| # taz.de -- Meseberg-Klausur: „Noch viel zu tun“ | |
| > Über 50 Themen hat die Koalition beraten, doch nur wenig beschlossen: | |
| > Außer dem bekannten Programm zum Klimaschutz will man die Tür für | |
| > Osteuropas Ingenieure etwas öffnen. | |
| Bild: Je weniger beschlossen, desto besser die Laune: Grinsekabinett im Schloss… | |
| CDU-Kanzlerin Angela Merkel und SPD-Vizekanzler Franz Müntefering haben am | |
| Freitag versucht, zu zeigen, dass die Regierung noch etwas vorhat - in | |
| ihrer zweiten Halbzeit. „Wir haben ein umfangreiches Arbeitsprogramm vor | |
| uns“, sagte Merkel nach ihrer Rückkehr von der zweitägigen Kabinettsklausur | |
| auf Schloss Meseberg. | |
| Vor wenigen Wochen haben die beiden noch über die Einführung eines | |
| gesetzlichen Mindestlohns gestritten - vergessen. Jetzt geben sie sich ganz | |
| sachorientiert. Die alten Schlachten seien geschlagen. „Wie haben Sie | |
| Müntefering um den Finger gewickelt, Frau Merkel?“, will ein Journalist | |
| wissen. Durch „gegenseitigen Respekt“, antwortet sie. Und Müntefering sagt: | |
| „Wir unterhalten uns wie unter Erwachsenen.“ | |
| Für zwei Tage hatte die Kanzlerin alle ihre Minister nach Schloss Meseberg, | |
| ins Gästehaus der Bundesregierung nördlich von Berlin, geladen, um „über | |
| die Ressorts hinweg“ große Fragen zu diskutieren. Herausgekommen ist ein | |
| 12-seitiges Papier. Titel: „Aufschwung - Teilhabe - Wohlstand - Mehr | |
| Chancen für Deutschland“. Die Rhetorik ist anspruchsvoll - und das | |
| Ergebnis? | |
| „Wir wollen niemanden zurücklassen“, sagt Merkel. Die gute Konjunktur solle | |
| „für mehr und mehr Menschen spürbar werden“. Die Instrumente der | |
| Arbeitsmarktpolitik sollen neu ausgerichtet werden, durch, so steht es im | |
| Papier, „Straffung und Präzisierung“. Konkreter wird es allerdings nur bei | |
| der Post: Die Minister haben bekräftigt, dass es dort Mindestlöhne geben | |
| soll. Das war am Dienstag schon klar. | |
| Aus Sicht des Kabinetts beschert der Aufschwung Deutschland aber auch ein | |
| Problem: Fachkräfte fehlen. Darum dürfen nun mehr Ingenieure aus dem | |
| Ausland geholt werden. Zugleich will man die Mittel für Bildung und | |
| Forschung aufstocken - bis 2020 auf 3 Prozent, gemessen am | |
| Bruttoinlandsprodukt, also der Summe aller Wirtschaftsleistungen in | |
| Deutschland. Voraussichtlich werden die Ausgaben von 55 Milliarden im Jahr | |
| 2005 auf 79 Milliarden im Jahr 2010 gesteigert. Und die Regierung gibt | |
| Ziele vor wie: „für jeden einen Schulabschluss“. Die Quote der | |
| Schulabbrecher soll bis 2010 halbiert werden. | |
| Unter dem Stichwort „Globalisierung“ behandelte der Meseberger Kreis die | |
| Frage, ob und wie Deutschland sich - ähnlich wie Frankreich - gegen | |
| Finanzturbulenzen und den Einfluss ausländischer Staatsfonds schützen kann. | |
| Dazu gibt es nun aber nur einen Prüfauftrag für die zuständigen Ressorts. | |
| Die Koalition verspricht, sich auch für faire Arbeitsbedingungen rund um | |
| den Globus einzusetzen. Merkel: „Da haben wir noch viel zu tun.“ | |
| Deutschland soll künftig - auch das hat das Kabinett nun offiziell | |
| beschlossen - auf saubere Energien und Energiesparen setzen. | |
| Wirtschaftsminister Michael Glos (CSU) sagte in Meseberg: „Wir wollen die | |
| energieeffizienteste Region der Welt werden.“ | |
| Monatelang hatte das Klimapaket für Streit zwischen Glos und Umweltminister | |
| Sigmar Gabriel (SPD) gesorgt. Häuser müssen zum Beispiel deutlich strengere | |
| Dämmvorschriften einhalten. Das dreißig Punkte umfassende Programm soll | |
| noch vor der im Dezember beginnenden UN-Klimakonferenz auf Bali in den | |
| Bundestag eingebracht werden. Alle zwei Jahre sollen die Klimamaßnahmen | |
| anschließend überprüft werden. | |
| Mindestlohn, Afghanistaneinsatz, Krippenfinanzierung, Erbschaftsteuer, die | |
| neue Hartz-IV-Debatte, Mitarbeiterbeteiligung - all diese offenen Fragen | |
| löste der Poltiktalk in Meseberg nicht. Das Wall Street Journal lästerte | |
| schon vergangene Woche: „Berlins politische Klasse ist im Sommerurlaub | |
| verschwunden und wird für zwei Jahre nicht zur echten Arbeit zurückkehren.“ | |
| Gefragt, wie die beiden Volksparteien die Koalition bis zur Bundestagswahl | |
| 2009 verkaufen wollen, um die Wähler auf die eigene Seite zu ziehen, | |
| antwortete Merkel, sie wolle an der „Sache arbeiten - dann ist mir nicht | |
| bang“. Müntefering darauf: „Mir auch nicht.“ | |
| 24 Aug 2007 | |
| ## AUTOREN | |
| Hanna Gersmann | |
| ## TAGS | |
| Erbschaftsteuer | |
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