# taz.de -- Berliner Adventskalender: Platz der Luftbrücke 6 | |
> Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. | |
> Zum Glück gibt es Adventskalender: Da darf man jeden Tag eine nummerierte | |
> Tür öffnen - und sich überraschen lassen. | |
Eine Nummer 6 ist weit und breit nicht zu sehen. Überhaupt ist das zentrale | |
Fundbüro von Berlin nicht ganz einfach zu finden - außer man steht nach | |
langem Suchen endlich direkt vor der vergitterten Glastür neben dem | |
Haupteingang des Flughafens Tempelhof. Auf mein Läuten öffnet ein | |
hochgewachsener, früh ergrauter Mittdreißiger: Es ist Manfred Schneider, | |
seit fünfeinhalb Jahren Leiter des Fundbüros, Chef von elf Mitarbeitern und | |
Herr über rund 30.000 Fundstücke pro Jahr. | |
Herr Schneider führt mich durch das Allerheiligste des Fundbüros: das | |
Lager. Es riecht nach Amt, also nach Staub, Möbelpolitur, Akten und | |
Zimmerpflanzen - und nach Gummi. Letzteres rührt von den aberhunderten | |
Fahrrädern, die einen beträchtlichen Teil des Raumes einnehmen. Woher die | |
alle kommen und ob nicht das eine oder andere davon gestohlen ist, darüber | |
möchte Herr Schneider lieber nicht spekulieren. | |
In Regalen, die fast bis unter die Decke gehen, stehen lange Reihen von | |
Taschen und Koffern, dazwischen ruht ein mannshoher schwarzer Tresor mit | |
großen silberfarbenen Griffen. Für die Wertsachen aus den Taschen, sagt | |
Herr Schneider. | |
In einem Nebenraum lagern die Funde aus den Einkaufszentren: ein Karton mit | |
Mützen und Handschuhen von Ikea, ein Regalbrett mit Schirmen aus den | |
Neukölln Arcaden. Sogar einen Karton mit Haarreifen und | |
Plastikkinkerlitzchen findet man hier. Solche Bagatellfunde, wie Herr | |
Schneider sagt, die weniger als 10 Euro wert sind, werden allerdings nicht | |
im Einzelnen registriert. | |
Doch auch so nimmt die genaue Registrierung der Fundstücke viel Zeit in | |
Anspruch - und das zu Recht, sagt Herr Schneider. Denn eine gute | |
Registratur ist - neben der ordentlichen Lagerung - die Voraussetzung, dass | |
man an diesem Ort überhaupt etwas wiederfindet. Schließlich landet hier | |
alles, was die Menschen auf Straßen, öffentlichen Plätzen und in Parks so | |
verlieren: Schlüssel, Börsen, Ausweise vor allem, aber auch Kleidung, | |
Gepäckstücke, Stofftiere, Instrumente. All dies, erklärt Herr Schneider, | |
bringen die Bürgerämter und Polizeidienststellen hierher. | |
Zwei Mitarbeiter sortieren die Sachen dann nach einer ganz eigenen | |
Systematik und verteilen sie an die Sachbearbeiter, die die Eingabe der | |
Daten übernehmen: Ein Fundstück, erklärt Herr Schneider, ist nämlich | |
entweder eine "Wertsache und Technik", etwa Geldbörsen, Handys und | |
dergleichen, oder es gehört zu "Schlüssel und Fahrräder", oder zu | |
"allgemeine und besondere Fundsachen" - wobei Allgemeines eher | |
Collegemappen, Mäntel, Sonnenbrillen sind, Besonderes dagegen Hörgeräte, | |
Zahnklammerdosen und Parkbänke. | |
Übrigens, sagt Herr Schneider, ist in den Geldbörsen noch oft Geld drin. | |
Und: Die Leute sind ehrlicher, als man denkt, sinniert er. Gerade erst hat | |
er wieder einen großen Geldschein registriert, der lose gefunden wurde. Wie | |
viel Geld das war, soll ich aber bitte nicht schreiben - so ehrlich sind | |
die Leute offenbar doch nicht. Sie glauben gar nicht, sagt Herr Schneider, | |
wie viele sonst hier anrufen würden. Darum muss auch jeder, der ein Fahrrad | |
sucht, einen Zettel ausfüllen mit einer genauen Beschreibung, bevor er ins | |
Lager zu den Rädern darf. Was meinen Sie, sagt Herr Schneider, was manche | |
Leute für Geschichten erzählen, wenn sie im Lager etwas sehen, das ihnen | |
gefällt. Etwa: "Mir fällt ein, mein Fahrrad war ja doch grün." | |
Und noch etwas stimmt Herrn Schneider ein bisschen traurig: dass die | |
Rückgabequote bei den meisten Fundsachen so niedrig ist. Schlüssel etwa | |
werden nur in 10 Prozent der Fälle abgeholt, erzählt er, andere Sachen zu | |
20 Prozent. Immerhin ist es etwas besser geworden, seit man auch im | |
Internet nach Verlorenem suchen kann. Aber Herr Schneider hätte sich von | |
der Online-Suche deutlich mehr erhofft. Denn er freut sich über jede | |
Rückgabe und sagt: Dafür sind wir ja da. Darum ist für ihn die Arbeit ein | |
dankbarer Job - und ein sinnvoller. Man macht die Menschen glücklich, sagt | |
Herr Schneider. | |
6 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Susanne Gannott | |
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