# taz.de -- Vater zieht vors Verfassungsgericht: Besuchszwang für unwilligen P… | |
> Die Geliebte will den Mann zwingen, ihren gemeinsamen Sohn zu sehen. | |
> Seine Ehefrau droht mit Scheidung, wenn er das tut. Jetzt entscheidet das | |
> Bundesverfassungsgericht. | |
Bild: "Sohn? Öch nööö.....", ein Vater stellt sich quer. | |
Eigentlich kennt man es andersherum: Die enttäuschte Liebhaberin rächt | |
sich, indem sie dem Vater ihres gemeinsamen unehelichen Kindes den Kontakt | |
mit dem Kind verweigert. Manche Väter werden dann ganz renitent, gehen vor | |
Gericht oder treten in den Hungerstreik. Natürlich tun sie das alles nur, | |
damit das Kind keinen Schaden aus der fehlenden Vaterfigur nimmt. | |
Ganz anders ein Mann aus Brandenburg: Er wollte sein uneheliches Kind auf | |
keinen Fall sehen. Doch dann wurde er von der Mutter verklagt und ein | |
Gericht verurteilte ihn auch zum Umgang mit seinem Sohn. Jetzt kämpft er | |
vor dem Bundesverfassungsgericht gegen diese Besuchspflicht. Sie verletze | |
sein Persönlichkeitsrecht. | |
Der Fall ist skurril, für die Beteiligten aber sehr ernst. Im Mittelpunkt | |
steht ein verheirateter Mann aus Brandenburg, der über Jahre hinweg ein | |
außereheliches Verhältnis mit einer Jugendfreundin unterhielt. Die beiden | |
hatten regelmäßig Sex, doch er betonte stets, dass er kein Kind mit ihr | |
haben wollte. Als die Geliebte dennoch schwanger wurde, beendete er die | |
Affäre. Der Mann hat dann zwar die Vaterschaft anerkannt und zahlt auch | |
Unterhalt, doch seinen Sohn hat er noch nie gesehen. Seit einem Jahr lebt | |
der heute Achtjährige in einem Heim und wird dort auf die Rückkehr zur | |
Mutter, die wohl Erziehungsprobleme hatte, vorbereitet. | |
Als das Kind knapp zwei Jahre alt war, klagte die Mutter auf regelmäßige | |
väterliche Besuche. Sie besteht darauf, dass er dem Kind ein Vater sein | |
soll. Doch der Mann sah das nicht ein. Das kleine Kind habe noch keinen | |
eigenen Willen, argumentierte er, und der Mutter gehe es nur darum, die | |
Beziehung fortzusetzen. Außerdem habe seine Ehefrau gedroht, ihn zu | |
verlassen, wenn er den Sohn besuche. | |
Doch die Exgeliebte hat das Gesetz auf ihrer Seite. Seit der Modernisierung | |
des Kindschaftsrechts im Jahr 1998 haben Kinder ein Recht zum Umgang mit | |
beiden Elternteilen - und Eltern eine entsprechende Pflicht. Deshalb | |
verurteilte das Oberlandesgericht Brandenburg den Mann, alle drei Monate | |
mit seinem Sohn - unter fachlicher Begleitung - zwei Stunden Zeit zu | |
verbringen. Falls er sich weigere, müsse er bis zu 25.000 Euro Zwangsgeld | |
bezahlen. Den Hinweis auf den Druck der Ehefrau ließen die Brandenburger | |
Richter nicht gelten. Mit der Drohung, den Mann zu verlassen, könne sie | |
nicht erreichen, dass er seine gesetzlichen Pflichten missachte. Überhaupt | |
könne die Aversion gegen das Kind nicht so groß sein, meinten die Richter, | |
weil die Ehefrau auch monatlich den Unterhalt überweise. | |
Doch der Mann, der nicht Vater spielen will, gab nicht auf. Er erhob | |
Verfassungsbeschwerde, über die gestern in Karlsruhe verhandelt wurde. Er | |
sehe sich generell nicht in der Lage, das Kind anzunehmen. Die zwangsweise | |
Durchsetzung der Besuchspflicht verletze ihn in seinem | |
Persönlichkeitsrecht, argumentiert er. Über seine Anwältin ließ er gestern | |
ausrichten: "Wenn er das Sorgerecht hätte, würde er das Kind sogar zur | |
Adoption freigeben." Der Mann nahm an der Verhandlung nicht selbst teil | |
Die Mutter saß dagegen - von den Richtern unerkannt - im Zuschauerraum. | |
Gegenüber der Presse wollte sie sich jedoch nicht äußern, weil sie einen | |
Exklusivvertrag mit einem Boulevardmedium hat. | |
Dafür kam Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) zu Wort, die natürlich | |
die aktuelle Gesetzeslage verteidigte. "Grundsätzlich ist es richtig, wenn | |
ein Elternteil auch zum Umgang mit dem Kind gezwungen werden kann", sagte | |
sie bei ihrem überraschenden Auftritt in Karlsruhe, "ich zweifle aber, ob | |
die Abwägung der Interessen hier gelungen ist." | |
Auch das Jugendamt der Stadt Brandenburg lehnte eine Umgangspflicht in | |
diesem Fall ab. Nach seinem Vater frage er nicht, sagte eine | |
Sozialarbeiterin, wichtiger sei eine Stabilisierung im Verhältnis zur | |
Mutter. Der erzwungene Kontakt zum abweisenden Vater könne sogar zu | |
"Entwicklungsstörungen" führen. Ulrike Peifer vom Deutschen Verein für | |
öffentliche und soziale Fürsorge ging noch weiter: "Wir lehnen Zwangsmittel | |
zur Lösung familiärer Konflikte generell ab." | |
Doch die Experten waren sich gestern nicht einig. "Auch ablehnende Väter | |
lassen sich oft vom Charme eines Kindes einfangen und entwickeln dann doch | |
Vatergefühle", argumentierte Georg Rixe vom Interessensverband Unterhalt | |
und Familienrecht. "Kontakte mit dem Vater können für die Identitätsbildung | |
des Kindes auch dann wichtig sein, wenn sich dieser kühl und abweisend | |
verhält", sagte Ulrich Müller vom Väteraufbruch für Kinder. Dann werde der | |
abwesende Vater wenigstens nicht idealisiert. | |
Die Verfassungsrichter werden ihre Entscheidung in einigen Monaten | |
verkünden. | |
22 Nov 2007 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Väter | |
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