# taz.de -- Streit über Entschädigung: Geld für gefangene Rotarmisten | |
> Der Bundestag will von den Nazis gefangengenommene Rotarmisten als | |
> NS-Opfer anerkennen. Bei der Initiative ignorieren Koalition und Grüne | |
> die Linken. | |
Bild: Einer von Millionen: Überlebender bei einer Gedenkfeier in Sachsen. | |
BERLIN taz | So plötzlich geht es im Bundestag selten: Buchstäblich über | |
Nacht hat die Unionsfraktion ihren Widerstand gegen Pläne aufgegeben, | |
sowjetische Kriegsgefangene der Wehrmacht als NS-Opfer anzuerkennen. Die | |
noch lebenden Betroffenen werden in den kommenden Monaten einmalige | |
Anerkennungsbeträge erhalten. Im Nachtragshaushalt für das Jahr 2015, den | |
der Bundestag am Donnerstag beschließt, blockiert das Parlament dafür zehn | |
Millionen Euro. | |
Entsprechende Petitionen und Initiativen hatten CDU und CSU zuvor jahrelang | |
blockiert – zuletzt, als Linke und Grüne zu Jahresbeginn einen neuen | |
Versuch starteten. „Für Deutschland ist von elementarer Bedeutung, dass die | |
abgeschlossene Reparationsfrage nicht wiedereröffnet wird“, sagte die | |
Unions-Abgeordnete Erika Steinbach im März, nachdem die Oppositionsparteien | |
zwei neue Anträge eingebracht hatten. SPD-Politiker, die sich ebenfalls für | |
eine Lösung einsetzen, verzweifelten geradezu an ihrem Koalitionspartner. | |
Zum Einlenken brachte CDU und CSU jetzt eine denkwürdige Anhörung des | |
Haushaltsausschusses. Am vergangenen Montag bewerteten dort sechs | |
Sachverständige die Anträge der Opposition, und ihre Urteile waren so | |
einhellig, wie es die Mitglieder des Gremiums selten erleben. | |
„Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen unterschied sich deutlich | |
von dem aller anderen Kriegsgefangenen der Wehrmacht“, sagte die | |
Historikerin Beate Fieseler. Von etwa 5,7 Millionen gefangenen Rotarmisten | |
seien bis zu 3,3 Millionen im Gewahrsam gestorben, die meisten durch | |
„gezielte Unterlassung wie unzureichende Ernährung und elende Unterbringung | |
unter freiem Himmel“. Einstimmig plädierten die Experten dafür, den | |
Überlebenden als Geste der Entschuldigung einen symbolischen Betrag zu | |
überweisen. | |
Der Termin überzeuge die Abgeordneten von CDU und CSU. „Manches geht | |
schneller, als man denkt“, sagte einer von ihnen im Anschluss. Und | |
tatsächlich: Noch am Dienstag einigten sich Union und SPD grundsätzlich auf | |
eine Lösung. Gemeinsam mit den Grünen beantragten sie kurzfristig, die zehn | |
Millionen Euro im Haushalt zu reservieren, um „ehemaligen sowjetischen | |
Kriegsgefangenen ohne Anerkennung einer Rechtspflicht eine symbolische | |
finanzielle Anerkennung zu gewähren“. Bei geschätzt 2.000 noch lebenden | |
Opfern entspricht der Betrag rund 5.000 Euro pro Person. | |
„Endlich geht der Bundestag einen ersten bedeutenden Schritt zur Übernahme | |
der historischen Verantwortung für dieses Kapitel der | |
nationalsozialistischen Vernichtungspolitik“, sagte der Grünen-Abgeordnete | |
Volker Beck am Mittwoch. Die Entscheidung sei ein „starkes Zeichen der | |
Völkerfreundschaft gegenüber den Menschen in Russland, Weißrussland und der | |
Ukraine.“ | |
## Antrag ohne Linksfraktion | |
„Dass es jetzt so schnell ging, ist ein wirklicher Erfolg“, sagte Jan Korte | |
(Linkspartei). Seine Freude ist aber verhalten: Obwohl sich seine Fraktion | |
seit Jahren für das Thema einsetzte, starteten Union, SPD und Grüne ihren | |
Vorstoß nun ohne die Linken. „Ich erwarte eigentlich, dass so einen Antrag | |
alle Fraktionen gemeinsam einbringen. Bei einem solchen Thema Kalter Krieg | |
zu spielen, ist unangebracht.“ | |
Auch Eberhard Radczuweit reagierte am Mittwoch gespalten. Er ist | |
Geschäftsführer des Berliner Vereines [1][„Kontakte Kontakty“], der seit | |
2003 Spenden für ehemalige sowjetische Kriegsgefangene sammelt. In einer | |
Bundestagspetition hatte der Verein schon vor einem Jahrzehnt gefordert, | |
dass der deutsche Staat die Opfer auszahlt. „Wenn ich an die Tausenden | |
Opfer denke, die seitdem ohne Entschädigung gestorben sind, ist meine | |
Freude getrübt“, sagte Radczuweit. „Für die noch Lebenden ist das aber ei… | |
wunderschöne Botschaft. Wir werden ihnen sofort Briefe mit der Nachricht | |
schicken.“ | |
20 May 2015 | |
## LINKS | |
[1] http://www.kontakte-kontakty.de | |
## AUTOREN | |
Tobias Schulze | |
## TAGS | |
Kriegsgefangene | |
Sowjetunion | |
Schwerpunkt Nationalsozialismus | |
Wehrmacht | |
Anerkennung | |
Bundestag | |
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
Schwerpunkt Zweiter Weltkrieg | |
Entschädigung | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Sowjetische Kriegsgefangene: Geld für 537 ehemalige Rotarmisten | |
Deutschland zahlt je 2.500 Euro an ehemalige Gefangene der Wehrmacht. | |
Bislang hat sie aber nicht mal die Hälfte der Betroffenen erreicht. | |
Sowjetische Kriegsgefangene: 2.500 Euro nach 70 Jahren | |
Deutschland zahlt erstmals eine Entschädigung für Rotarmisten. 106 | |
ehemalige Kriegsgefangene erhalten Geld. 800 Anträge sind noch offen. | |
Kommentar Sowjetische Kriegsgefangene: Die richtigen Opfer | |
Sowjetische Kriegsgefangene waren eine der größten Opfergruppen im NS. Mit | |
der Entschädigungsentscheidung übernimmt Deutschland Verantwortung. |