# taz.de -- Kein Besuchszwang für Väter: Schlechter Tag für Kinderrechte | |
> Ein Vater kann nicht zum Umgang mit seinem unehelichen Kind gezwungen | |
> werden. Leider. Denn auch ein Treffen mit dem abweisenden Vater kann | |
> Kindern nützen. | |
Bild: Hat offenbar nicht jeder Bock drauf: Vater sein. | |
Nein, man möchte sich diesen Fall versammelter Verantwortungslosigkeit | |
nicht zu genau vorstellen. Ein Familienvater, der eine lange außereheliche | |
Beziehung hat - und offenbar nicht selbst für die Verhütung sorgt. Eine | |
Geliebte, die diesen Mann dann mit einer von ihm nicht gewollten | |
Schwangerschaft und dem schließlich geborenen Sohn unter Druck setzt. Eine | |
Ehefrau, die ihn zu verlassen droht, wenn er den unehelichen Sohn treffen | |
sollte. Man weiß gar nicht, wer von allen am Verantwortungslosesten ist. | |
Da die konkreten Umstände auch so genau nicht eruierbar sind, kann man sich | |
die imaginäre Schuldverteilung getrost sparen. Und sich der jetzt | |
anstehenden Frage zuwenden. Nun gibt es einen Sohn. Und der möchte seinen | |
Vater gerne kennen lernen, sagt die Mutter. | |
Die ganz einfache Variante hat das Verfassungsgericht gestern verworfen. | |
Die würde lauten: Das Kind hat ein Recht auf den Umgang mit dem Vater. Also | |
wird der Vater verdonnert. Aber was geschieht dann? Das haben sich auch die | |
Gerichte gefragt. Dann kommt etwa ein Neunjähriger mit seiner | |
Sozialarbeiterin in ein Café. Dort sitzt der Vater. Und ignoriert ihn. Sagt | |
der Knirps: "Hallo Papa", antwortet er nicht und schaut weg. Kann so etwas | |
einem Kind nützen? Oder nicht doch eher schaden? | |
Die ExpertInnen streiten. Ein realistisches - wenn auch negatives - | |
Vaterbild, das man bei so einem Treffen gewinnt, sei allemal besser als | |
nichts, meinen die einen. Eine traumatisierende Begegnung mit dem Vater sei | |
schlimmer als ein abwesender Vater, sagen die anderen. Abstrakt kann man | |
einen solchen Fall offenkundig nicht entscheiden. Das Brandenburger | |
Oberlandesgericht hat zwar immerhin ein Gutachten eingeholt, um | |
herauszufinden, was für das Kind gut wäre. Was es allerdings versäumt hat: | |
die Interessen des Kindes vertreten zu lassen. Will der Sohn den Vater | |
tatsächlich so dringend sehen? Oder treibt die Mutter hier ein perfides | |
Spiel? Das hätte man mit Hilfe eines Verfahrenspflegers, eines sogenannten | |
"Anwalts des Kindes", zumindest näher beleuchten können als mit einem | |
externen Gutachter, der das Kind nur für ein paar kurze Termine trifft. | |
Doch mit der Vertretung von Kinderrechten tun Gerichte sich häufiger mal | |
schwer. Ähnlich schwierig ist es nämlich auch im umgekehrten Fall: Wenn ein | |
Kind seinen Vater nicht sehen möchte, der auf seinem Umgangsrecht besteht. | |
Auch dann wird zuweilen über den Kopf des Kindes hinweg bestimmt, dass ein | |
Umgang gut für sein Wohl sei. Wer Kinderrechte will, muss Kindern auch | |
zuhören. | |
Das Verfassungsgericht hat hier nicht wirklich weitergeholfen. Es hat zwar | |
das Kindeswohl in den Mittelpunkt gestellt, zugleich aber gemeint, ein | |
Zwangsumgang würde diesem "in der Regel nicht dienen". Liebe lässt sich | |
eben nicht erzwingen, möchte man da gleich jodeln. Aber eine Begegnung mit | |
so einem komischen Vater kann einem Kind ja trotzdem etwas nützen. Diese | |
Begegnung nun gleich zur Ausnahme zu erklären, war nicht nötig. | |
Man hätte auch diesen Einzelfall als schlecht begründet beanstanden können, | |
ohne gleich alle unwilligen Väter aus der Pflicht zu entlassen. Und in | |
diesem Einzelfall ist dem Jungen, der mittlerweile in einer Wohngruppe lebt | |
und sich gerade wieder mit neuen Bezugspersonen auseinandersetzen muss, | |
vielleicht tatsächlich gerade nicht zu wünschen, dass er nun auch noch | |
einen abweisenden Vater erleben muss. Aber solche Entscheidungen müssen | |
offen getroffen werden können - und nicht mit einer erschwerenden Vorgabe | |
von ganz oben. Insofern war das kein guter Tag für die Kinderrechte. | |
2 Apr 2008 | |
## AUTOREN | |
Heide Oestreich | |
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