| # taz.de -- USA im Krieg gegen IS: Auf dem Boden der Tatsachen | |
| > In den USA mehren sich die Zweifel am verbündeten Irak. Doch die Optionen | |
| > im Kampf gegen den IS-Terror sind eng begrenzt. | |
| Bild: Trauer um die Toten der US-Kriege. | |
| New York taz | Am Memorial Day – dem letzten Montag im Mai – würdigen die | |
| USA normalerweise ihre eigenen gefallenen Soldaten. Der Präsident geht auf | |
| den Kriegsgräberfriedhof Arlington, wo die Knochen von Hunderttausenden | |
| unter weißen Kreuzen liegen, und spricht über Patriotismus und das „höchste | |
| Opfer“. Doch in diesem Jahr gilt die Aufmerksamkeit Washingtons einer | |
| fremden Armee. | |
| Im Auftrag von Barack Obama muss Vizepräsident Joe Biden beim irakischen | |
| Premierminister Haidar al-Abadi einen schweren Anruf tätigen. Am Telefon | |
| preist Biden die „enormen Opfer und den Mut der irakischen Streitkräfte in | |
| den zurückliegenden 18 Monaten“. | |
| Es ist ein Versuch der Schadensbegrenzung. Und sein Inhalt ist in der | |
| US-Spitze umstritten. Tags zuvor hatte US-Verteidigungsminister Ashton | |
| Carter das exakte Gegenteil gesagt. Über die Flucht der irakischen Soldaten | |
| vor der nach Ramadi einrückenden IS stellte er fest: „Trotz zahlenmäßiger | |
| Überlegenheit haben sie keinen Willen gezeigt zu kämpfen.“ Und er fuhr | |
| fort: „Wir haben ein Problem, wenn die Iraker unwillig sind, sich zu | |
| verteidigen“. | |
| Carters ernüchternde Analyse des Kriegsgeschehens im Irak sorgt jetzt für | |
| diplomatische Probleme. Aus Bagdad verlautete umgehend, der | |
| Verteidigungsminister sei „falsch informiert“. Und in Washington versuchte | |
| der Chef des obersten Militärstabs, General Martin Dempsey, zu besänftigen, | |
| eine verlorene Schlacht sei noch kein verlorener Krieg. | |
| ## Extrem instabile Lage | |
| Präsident Obama hat bereits in der letzten Woche versucht, das Geschehen zu | |
| entdramatisieren. Er nannte es einen „taktischen Rückschlag“, der mit einem | |
| „Mangel an Ausbildung und Verstärkung“ zusammenhänge. „Ich glaube nicht, | |
| dass wir verlieren“, sagte er. | |
| Obama würdigt diesen Memorial Day als den ersten nach 14 Jahren, an dem die | |
| USA in keinen „bedeutenden Bodenkrieg“ involviert sind. Doch als er am | |
| Montag auf dem Arlington Friedhof auf den Vollzug seiner Wahlversprechen – | |
| Rückzug aus Afghanistan und dem Irak – hinweist, macht das keine | |
| Schlagzeilen. Zu offensichtlich ist, dass die USA in beiden Ländern extrem | |
| instabile Verhältnisse hinterlassen haben. | |
| In Afghanistan sind allein in den ersten Monaten dieses Jahres mehr als | |
| 1.800 afghanische Soldaten und Polizisten getötet worden. Trotz des | |
| US-Rückzugs stehen weiterhin mindestens 9.800 US-Soldaten für unbekannte | |
| Dauer in Afghanistan. | |
| ## Kriegsmüdigkeit zu Hause | |
| Im Irak hat die von den USA ausgebildete und ausgerüstete Armee mit dem | |
| Fall von Ramadi ein neues Debakel erlitten. Barack Obama hat seit | |
| vergangenem Jahr mehrfach die Zahl der US-amerikanischen Militärberäter und | |
| -ausbilder im Irak verstärkt. Im Augenblick sind es 3.040, von denen 2.240 | |
| die irakischen Streitkräfte unterstützen. Im Nachbarland Syrien hat der IS | |
| mit Palmyra gerade die Kontrolle über die beiden wichtigsten | |
| Verbindungsstraßen zwischen Irak und Syrien erobert. | |
| Die US-Öffentlichkeit ist 14 Jahre nach den Attentaten von 9/11 kriegsmüde. | |
| Insofern ist Obamas Slogan „Keine Bodentruppen“ populär. Selbst | |
| Oppositionspolitiker wie Expräsidentschaftskandidat und Senator John McCain | |
| und der Chef des Kommittees für bewaffnete Kräfte im Repräsentantenhaus, | |
