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# taz.de -- Fußgänger gegen Radfahrer: Schwarzwälder Fallensteller
> Im Südschwarzwald wurden lebensgefährliche Fallen für Mountainbiker
> aufgestellt. Waren es Wanderer, die von den Radfahrern genervt waren?
Bild: Nicht ganz ungefährlich: Manuel Schuble ist zweimal in der Woche im Wald…
Freiburg taz | Manuel Schuble, 26 Jahre alt, steigt auf sein orangefarbenes
Mountainbike und tritt an. Vor ihm liegt die Borderline, ein vier Kilometer
langer Mountainbike-Trail über 400 Höhenmeter vom Roßkopf am Rande von
Freiburg ins Dreisamtal, steil und kurvig. Eine Staubwolke verfolgt Schuble
den Berg hinab. Er biegt um eine enge Kurve und springt mit dem Rad über
eine Schanze. Dann hält er an, mitten im Wald, wo er normalerweise das
Tempo nach dem Sprung genießt.
„Hier ist es gewesen“, sagt Manuel Schuble. Anfang Juni haben einer oder
mehrere unbekannte Täter hier auf dem Trail zwei dünne Baumstämme aus dem
Wald gezogen und wie ein Zeltdach über dem Trail aneinandergelehnt.
Schnelle Fahrer, die den Berg herunterkommen, haben an dieser
uneinsichtigen Stelle 25 Stundenkilometer drauf. Wäre ein Mountainbiker in
voller Fahrt in die Falle geraten, wäre das nach Angaben der Polizei
lebensgefährlich gewesen.
Am selben Tag wurden auch quergelegte Stämme und ein in den Boden gerammter
Spieß auf dem Trail entdeckt. In derselben Woche hat jemand in Oberkirch
bei Offenburg, gut 80 Kilometer weiter nördlich, Schrauben in Baumwurzeln
auf einem Waldweg geschraubt und die Köpfe abgesägt. Ein Zusammenhang
beider Vorfälle ist laut Polizei fraglich.
Die versuchten Anschläge haben die Mountainbikeszene schockiert. Man sollte
den Verantwortlichen finden und an einen Baum nageln, sagt ein
aufgebrachter Biker aus Offenburg. Einige Mountainbiker hatten die Wanderer
im Verdacht, mit denen sie immer wieder aneinandergeraten. Der
Schwarzwaldverein als Vertreter der Wanderer weist dies als Spekulation
zurück und distanzierte sich ausdrücklich von den Angriffen auf die Biker.
„Das können nur so Verrückte gewesen sein, die auch Steine von Brücken
werfen“, sagt Mirko Bastian, Pressesprecher des Schwarzwaldvereins.
## Wem gehören die Waldwege
Ein großangelegter Zeugenaufruf der Polizei mit Plakaten im Wald hat keine
Spur zum Täter ergeben. Seitdem wird im Südschwarzwald aber heftig über das
Verhalten von Freizeitsportlern im Wald diskutiert. Wem gehören die
Waldwege? Sollten Mountainbiker und Wanderer grundsätzlich getrennte Wege
nutzen? Wie hat man sich zu begegnen?
Manuel Schuble ist ein drahtiger Typ, Student, zweimal die Woche im Wald.
Mindestens. In seinen 13 Jahren im Mountainbikesport ist er schon öfter auf
querliegende Äste gestoßen, die möglicherweise bewusst deponiert waren. Als
Biker werde er zum Bremsen oder Absteigen gezwungen. Ärgerlich für ihn,
aber Lebensgefahr bestehe nicht. Wenn aber gefährliche Fallen auf einer
eigens für Mountainbiker angelegten Sportanlage aufgestellt werden,
erreiche der Streit im Wald eine neue Dimension. „Das ist, als ob man auf
einem Fußballplatz Löcher gräbt, in denen sich die Spieler die Füße brechen
sollen, weil sie bei ihren Spielen am Wochenende Krach machen“, sagt
Schuble.
Schuble ist dritter Vorsitzender des Vereins Mountainbike Freiburg. Seine
Vereinskollegen haben die Strecke nach der Entdeckung der Fallen
inspiziert. Seither ist nichts derartiges mehr vorgekommen. Trotzdem fährt
Schuble jetzt vorsichtiger, nicht mehr so frei wie bisher. „Das tut mir
leid, die Borderline ist unsere Strecke, auf der wir schön schnell fahren
konnten.“ Ausgerechnet jetzt, in der Hochsaison des Mountainbikens.
Der Streit, wem die Wege im Wald gehören, entzündet sich oft an der
sogenannten Zweimeterregel, die es nur noch in Baden-Württemberg gibt.
Wege, die weniger als zwei Meter breit sind, dürfen nur von Wanderern,
nicht aber von Fahrradfahrern genutzt werden. Derzeit gibt es in
Baden-Württemberg rund 80 Kilometer Singletrails speziell für
Mountainbiker. Sie würden die Zweimeterregel gerne abschaffen, Wanderer
wollen sie beibehalten, weil sie sich dadurch geschützt sehen. Politisch
hält auch die grün-rote Landesregierung an der Regel fest. Gleichzeitig
begrüßt das zuständige Verkehrsministerium das Mountainbikefahren im Wald
ausdrücklich und wirbt dafür, per Ausnahmeregelung mehr Wege für
Mountainbiker freizugeben.
