# taz.de -- Onlinedurchsuchungen: Mehr als 30 Gesetze betroffen | |
> Nicht nur das BKA soll künftig Computer ausspähen können. | |
> Verfassungsschutz und Landespolizei sollen ebenfalls auf Festplatten | |
> schnüffeln dürfen. | |
Bild: Bis zu 32 Gesetze müssten für den polizeilichen Zugriff geändert werden | |
FREIBURG taz Es handele sich doch nur um "fünf bis maximal zehn" | |
Onlinedurchsuchungen im Jahr, beschwichtigte Jörg Ziercke, Präsident des | |
Bundeskriminalamtes (BKA), diese Woche im Stern-Interview. Fürs BKA mag | |
diese Prognose ja vielleicht zutreffen, doch wenn sich heute die Experten | |
von Innen- und Justizministerium mit Abgeordneten der großen Koalition | |
treffen, um die Verhandlungen zur Onlinedurchsuchung fortzuführen, geht es | |
nur vordergründig um das BKA. Im Blick sind durchaus auch die | |
Landespolizeien sowie die Verfassungsschutz-Behörden von Bund und Ländern. | |
Die Verhandlungen um das BKA-Gesetz stehen, so der Konsens in der | |
Koalition, nur stellvertretend für alle Sicherheitsbehörden - einfach | |
deshalb, weil das BKA-Gesetz ohnehin novelliert wird und der | |
vorwärtsdrängende Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) hier die | |
Federführung hat. Mit der Novelle bekommt das BKA erstmals | |
Präventivbefugnisse, begrenzt allerdings auf die Abwehr des internationalen | |
Terrorismus. | |
Doch Schäuble hat schon Anfang des Jahres klargestellt, dass auch der ihm | |
unterstellte Verfassungsschutz künftig heimlich Festplatten ausspähen | |
können soll. Später wurde bekannt, dass der Geheimdienst aufgrund einer | |
bloßen Dienstanweisung von Innenminister Otto Schily (SPD) schon seit 2005 | |
vereinzelte Onlinedurchsuchungen vornahm. Schäuble stoppte die Praxis und | |
plant jetzt eine gesetzliche Grundlage im Bundes-Verfassungsschutzgesetz. | |
Noch wichtiger dürfte eine Änderung der Strafprozessordnung sein, für die | |
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) verantwortlich ist. Hier sind die | |
Rechte der Polizei bei der Strafverfolgung, also zur Aufklärung bereits | |
begangener Taten geregelt. Wenn die Onlinedurchsuchung hier eingeführt | |
würde, dürfte es auch nicht nur um mögliche Terroristen gehen. Christoph | |
Frank, der Vorsitzende des Richterbundes, will mit diesem Mittel vor allem | |
den Hintermännern von Kinderporno-Ringen auf die Schliche kommen. Mit | |
Genehmigung des Amtsgerichts Bonn wurde 2006 bereis zweimal heimlich auf | |
Computer zugegriffen, damals ging es um den Betrug an Bankkunden mittels | |
Phishing. Im Februar hat der Bundesgerichtshof dann in einem anderen Fall | |
klargestellt, dass es für Onlinedurchsuchungen noch keine gesetzliche | |
Erlaubnis gibt. | |
Doch neben den drei Bundesgesetzen gibt es in jedem Bundesland noch ein | |
Polizeigesetz für die präventive Tätigkeit der Landespolizei und ein | |
Verfassungsschutzgesetz für den Landesgeheimdienst. Bis zu 32 weitere | |
Gesetze könnten deshalb geändert werden. | |
In den Ländern jedenfalls schaut man nach Berlin. In Baden-Württemberg hat | |
Justizminister Ulrich Goll (FDP) durchgesetzt, dass die Onlinedurchsuchung | |
nur ins Polizeigesetz eingefügt wird, wenn es auch im Bund eine | |
Rechtsgrundlage gibt. | |
Die bislang einzige gesetzliche Regelung für staatliche Hacker-Angriffe | |
besteht in Nordrhein-Westfalen. Doch das Vorreiter-Gesetz ist umstritten. | |
Über mehrere Verfassungsbeschwerden will das Bundesverfassungsgericht am | |
10. Oktober verhandeln. Die SPD will das Urteil abwarten, das für Anfang | |
2008 erwartet wird, bevor sie einer gesetzlichen Regelung im Bund zustimmt. | |
30 Aug 2007 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Überwachung | |
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