| Mac Thornberry, verlangen keine „Bodentruppen“. Aber sie wollen die | |
| militärische US-Präsenz im Irak aufstocken. McCain spricht von 10.000 | |
| zusätzlichen Militärberatern. Sie sollen die irakische Armee auch in den | |
| vordersten Frontlinien unterstützen. Der Senator hat seit 2011 den | |
| US-Rückzug aus dem Irak kritisiert. Heute wirft er Obama vor: „Wir haben | |
| keine Strategie“. | |
| ## Kritik aus den eigenen Reihen | |
| Auch aus den eigenen Reihen kommt inzwischen Kritik an Obamas Irakpolitik. | |
| „Es gibt ein großes Zögern, um zu vermeiden, nicht wieder tief in den Irak | |
| involviert zu werden“, formuliert Obamas Exberaterin Michele Flournoy, die | |
| einst selbst für das Amt der Verteidigungsministerin im Gespräch war, | |
| vorsichtig. | |
| Beim Antrittsbesuch des neuen irakischen Premierministers in Washington | |
| erklärte Obama, dass er auf eine positive Wende in den Beziehungen mit | |
| Bagdad hoffe. Von dessen Amtsvorgänger al-Maliki hatten die USA vergeblich | |
| verlangt, dass er Schiiten und Sunniten gleichberechtigt behandele. Im | |
| Anschluss verstärkten die USA ihre Waffenlieferungen. Zugleich hielten sie | |
| an ihrer offiziellen Position fest, die vom Iran unterstützten schiitischen | |
| Milizionäre nicht einzubeziehen. Nach dem Debakel von Ramadi kam besonders | |
| heftige Kritik aus Teheran. General Qassim Soleimani erklärte: „Die USA | |
| haben nichts getan, um die Extremestien in Ramadi zu stoppen.“ | |
| Nach Recherchen der Washington Post war in Ramadi die von den USA | |
| ausgebildete Elite der irakischen Armee ausschlaggebend für die Flucht. Der | |
| sunnitische Stammeskämpfer Omam Sehan al-Alwani sagte, der „schnelle | |
| Rückzug“ der „Golden Division“ hat „unsere Moral gebrochen“. Die ira… | |
| Soldaten hinterließen der IS ein großes Arsenal von modernsten US-Waffen, | |
| darunter Panzer und gepanzerte Humvee-Fahrzeuge. | |
| Das Pentagon hat unmittelbar nach dem Fall von Ramadi angekündigt, dass es | |
| seine geplante Lieferung von Raketenwerfern an den Irak um 2.000 Stück | |
| aufstocken wird. | |
| 26 May 2015 | |
| ## AUTOREN | |
| Dorothea Hahn | |
| ## TAGS | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| USA | |
| Barack Obama | |
| Irak | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| Ramadi | |
| Irak | |
| Saudi-Arabien | |
| Drohnenkrieg | |
| Schwerpunkt Afghanistan | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| IS-Erfolge im Irak: Anklagen gegen Armeekommandeure | |
| Parlamentarisches Nachspiel: Iraks Vizepräsident al-Maliki wird für die | |
| Niederlage gegen den IS in Mossul verantwortlich gemacht. | |
| Offensive der irakischen Armee: Rückschlag gegen IS in Ramadi | |
| Der Feldzug Bagdads gegen den IS in der Provinz Anbar hat noch nicht | |
| richtig begonnen, da schlägt diese brutal zurück. | |
| Krieg im Irak: IS legt Minenfelder um Ramadi | |
| Die irakische Armee bringt in der Provinz Anbar Panzer in Stellung. Der | |
| Islamische Staat errichtet um die gerade erst eroberte Stadt Ramadi | |
| Verteidungsanlagen. | |
| Gipfel USA und Golfstaaten: Obamas Balanceakt am Golf | |
| Der Präsident forciert den Abschluss des Atomdeals mit dem Iran. Die | |
| Golfstaaten fürchten einen wachsenden Einfluss Teherans. Zu Recht. | |
| Laut „Spiegel“-Bericht: US-Drohnen starten in Ramstein | |
| Von Deutschland geht ein Krieg aus – ein Drohnenkrieg. Und die | |
| Bundesregierung weiß Bescheid. Das berichtet der „Spiegel“ unter Berufung | |
| auf Geheimdokumente. | |
| Private Sicherheitsfirmen und Militär: Krieg ist ein gutes Geschäft | |
| Zehnfacher Sold: Mitarbeiter privater Sicherheitsfirmen verdienen sehr viel | |
| mehr als ihre Kameraden beim „normalen“ Militär. |