## Fernsehreporter auf der Suche
Die Borderline im Freiburger Stadtwald ist eine Downhill-Strecke, ganz
allein für Mountainbiker. Große Verbotsschilder zeigen den Wanderern an,
dass sie hier nicht auf die Mountainbikerstrecke abbiegen dürfen.
Manuel Schuble trifft im Stadtwald an diesem heißen Sommermorgen einen
befreundeten Mountainbikefotografen, David Schultheiß. Er erzählt von der
Begegnung mit einer Frau just zuvor weiter oben im Wald, wo sich
Mountainbiker und Wanderer den Weg nach oben teilten. Die Frau habe sich
beschwert, dass er dort langfahre. „Wir waren uns beide unsicher, ob das
erlaubt ist oder nicht“, sagt Schultheiß.
Fernsehreporter seien nach der Entdeckung der Fallen einmal mit Zollstock
durch den Wald gezogen, erzählt Schuble, und hätten gezeigt, wie unklar
ist, wo ein Waldweg überhaupt anfängt und wo er aufhört, also wie breit er
ist und ob ihn Radfahrer nutzen dürfen.
## Es ist ein Dauerkonflikt
Die beiden Mountainbiker Schuble und Schultheiß kennen zwei Sorten von
Wanderern: Die einen, die sich mehrfach bedanken, wenn die Biker absteigen,
um die Fußgänger vorbeizulassen, und andere, die sich grundsätzlich im
Recht fühlten und über Mountainbiker ärgerten. Es ist ein Konflikt in
Dauerschleife, der sich täglich wieder abspielt, mit neuen Protagonisten an
neuen Orten.
Ans Waldgesetz und die Zweimeterregel halten sich nicht alle Mountainbiker,
das geben sie auch selbst zu. Es gibt keine Kontrollen im Wald. Wer die
Regeln gelegentlich ignoriert, hat nichts zu befürchten. Zum Problem wird
das vor allem rund um Ballungszentren wie Freiburg. Eine Studie von
Studierenden der Universität Freiburg, Fachbereich Forst- und
Umweltpolitik, konstatiert eine erhebliche Dichte von Erholungssuchenden in
einem beispielhaft ausgewählten Waldstück bei Freiburg, dem sogenannten
Kybfelsen, durch das ebenfalls ein Mountainbike-Downhilltrail führt.
Dieser Trail liegt ebenso wie die „Borderline“ direkt am Stadtrand, beide
sind steil und reizvoll. Wanderer schätzen den stadtnahen sanften Aufstieg
im Wald. Hinzu kommen vielleicht auch noch Geländejogger und Walker. Zur
Rushhour nach Feierabend wird es eng im Wald, das wird in der Studie
deutlich. Viele Leute sind nicht nur im Arbeitsalltag gestresst, sondern
nehmen Anspannung und Frust möglicherweise auch noch mit in die Freizeit,
lassen nicht einmal im Wald die Ruhe auf sich wirken, sondern sind
unfreundlich, aggressiv und rechthaberisch. Betrachtet man den Wald als
gesellschaftlichen Freiraum, in dem de facto niemand die Regeln
kontrolliert, stimmt es wenig hoffnungsvoll, dass gerade bei solcher
Freiheit schlechteste Eigenschaften zum Vorschein kommen.
Unter allen Begegnungen zwischen Wanderern und Fahrradfahrern seien die
konfliktreichen in der Minderheit, sagt Mirko Bastian vom
Schwarzwaldverein, der traditionell die Wanderer vertritt. Die Vorstellung
von „Kampfszenen unter der Fichte“, wie eine Zeitung schrieb, sei
überzogen. „Das Bild vom bösen Downhill-Mountainbiker bringt uns nicht
weiter“, sagt Bastian. Er fordert verbindliche Regeln für das Verhalten im
Wald. Ähnlich wie die zehn Regeln der FIS (Internationaler Skiverband), die
auf Skipisten gelten und sogar von Gerichten herangezogen werden, um bei
Unfällen die Schuldfrage zu klären. „Wenn wir zu so einem kodifizierten
Regelwerk im Wald kommen, wären wir einen Schritt weiter.“
Die offiziellen Vertreter von Wanderern, Mountainbikern und Forst kommen in
Freiburg gut miteinander aus. Sie haben diesen Sommer eine Initiative
gestartet: „Gemeinsam Natur Erleben“ steht auf gelb-blauen Schildern, die
künftig an Waldeingängen montiert werden sollen. Auf dem Schild begegnen
sich ein stilisierter Mountainbiker und ein Wanderer. „Alle haben ein
legitimes Interesse, an der frischen Luft zu sein“, sagt Bastian. „Der
Mountainbiker genauso wie der Spaziergänger mit den verschränkten Händen
auf dem Rücken.“ Er wünscht sich, dass man im Wald weniger „stoffelig“
miteinander umgeht. „Ein ‚Grüß Gott!‚ hilft da schon viel.“
6 Sep 2015
## AUTOREN
Lena Müssigmann
## TAGS
Fahrrad
Schwarzwald
Mountainbike
Bodensee
Fahrrad
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