# taz.de -- taz-adventskalender: Albrecht-Thaer-Weg 5 | |
> Das Institut für Acker- und Pflanzenbau in Dahlem hat weit mehr als | |
> Traktoren und Mähdrescher zu bieten. | |
Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum | |
Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte Tür | |
öffnen - und sich überraschen lassen. | |
Der Albrecht-Thaer-Weg ist eine für jedermann zugängliche Privatstraße in | |
Dahlem. Egal ob man von der Lentzeallee im Norden oder der Schorlemerallee | |
im Süden kommt - alle Wege dorthin führen durch ein schmiedeeisernes Tor. | |
Dahinter beginnt "Klein-Oxford". Diesen Namen verdankt der in den | |
20er-Jahren entstandene Unicampus seinen roten Backsteinbauten. Das | |
weitläufige Areal gehört zum größten Teil der | |
Landwirtschaftlich-Gärtnerischen Fakultät der Humboldt-Universität. | |
Inmitten der Felder und Wiesen habe ich meine Kindheit verbracht. | |
Mein Vater war Hochschullehrer für Landwirtschaft. Wir wohnten im | |
Albrecht-Thaer-Weg 6 - dem damaligen Institut für Vererbungs und | |
Züchtungsforschung - in einer Dienstwohnung unter dem Dach. | |
Auf den Feldern sah ich zu, wie die Studenten Bienen spielten, indem sie | |
die Blüten der Löwenmäulchen mit Pinseln bestäubten. Ich lernte, dass in | |
der ersten Generation rosa Blüten das Ergebnis sind, wenn eine rote und | |
eine weiße Pflanze gekreuzt werden. Und dass in der zweiten Generation | |
rote, weiße und rosa Löwenmäulchen entstehen. | |
Im benachbarten Institut für Tierzüchtung hockte ich mit meiner Schwester | |
auf dem Zaun, wenn der rotbraune Bulle mit dem Nasenring und den abgesägten | |
Hörnern Kühe bestieg. Im Institut für Obstzüchtung kratzte ich mir beim | |
Pflücken der Stachel- und Johannisbeeren die Arme blutig, um mein | |
Taschengeld aufzubessern. Nur im Institut für Acker- und Pflanzenbau auf | |
der anderen Seite der Straße war ich merkwürdigerweise nie. | |
Erst jetzt - über 40 Jahre später - habe ich in Erfahrung gebracht, dass | |
sich hinter der Nummer 5 mehr verbirgt als ein landwirtschaftlicher Betrieb | |
mit Mähdreschern, Traktoren und was man sonst noch dazu braucht, einen | |
Boden zu bearbeiten. Zum Institutsgebäude gehört ein Acker, auf dem seit | |
1923 ein Dauerfeldversuch durchgeführt wird: Seit 84 Jahren wird ein Teil | |
des Ackers 17 Zentimeter tief gepflügt, der andere Teil 28 Zentimeter. Ein | |
Teil wird mit Stallmist gedüngt, der andere mit Kalk. Erforscht werden | |
soll, wie sich die Bodenfruchtbarkeit im Laufe der Jahre verändert. Ein | |
Stück weiter befindet sich die Messstation von Deutschlands ältester | |
Agrarmeteorologie. Mit der Messreihe, die 1953 begann, kann man | |
zurückverfolgen, dass die Sommer immer trockener und die Ernteerträge | |
weniger werden. | |
Auf einem anderen Feldstück wird untersucht, welche Düngewirkung | |
menschlicher Urin hat. Es handelt sich dabei um ein EU-Projekt in | |
Zusammenarbeit mit einem Bürohaus der Wasserwerken. Dort wird der Urin der | |
Mitarbeiter in den Klos getrennt aufgefangen und in Tanks zum Institut | |
gebracht. Im Jahr kommen so 20.000 Liter zusammen, die im Frühjahr und im | |
Herbst auf dem Acker verteilt werden. | |
Eines lässt sich jetzt schon sagen: Regenwürmer mögen menschlichen Urin | |
nicht besonders. Bei einem entsprechenden Experiment hat sich gezeigt, dass | |
Regenwürmer den Rückzug antreten, sobald der Boden mit Harn getränkt wird. | |
Dabei hat der Lumbricus terrestris, der Tiefgräber unter den Regenwürmern, | |
gegenüber seinen Artgenossen einen Fluchtvorteil. Das Tier, das bis zu acht | |
Jahre alt werden kann, gräbt sich einfach 1,50 Meter tief in die Erde ein. | |
4 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Plutonia Plarre | |
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