# taz.de -- Radrennen in Namibia: Ab in die Wüste | |
> Der „Desert Dash“ in Namibia ist wohl das härteste Eintagesrennen für | |
> Mountainbiker. Es fehlt die Förderung eigener Talente. | |
Bild: Nur die mental Stärksten sind den Bedingungen gewachsen: Teilnehmer beim… | |
SWAKOPMUND taz | Leander Borg trägt kurze Hosen, hat sich aber einen dicken | |
Pullover und Schal umgeschlungen. Es zieht in Swakopmund. Der kalte Nebel | |
vom Atlantik liegt selbst jetzt – im Sommer der Südhalbkugel – wie ein | |
Fluch über dem bekanntesten Küstenort Namibias. | |
Dennoch platzt Swakopmund an diesem Tag aus allen Nähten. Der [1][„Desert | |
Dash“ ist da]. Das wohl härteste Mountainbike-Eintagesrennen der Welt | |
findet tatsächlich [2][in Namibia] statt. Wie ein Magnet zieht es die | |
Extremsportler auf dem Rad an jedem ersten Dezemberwochenende des Jahres | |
für ein Wochenende in dieses einsame Land. Die ehemalige deutsche Kolonie | |
im Südwesten Afrikas ist etwa doppelt so groß wie Deutschland, wird aber | |
von nur gut 2 Millionen Menschen bewohnt. | |
Leander Borg ist Cheforganisator dieses Martyriums für Radfahrer. Er hat | |
das Rennen mit seinem Kumpel, der namibischen Radsportlegende Mannie | |
Heymans, übernommen, als der ursprüngliche Gründer keine Lust mehr hatte. | |
2015 war das, nachdem der „Dash“ zehn Jahre auf dem Buckel hatte. | |
Angefangen hatte alles 2005, als eine kleine Gruppe Radsportverrückter | |
erstmals das Abenteuer versuchte, die gut 371 Kilometer von der Hauptstadt | |
Windhoek zur Atlantikküste in einem Stück zurückzulegen. Die Distanz des | |
Rennens ist schon enorm. Die speziellen Bedingungen machen es beinahe zu | |
einem Wahnsinn: Bei gleißender Hitze mit Temperaturen um 40 Grad geht’s | |
nachmittags los. Ungeschützt vor der Sonne, radeln die Fahrer mitten hinein | |
in die Wüste. | |
Über schwierig zu fahrende Geröllstrecken wird das baumlose Khomasgebirge | |
überquert, bei Einbruch der Nacht beginnt der Kampf der Radler gegen die | |
Tücken der Strecke, Müdigkeit und einsetzende Kälte. Abwechselnd Geröll und | |
tiefer Sand erfordern neben ausgezeichneter Kondition auch ständige | |
Konzentration. Jeder Strauch sieht im dünnen Schweinwerferlicht aus wie ein | |
Stein, tiefe Löcher und Abgründe sind meist erst im letzten Moment zu | |
erkennen. Der böige Südwestwind von der Küste bläst den Fahrern während der | |
kompletten Tour ins Gesicht. Nur die mental Stärksten sind diesen komplexen | |
Bedingungen gewachsen. | |
## Beste Bedingungen für naturbewusste Mountainbiker | |
Der Stärkste ist auch 2018 – wie in den drei Jahren zuvor – der Schweizer | |
Radmarathonspezialist Konny Looser. Der 29-jährige Vollprofi absolviert die | |
Strecke in 14 Stunden und 22 Minuten und fällt Organisator Borg um kurz vor | |
halb sechs am Morgen in Swakopmund erschöpft und glücklich in die Arme. Zu | |
diesem Zeitpunkt sind die meisten der rund 1.100 Starter entweder irgendwo | |
im zweiten Teil der Strecke unterwegs oder schon ausgeschieden. Beim Desert | |
Dash erreichen allenfalls zwei Drittel aller Starter das Ziel. | |
Der „Dash“ ist für Namibia viel mehr als nur ein Radrennen. Er ist ein | |
Symbol: für die Freiheit des Landes und das Bewusstsein der Leute wie | |
Leander Borg, etwas Großes auf die Beine stellen zu können. Die | |
Vergangenheit von Apartheid und Siedlerkolonialismus beeinflusst noch heute | |
stark das Leben der Namibier. 1884 wurde das heutige Namibia deutsches | |
„Schutzgebiet“ und blieb bis zum Ende des Ersten Weltkriegs deutsche | |
Kolonie. Danach stand Namibia unter dem Mandat von Südafrika. Erst 1971 | |
erklärte der Internationale Gerichtshof die Verwaltung durch Südafrika für | |
illegal. Im Jahre 1989 fanden erstmals freie Wahlen statt. | |
Die Wirtschaft des Landes hängt nach wie vor stark von Südafrika ab. Zwar | |
steckt das Land voller Bodenschätze, doch die Pfründen sind meist seit | |
Langem an Magnaten aus China, Südafrika oder Australien fortgegeben. Eigene | |
Kraft entwickelt das Land lediglich durch extensive Landwirtschaft, wobei | |
nach wie vor eine Arbeitslosenquote von fast 30 Prozent drückt. Die | |
Regierung gilt aber als modern und relativ wenig korrumpiert. | |
Gefördert werden soll vor allem die schwarze Bevölkerung, allerdings läuft | |
die Umverteilung landwirtschaftlicher Flächen nur schleppend. Basierend auf | |
früheren Landenteignungen und Grenzziehungen, gehört nach wie vor mehr als | |
die Hälfte der Flächen weißen Farmern. Vor einigen Jahren hat eine | |
