# taz.de -- taz-Adventskalender: Brunnenstraße 10 | |
> Zuletzt hieß der Laden in der Brunnenstraße 10 "Café zur Post". Aber er | |
> war immer geschlossen. Jetzt steht die Tür offen. Nachts zumindest. | |
Bild: Bisher war diese Tür immer geschlossen. Jetzt steht sie offen. Nachts zu… | |
Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum | |
Glück gibt es Adventskalender: Da darf man jeden Tag eine nummerierte Tür | |
öffnen - und sich überraschen lassen. | |
Tür eins ist gar keine Tür. Nur ein Loch in der Fassade. Und doch sorgt die | |
rund fünf Meter breite Öffnung dafür, dass alle Passanten auf der | |
Brunnenstraße das Haus mit der Nummer 10 kennen - auch wenn ihnen das gar | |
nicht bewusst ist. Sie eilen nur in dem gekachelten Gang die Treppen hinab | |
zum U-Bahnhof Rosenthaler Platz. Das Haus, durch das sie dabei | |
hindurchgehen, ist den meisten egal. Zurzeit erst recht, denn der | |
U-Bahn-Eingang ist seit Monaten geschlossen - wegen Renovierung. | |
Tür zwei ist aus Glas. Das Schaufenster nebenan zeigt vor allem das schräge | |
Dach der U-Bahn-Treppe. Daneben standen jahrelang zwei Stühle. Einmal haben | |
da zwei ältere Frauen draufgesessen. 1997. Ansonsten waren sie leer. So | |
leer wie das ganze Café, das sich hinter dem Schaufenster, den Stühlen und | |
vor allem der raumfüllenden Treppenschräge befunden hat. Manchmal hat der | |
Name des Ladens gewechselt. Zuletzt hieß es "Café zur Post", dabei gibt es | |
hier weit und breit keine. Immer aber war die Glastür verschlossen. | |
Jetzt steht sie offen. Neuerdings. Nachts zumindest. An Wochenenden. Und | |
hinter der Glastür und dem Schaufenster und der U-Bahn-Treppenschräge | |
drängeln sich Menschen an der Bar. Man trägt schwarz. Und man ist über 30. | |
Oder man erweckt zumindest den Anschein, dass es kein Problem wäre, wenn | |
man auf über 30 geschätzt würde. Ein Sieben-Tage-Bart ist auch okay. In der | |
Ecke klickt ein DJ auf seinem Laptop. Er trägt schwarzen Kajal um die | |
Augen. Die Musik klingt passend dazu nach Synthi-Krams aus den frühen | |
80ern. Dank frischer Elektronik aufgepeppt fürs neue Jahrtausend. "VIVA | |
TV-LINKS" jubelt ein schwarzes Transparent an der weißen Wand hinter dem | |
DJ. "Free Internet" fordert eine Neonschrift über dem Sofa. "Cheep SMS" | |
verlangt das Transpi über der Bar. | |
Der schwarze Block der digitalen Boheme davor trinkt Bier. Ein Mann fast | |
ohne Haare unterhält sich mit einer sehr blonden Frau. Die Musik ist laut. | |
Lippen und Ohren lassen jede Distanz missen. Sie lachen. Sprechen auf | |
Englisch. Ein großer Typ schlingt von hinten seine Arme um die Blonde. Sie | |
schmiegt sich an ihn. Der Haarlose verstummt. Noch ein Bier. Im | |
Zweifelsfall Becks. Für 2,50. | |
Tür drei ist gar keine Tür. Nur mehrere schwere Teppiche, die den Eingang | |
am Ende der Kellertreppe verhängen. Den Schall schlucken. Der sonst über | |
den zweiten Hof pulsieren würde. "Zur Möbelfabrik" steht über der Treppe. | |
Hinter dem Teppich öffnet sich ein weiträumiges Souterrain mit Kappendecke. | |
Unverputzt. Wie die Säulen. Und der schiefe Boden aus Backstein, auf dem | |
sich Füße im Rhythmus bewegen. Man ist knapp über 20. Und man erweckt den | |
Eindruck, dass es ein Fauxpas wäre, wenn man auf über 30 geschätzt würde. | |
Ein Sieben-Tage-Bart ist dennoch okay. | |
Die Arme flattern. Der rechte Fuß. Mit geschlossenen Augen. Dann auch der | |
linke. Ein Zucken der Hüfte. Der Finger. Noch mal ein Arm. Ein Lächeln. | |
Schwimmt auf den plockernden Bässen. Die DJs heißen Jan Mir oder Tristen | |
oder Pitt. Das steht zumindest auf dem Flyer, der rumliegt. Die Musik | |
bröckelt in den Raum. Bröselt von der Decke. In die Haut. Ein Schweißfilm. | |
Eine zierliche Frau hüpft von einem Mann zum nächsten. Einer streicht ihr | |
durchs Haar. Ein anderer umfasst kurz ihre Hüfte. Einen dritten wird sie | |
viel später küssen. | |
Weiter hinten bei den Sofas steht ein altes Küchenbüfett mit nicht ganz so | |
alten Büchern. Sie tragen Titel wie "Finanzwissenschaft" oder | |
"Betriebswirtschaftslehre I". | |
Viel später stehen die Alten immer noch vorn im Café und tragen schwarz. | |
Der U-Bahn-Eingang wird immer noch renoviert. Aber man hört einen Zug | |
rumpeln. | |
9 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Gereon Asmuth | |
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