# taz.de -- taz-Adventskalender: Heynstraße 8 | |
> Ganzer Stolz des Pankower Heimatmuseums: die stattliche Badewanne des | |
> Erbauers. | |
Jedes Haus hat eine Nummer. Doch was dahintersteckt, wissen nur wenige. Zum | |
Glück gibt es Adventskalender: Da darf man täglich eine nummerierte Tür | |
öffnen - und sich überraschen lassen. | |
Der Stahlrohr-Fabrikant Fritz Heyn muss in den 90er-Jahren des 19. | |
Jahrhunderts einer der Ersten gewesen sein, der in den Genuss einer | |
gefliesten Badewanne gekommen ist. Selbst Kaiser Wilhelm II. hatte in | |
seinem Schloss noch keine fest installierte Wanne. Wie es heißt, schickte | |
er seine Untergebenen jedesmal, wenn er ein Bad nehmen wollte, zum nahe | |
gelegenen Hotel du Rome, um sich von dort eine holen zu lassen. | |
Pankow lag zu dieser Zeit noch im Berliner Umland. Dort, in der schon zu | |
Lebzeiten nach ihm benannten Heynstraße, errichtete der Fabrikant 1893 ein | |
großbürgerliches Wohnhaus. In seinen eigenen Räumen im ersten Stock hat | |
heute das Heimatmuseum Pankow einen Platz gefunden. Heyns luxuriöse | |
historische Wanne, zu der neben dem großen Badeofen ein kleines Treppchen | |
und wegen des damals bereits fortgeschrittenen Alters ihres Besitzers auch | |
ein Handlauf gehören, zeigt das Personal mit Stolz. Die Anekdote vom | |
badenden Kaiser gehört dazu und wird gerne erzählt. | |
Das Haus mit der Nummer Acht ist ein Ort voller Märchen, Geschichten und | |
Legenden. Neben dem historischen Badezimmer beherbergt es ein typisches | |
Berliner Zimmer im Stil der Jahrhundertwende, eine Küche mit einer | |
Schlafkammer für eines der vier Dienstmädchen, im Salon steht ein | |
prachtvoller, hoher Kachelofen: ein Meisterstück der Ofenfabrik Carl | |
Schulze in Neustrelitz mit dekorativen Renaissancemotiven. Aus der | |
Originaleinrichtung der Familie Heyn stammen aber auch die Kerzenständer, | |
der Ziertisch, der Vitrinenschrank und die Sitzgruppe mit dem Sofa, auf dem | |
sogar noch ein Stück des ursprünglichen Bezugs liegt. | |
Die Heynstraße Numer acht soll immer ein offenes Haus gewesen sein, | |
berichtet die Museumsführerin. Heyns Kinder brachten regelmäßig | |
Schulkameraden mit, die sich richtig schön satt futtern durften. Heyn, der | |
jahrzehntelang dem Gemeindevorstand angehörte, war sozial eingestellt und | |
tat viel für seine Angestellten, etwa indem er ihnen Land verpachtete. | |
Auch heute kommen noch Kinder in Massen. Zwei komplette Grundschulklassen | |
haben es sich mit Sitzkissen auf dem Fußboden bequem gemacht und lauschen | |
gespannt der Stimme von Julia Holau, einer Märchenerzählerin. Sie besucht | |
seit Jahren stets in der Vorweihnachtszeit das Museum - schon wegen der | |
Weihnachts- und Märchenkrippe, die hier alljährlich aufgebaut wird. 150 | |
Jahre ist sie alt, der Hintergrund ist mit Landschaftsbildern und aus Holz | |
ausgesägten Märchenfiguren dekoriert. Insgesamt werden 21 Märchen | |
repräsentiert. "Versuchen Sie doch mal, herauszufinden, welche Märchen es | |
sind", empfiehlt die Museumsführerin. Doch es dürfte kaum einem Besucher | |
gelingen, jede der Figuren, deren winzige Kleidungsstücke auf liebevolle | |
Weise selbst genäht wurden, zuzuordnen. Leicht zu erkennen sind | |
"Dornröschen", "Der gestiefelte Kater", "Hänsel und Gretel". Aber "Die | |
sechs Schwäne" oder "Brüderlein und Schwesterlein" sind nur mit Mühe zu | |
entdecken. | |
Bis 1972 war das Haus im Besitz von Heyns Erben, zwei der insgesamt 16 | |
Kinder Heyns hatten dort bis zu ihrem Tod gewohnt. Auch heute ist es noch | |
in Privatbesitz, der Eigentümer wohnt im Haus. Als 1973 die X. | |
Weltfestspiele in Ost-Berlin stattfanden, hätte sich hier beinahe das | |
Organisationskomitee eingenistet, das in jedem Bezirk eine | |
Koordinationsstelle suchte. Doch dazu kam es nicht, stattdessen wurde dem | |
Denkmalschutz Vorrang gegeben. Andernfalls wäre das Haus heute wohl längst | |
nicht so gut erhalten - und hätte vermutlich eine ganz andere Geschichte zu | |
erzählen. | |
7 Dec 2007 | |
## AUTOREN | |
Tobias Goltz | |
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