Neuverteilung auf freiwilliger Basis begonnen. Dennoch wird die extrem | |
ungleiche Verteilung von Vermögen auch in der nächsten Zeit Namibias großes | |
Thema bleiben. Umso wichtiger wird die Generierung neuer Einnahmequellen. | |
Hier [3][spielt der Tourismus eine gewaltige Rolle]. Die weitgehend | |
unberührte Natur des Landes macht es attraktiv. Rund 17 Prozent der | |
Landfläche stehen unter staatlichem Naturschutz. Seit Beginn der 90er Jahre | |
kommen Jahr für Jahr fast 10 Prozent mehr Urlauber, mittlerweile arbeiten | |
fast 25 Prozent der Bevölkerung Namibias im Tourismus. Fast 18 Prozent des | |
Bruttoinlandsprodukts trägt der Tourismus bei. | |
Einen regelrechten Boom erfuhr in jüngster Vergangenheit der Radsport. | |
„Mountainbiken ist bei uns regelrecht explodiert“, sagt Leander Borg, der | |
diesem Trend als Besitzer einer Reiseveranstaler-Agentur natürlich Rechnung | |
trägt. Mountainbiketouren in allen Regionen des Landes haben enorme | |
Bedeutung gewonnen, die unberührte Landschaft Namibias bietet traumhafte | |
Bedingungen für naturbewusste Mountainbiker vor allem aus Europa. | |
Daher war Borg und Heymans, der in Windhoek ein Radsportgeschäft betreibt, | |
2015 klar: Der „Dash“ darf nicht sterben. Sie übernahmen das Rennen, | |
richteten im Dezember eine Notauflage aus und professionalisierten die | |
Veranstaltung anschließend. In der nationalen Großbank Nedbank konnte ein | |
Hauptsponsor gewonnen werden, im Laufe der Jahre stiegen mehrere | |
Co-Sponsoren ein, die Startgebühren stiegen für Teilnehmer von | |
durchschnittlich 80 Euro auf rund das Doppelte. Das Rennen wuchs, die Zahl | |
der Teilnehmer kletterte von 700 im Jahr 2016 auf fast 1.100 in der | |
diesjährigen Auflage. Eine weitere Vergrößerung lassen die natürlichen | |
Gegebenheiten des Landes nicht zu. | |
## 25.000 Euro Preisgeld | |
So ist der „Dash“ zwar infrastrukturell an seine Obergrenze geraten, | |
seine Wertigkeit aber steigt weiter. Die Startplätze für die 2018er Auflage | |
waren bei Öffnung der Anmeldefrist im Juni innerhalb von Minuten | |
vergriffen. Und Jahr für Jahr kommen mehr Zuschauer, Medienvertreter und | |
Fahrer-Angehörige ins Land. Im Zielort Swakopmund sind am ersten | |
Dezemberwochenende – eigentlich ist das in Namibia Nebensaison – sämtliche | |
Übernachtungsmöglichkeiten ausgebucht. Selbst für einen Platz in einem der | |
Restaurants des 30.000-Einwohner-Ortes muss man sich rechtzeitig bemühen. | |
„Der Dash bringt mittlerweile rund 2 Millionen Euro ins Land“, sagt Borg. | |
Er hat das mal durchrechnen lassen und hofft, mit diesen Zahlen künftig | |
mehr Unterstützung durch örtliche Behörden sowie touristische Betriebe zu | |
bekommen. „Bisher macht hier jedes Hotel, jede Pension, jedes Restaurant | |
und jeder Mietwagenvermieter sein eigenes Ding. Schlösse man sich hier zu | |
einem Interessenverband zusammen, könnte man deutlich mehr in Richtung | |
Werbung und Marketing unternehmen“, umreißt der 46-Jährige seine Vision. | |
Doch auch in der gegenwärtigen Form hat der „Dash“ jede Menge Schwung. | |
Insgesamt schütteten Borg und seine Leute 2018 umgerechnet 25.000 Euro | |
Preisgeld an die Sieger aus. Vom Erlös des Rennens wird jedes Jahr ein | |
beträchtlicher Teil für einen guten Zweck zur Verfügung gestellt. Dieses | |
Jahr spendeten die Veranstalter insgesamt etwa 18.000 Euro an drei | |
Adressaten: Es profitierten ein BMX-Projekt in einer Township sowie ein | |
Strandsäuberungsprojekt in Swakopmund. | |
Den Löwenanteil erhielt aber wie immer der namibische Radsportverband. | |
Dessen Präsident Rolf Adrian übernahm freudestrahlend Borgs Scheck. Er | |
sagte: „Dieses Geld ist eine unserer größten jährlichen Einnahmen. Wir | |
werden es benutzen, um zumindest punktuell so etwas wie ein | |
Talentförderprogramm umzusetzen.“ Vor allem an der Förderung von Talenten | |
aus der armen Bevölkerung hapert es in Namibia. In den Townships leben jede | |
Menge begabte Radsportler, doch kaum jemand kann die Mittel für ein Rennrad | |
oder Mountainbike aufbringen. „Den ein oder anderen jungen Fahrer zu | |
unterstützen ist unser Ziel“, sagt Adrian. Dass Namibia zumindest auf der | |
afrikanischen Radsportlandkarte bereits auf sich aufmerksam gemacht hat, | |
belegt die Tatsache, dass 2019 hier die Afrikanischen Meisterschaften im | |
Mountainbiken ausgerichtet werden. | |
14 Dec 2018 | |
## LINKS | |
[1] http://www.desertdashnamibia.com/ | |
[2] /Namibia/!t5210809 | |
[3] /Reiseland-Namibia/!t5022061 | |
## AUTOREN | |
Olaf Jansen | |
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