# taz.de -- Konflikt in der Ostukraine: 40.000 in der Warteschlange | |
> Wer zwischen den „Volksrepubliken“ und dem von Kiew kontrollierten Gebiet | |
> reist, braucht einen Passierschein. Das aber dauert oft Monate. | |
Bild: Checkpoint der ukrainischen Armee in der Nähe von Donezk im März. | |
KIEW taz | Immer höher sind die Hürden für die Bewohner von Donezk und | |
Lugansk, die ihre Heimatstädte verlassen oder aber dorthin zurückkehren | |
wollen. Wer die „Kontaktlinie“ zwischen den „Volksrepubliken“ und den v… | |
Kiew kontrollierten Gebieten der Ukraine übertreten will, muss in einem | |
komplizierten und oftmals Monate dauernden Verfahren einen Passierschein | |
beantragen. Ukrainische Menschenrechtler und OSZE kritisieren das | |
Passierscheinsystem. | |
Angesichts leerer Apotheken, teurer Lebensmittel und ausbleibenden Renten | |
sehen sich viele Bewohner der Gebiete Donezk und Lugansk gezwungen, | |
regelmäßig in von Kiew kontrollierte Gebiete zu reisen. | |
Doch die „Kontaktlinie“ übertreten darf nur, wer im Besitz eines von den | |
ukrainischen Behörden ausgestellten Passagierscheins ist. Die | |
Antragstellung ist nur an einem Checkpoint der ukrainischen Streitkräfte | |
möglich und dauert oft Monate. Derzeit, sagt Alexander Hug, | |
stellvertretender Chef der OSZE-Beobachtermission in der Ukraine, zur taz, | |
warten 40.000 Antragsteller auf ihren Passierschein. | |
Auch wenn die Passierscheine kostenfrei ausgestellt werden müssen, bekommt | |
man in der Regel nur gegen eine Summe zwischen 30 und 50 Euro den begehrten | |
Schein. In Donezk bieten Firmen und Privatleute Unterstützung beim | |
Beantragen des Passierscheins an, gegen eine Bearbeitungsgebühr von 35 | |
Euro. Wer nicht bezahlen will, muss sich auf lange Wartezeiten einrichten, | |
bei der Antragsstellung und dem Übertritt der „Kontaktlinie“. | |
## Wer die Checkpoints umgeht, macht sich strafbar | |
Angesichts dieser Missstände fordern der Gouverneur von Donezk, Alexander | |
Kichtenko und die ukrainische Menschenrechtsbeauftragte, Valeria | |
Lutkowskaja, die Abschaffung des Passierscheinsystems. Doch mit dieser | |
Forderung stehen sie weitgehend alleine. | |
Viele Menschenrechtler und die OSZE sehen bei aller Kritik in dem | |
Passierscheinsystem ein legitimes Interesse der Regierung, zu erfassen, wer | |
die von Kiew nicht kontrollierten Gebiete betreten oder verlassen wolle. | |
Die Regierung, erklärt Alexander Hug der taz, wolle mit diesem System | |
sicherstellen, dass sich Kriminelle nicht einfach ungehindert außerhalb der | |
Konfliktzone bewegen können. | |
Die OSZE fordere nicht die Abschaffung dieses Kontrollsystems, sondern eine | |
effektivere Umsetzung, die Zivilisten nicht in Gefahr bringe, sagt Hug. | |
Hauptkritikpunkt der OSZE sind die langen Wartezeiten an den Checkpoints. | |
„Oftmals finden die Kämpfe an der Kontaktlinie, also auch an den | |
Checkpoints statt. Das bringt Zivilisten dann direkt in Gefahr“, so Hug. | |
Viele Bewohner der separatistisch kontrollierten Gebiete umgehen die | |
Checkpoints an der Frontlinie durch einen Umweg über Russland. Da sie | |
hierbei jedoch die ukrainisch-russische Grenze an einer Stelle übertreten, | |
die von der Ukraine nicht kontrolliert wird, machen sie sich strafbar und | |
werden mit einer Geldstrafe von 60 bis 70 Euro belegt. Die OSZE fordert von | |
Kiew die Abschaffung dieser Strafen. | |
## Abgeordneter fordert die vollkommene Abriegelung der Separatistengebiete | |
„Die Passierscheinausstellung müsste direkt online über eine leicht | |
bedienbare Internetseite abgewickelt werden können“, fordert Levon Asisjan | |
von der Nichtregierungsorganisation SOS Vostok in einem Gespräch mit der | |
taz. | |
Kritik kommt auch aus einer anderen Richtung. Igor Mositschuk, Abgeordneter | |
der Radikalen Partei, fordert eine weitere Verschärfung des | |
Passierscheinsystems. Das Ziel müsse eine vollständige Blockade der von | |
Kiew nicht kontrollierten Gebieten sein, so der Abgeordnete. Eine komplette | |
Blockade sei ein Weg, die besetzten Gebiete wieder zurückzuholen, so der | |
Abgeordnete. | |
Unterdessen bekamen am Wochenende Bewohner und Besucher von Lugansk die | |
neuen Verschärfungen der Blockade zu spüren. Seit Donnerstag dürfen nur | |
noch Radfahrer und Fußgänger in das Gebiet Lugansk. | |
17 May 2015 | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
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