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# taz.de -- Berliner Adventskalender: Karl-Marx-Straße 7
> Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige.
> Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man jeden Tag eine nummerierte
> Tür öffnen - und sich überraschen lassen.
Boris Schiff ist so verliebt in seine Uhren, dass er zwei trägt. Am linken
Handgelenk eine und am rechten Handgelenk eine. So steht der Juwelier da
und bedient die Menschen, die seinen kleinen, altmodischen Laden in der
Neuköllner Karl-Marx-Straße 7 betreten. Man sieht die Uhren nur, wenn die
Ärmel seines braunen Jacketts ein bisschen hochrutschen. "Falls eine
stehenbleibt", sagt er und lacht.
Es ist kaum denkbar, dass Schiff tatsächlich einmal die genaue Zeit
entgehen sollte. Überall in seinem Geschäft hängen und liegen Uhren: an der
Wand, im Schaufenster, in den Schubladen und in den vielen Schachteln, die
hinter der Theke aufgestapelt sind. "Für das alles ist hier einfach zu
wenig Platz", sagt Schiff. 1.000 Uhren hat er insgesamt vorrätig.
Der 63-Jährige hat den Laden Ende der 80er von seinem Schwiegervater
übernommen. "Früher war das hier eine Spitzenlage", erzählt er. Die
geblümte Tapete, die braunen Möbel, es sieht noch alles aus wie damals. Das
passt zum Angebot: Schiff verkauft vor allem mechanische Uhren aus den
70er-Jahren. Die sind bei manchen Leuten Kult. Sie kommen gezielt in
Schiffs Laden. "Künstler, Filmschaffende, Journalisten gehören zu meinen
Kunden." Er zeigt winzige Schrauben und Zahnräder. "Schauen Sie, sieht das
nicht schön aus? Diese Teile zusammenzusetzen ist eine Kunst." Quartz- oder
Digitaluhren? Davon hält er nicht viel.
Schiff begutachtet und bestellt seine Uhren in der Schweiz. Gerade ist
wieder ein Paket vom Zoll eingetroffen. Er greift in den Karton und
kichert. "So was hatte ich noch nie." Eine längliche goldene Uhr kommt zum
Vorschein, die man an einer Kette um den Hals tragen kann. Mitten darauf
ein Bild von Papst Pius.
Schiff hat offensichtlich eine Schwäche für Schräges. Aus dem Schaufenster
holt er eine Uhr mit arabischen Koranversen darauf. "Das ist das Schärfste:
die Moslemuhr." Ein kleiner Kompass in der Mitte des Ziffernblattes
bestimmt die Himmelsrichtungen. "Sie müssen doch wissen, wo Mekka ist",
sagt Schiff. Die Uhr gehe gut weg, nicht nur arabische Kunden, auch
Deutsche kaufen sie. "Die finden das witzig."
Früher behielt er einige Uhren, die ihm besonders gefielen, für sich. Heute
verkauft er fast alles. Was soll er damit? Seine Tochter will den Laden
nicht übernehmen. Trotzdem sucht er für sich etwas Besonderes aus: Die Uhr
am rechten Arm hat einen breiten, silbernen Rahmen. Links prangt eine
große, schöne Fliegeruhr mit poppig orange-schwarzem Zifferblatt. Man
glaubt es kaum: Schiff trägt sie an einem schnöden, neuen Plastikarmband.
Doch letztlich ist auch diese kleine Geschmacklosigkeit wieder eine
Liebeserklärung. Er sagt: "So kann ich sie anlassen, wenn ich in die Sauna
gehe."
7 Dec 2007
## AUTOREN
Antje Lang-Lendorff
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