgegen. Er hat nach seiner Lehre in Neuseeland, dann in
Portugal gearbeitet. Zurück im Schwarzwald durfte er die Schrecken des
Schreinerberufs auskosten: Plastikfenster einbauen, Spanplatten sägen. Nach
Feierabend hat er seine Bikes geleimt, gebogen, gefräst, lackiert.
Das Doppelspiel ist aus. Much hat sich vom Plastikfenster verabschiedet, um
sich ganz aufs Fahrrad zu konzentrieren. „Lumber Jack“ heißt seine Firma.
Brachiale kanadische Holzfäller werden so genannt, Much gefällt die Ironie
hinter dem Namen.
## 3.600 Euro fürs Stadtfahrrad
Wenn er allerdings an das Risiko der Selbstständigkeit denkt und an die
Auftragslage, kratzt er sich schnell mal den Kinnbart. Immerhin: Zwei Räder
sind bestellt. Noch sind seine Cruiser und Mountainbikes ein Geheimtipp,
aber Aussehen, Fahrkomfort und Ökobilanz sind so überzeugend, dass es
eigentlich für die existenzielle Absicherung reichen müsste. Der Preis
macht die Holzbikes zum Luxusprodukt: 3.600 Euro fürs Stadtfahrrad, 3.900
Euro fürs Mountainbike.
Bei der Ausstattung mit Bremsen, Schaltung, Bereifung bestimmt der Kunde,
was er haben will. Er darf auch bei den Hölzern mitreden. Liebliche
Kirsche, ausdrucksstarker Nussbaum oder exotisches Mahagoni? „Das Fahrrad
muss zum Charakter passen“, sagt Much, und das klingt, als würde er dem
Kunden tief ins Auge schauen. Seine Hölzer bezieht er aus zertifizierter
Quelle, wichtigster Lieferant ist die Esche, die Much als robuste
Außenschicht einsetzt: „Esche hat lange Fasern, eine extrem dichte
Zellstruktur, sie ist gut biegbar und trotzdem sehr hart!“ Ein Wunderbaum.
Sein erstes Rad hat der 29-Jährige in Portugal gebaut. Ein 15 Euro teures
verrostetes Uraltmodell aus Stahl wurde sein Prototyp, den er nachgezimmert
hat – mit Abfallholz vom Bootsbau. Das Ur-Radl mit extrem langgezogenen
Rahmen und großem Radabstand vermittelt das Fahrgefühl einer Limousine.
Sanft und gemütlich. Die aktuellen Räder sind kompakter, dynamischer. Sie
sind geländetauglich, das Holz dämpft Stöße gut ab. „Wie bei einem
Hammerstiel“, sagt Much, „wenn der nicht aus Holz wäre, würde jeder Schlag
wehtun.“
Klebstoffe aus der Luftfahrt und UV-Schutzlack sorgen für
witterungsbeständige Stabilität. Das Urteil für den Rahmen: lebenslänglich.
Und wenn der Lack abblättert? „Nach acht bis zehn Jahren abschleifen, neu
lackieren, fertig!“, empfiehlt der Meister. Das Gewicht der Räder reduziert
er übrigens durch Aushöhlen des Rahmens. Mehrere Hersteller wie
Waldmeister-Bikes oder Ango-Bikes konkurrieren mit ähnlichen Rädern. Aber
noch immer bilden sich Menschentrauben, wenn irgendwo eines von Muchs Bikes
steht.
Es ist spät geworden in der Schreinerei. Im Hintergrund murmelt immer noch
die Schiltach, der graue Himmel tropft und Raphael Much sagt noch einen
Satz: „Ich will einfach nur wunderschöne Räder bauen!“
8 Jun 2015
## AUTOREN
Manfred Kriener
## TAGS
Fahrrad
Holz
Nachhaltigkeit
Desert Dash
Fahrrad
Radverkehr
Fahrrad
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