# taz.de -- Kommentar: Neue Tabus für Sicherheitsbehörden | |
> Am Ende der Diskussion über die Onlinedurchsuchung dürfte die SPD | |
> einknicken. Sie vergibt die Chance, Verbesserungen bei Bürgerrechten | |
> herauszuhandeln. | |
Momentan führt die SPD nur Abwehrgefechte in ihrem Streit mit | |
CDU-Innenminister Wolfgang Schäuble, ob die Onlinedurchsuchung von | |
Computern erlaubt werden soll. Am Ende dürften die Sozialdemokraten | |
einknicken - schon weil laut einer Infratest-Umfrage vom April überhaupt | |
nur 22 Prozent der Bundesbürger finden, dass Schäuble zu weit geht. Die SPD | |
vergibt dabei die Chance, deutliche Verbesserungen bei den Bürgerrechten | |
herauszuhandeln. | |
Stattdessen verlegt sich die SPD darauf, eher scheinradikale Bedingungen | |
aufzustellen. So wird etwa gefordert, es dürfe keine Grundgesetzänderung | |
für die Onlinedurchsuchung geben. Dann macht es Schäuble eben ohne | |
Grundgesetzänderung. Ihre Notwendigkeit ist eh umstritten. Auch andere | |
SPD-Forderungen sind wachsweich: Richtervorbehalt, Benachrichtigung des | |
Betroffenen oder Schutz des "Kernbereichs privater Lebensgestaltung" - all | |
das ist im Gesetzentwurf von Schäuble längst enthalten. Vielleicht kommt | |
noch ein Verbot dazu, die Spähsoftware mit gefälschten Behörden-E-Mails zu | |
verschicken. Doch auch diese Einschränkung kann das BKA verkraften, | |
schließlich war dies nur eine von vielen Ideen, wie das staatliche | |
Hacker-Tool auf dem Computer eines Verdächtigen platziert werden könnte. | |
Letztlich dürfte die SPD nur sicherstellen, dass die Onlinedurchsuchung | |
nicht zu einer Standardmaßnahme der Polizei wird. Allerdings wird sie wegen | |
der aufwändigen Installation der Späh-Software auf dem Computer des | |
Verdächtigen ohnehin die Ausnahme bleiben. Typischerweise wird die | |
Festplatte - wie schon seit Jahrzehnten - bei einer Hausdurchsuchung | |
beschlagnahmt. Es wird sich also weniger ändern, als die aufgeregte | |
Diskussion vermuten lässt. | |
Auch wenn die Onlinedurchsuchung nur selten stattfinden soll: Bei den | |
meisten Bürgern bleibt eher die Botschaft hängen, dass es keinen | |
geschützten Rückzugsraum mehr gibt. Schließlich erfolgen die meisten der | |
modernen Ermittlungsmethoden heimlich und niemand weiß, ob und wie er | |
überwacht wird. Selbst absolut rechtstreues Verhalten hilft nicht. Es | |
könnte ja ein Missverständnis, eine Verwechslung oder eine böswillige | |
Denunziation vorliegen. | |
Um diesem Misstrauen gegen den Staat zu begegnen, sind neue Tabus für die | |
Sicherheitsbehörden erforderlich. Die Politik muss zeigen, dass sie das | |
Bedürfnis derjenigen ernst nimmt, die nicht nur einen relativen, sondern | |
einen absoluten Schutz ihrer Privat- und Intimsphäre verlangen. Hier müsste | |
die SPD ansetzen, wenn sie in den Verhandlungen mit der Union nicht nur das | |
Schlimmste verhüten, sondern eigene Akzente setzen will. | |
So wäre es naheliegend, das gesprochene Wort in der privaten Wohnung und | |
das handschriftliche Tagebuch für absolut geschützt zu erklären. Beides | |
betrifft althergebrachte und zutiefst persönliche Orte der Reflexion, die | |
zugleich für die Kriminalitätsbekämpfung von verschwindend geringer | |
Bedeutung sind. Der große Lauschangriff, also das Abhören der Wohnung mit | |
Mikrofonen, hat trotz gewaltiger Versprechungen bei seiner Einführung 1998 | |
kaum praktische Relevanz entwickelt. Auch das Tagebuch muss die Polizei | |
nicht lesen. Es erstaunt, dass das Verfassungsgericht die Verwertung vor | |
Gericht bisher zugelassen hat, wenn es um Aufzeichnungen über schwere | |
Verbrechen geht. | |
Natürlich würde die Arbeit der Polizei durch neue Tabus nicht erleichtert. | |
Aber abwägungsfeste Beschränkungen der Ermittlungen sind im Rechtsstaat | |
keine Fremdkörper. Das Schweigerecht des Beschuldigten, die | |
Zeugnisverweigerungsrechte oder die Verjährung behindern die | |
Strafverfolgung spürbar, aber durchaus gewollt. | |
Und noch ein Deal könnte der SPD Pluspunkte bringen. Statt ängstlich eine | |
Grundgesetzänderung für die Onlinedurchsuchung zu vermeiden, sollte sie | |
lieber verfassungsrechtliche Gegenleistungen fordern. So könnte endlich der | |
Datenschutz im Grundgesetz verankert werden und das alte Fernmeldegeheimnis | |
könnte zu einem umfassenden Mediennutzungsgeheimnis ausgebaut werden, das | |
dann auch die Nutzung des Internets umfasst. Beides hätte zwar überwiegend | |
symbolische Bedeutung, aber nie waren Symbole so wichtig wie in der | |
Mediengesellschaft. Der Gesellschaft würde signalisiert, dass der Staat den | |
Schutz der Privatsphäre auch in Zeiten des islamistischen Terrors ernst | |
nimmt. | |
31 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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