| # taz.de -- Ausländische Arbeiter in der DDR: Zwischen Solidarität und Anfein… | |
| > Ausländische Arbeiter waren in der DDR Fremdenfeindlichkeit ausgesetzt, | |
| > erlebten aber auch Solidarität. | |
| Bild: Jeden Mittwoch wird in Maputo für den ausstehenden Lohn demonstriert | |
| BERLIN taz Roberto Rivera fühlte sich in der DDR willkommen. Als der | |
| Chilene 1974, ein Jahr nach dem Pinochet-Putsch, gemeinsam mit seinen | |
| Eltern als politischer Flüchtling in die DDR kam, übergaben die Behörden | |
| der Familie eine komplett eingerichtete Wohnung. "Auf meinem Bett und dem | |
| meines Bruders lag sogar ein Kuscheltier", erinnerte sich der heute | |
| 40-jährige Kulturmanager. Er sprach auf einer Grünen-Tagung zu diesem Thema | |
| kürzlich in Berlin. | |
| Irgendwann später schrieb jemand an seinen Häuserblock in Karl-Marx-Stadt, | |
| dem heutigen Chemnitz, "Chilenen raus". "Das habe ich gar nicht verstanden, | |
| weil wir doch überall freundlich aufgenommen wurden. Wir dachten, die Leute | |
| meinten, Pinochet sollte raus aus Chile", sagt Rivera. Irgendjemand | |
| erklärte es später den Eltern: Die Wohnungen, die von den chilenischen | |
| Flüchtlingen bezogen wurden, waren DDR-Bürgern zuvor bereits fest zugesagt | |
| worden. Wohnungen waren knapp in den 70er-Jahren. | |
| Rivera bezeichnet sich selbst als privilegierten Ausländer und rechnet es | |
| der DDR hoch an, dass er in der Schule eigens Spanischunterricht erhielt. | |
| Er hat aber auch die andere Seite der DDR-Ausländerpolitik kennengelernt. | |
| Gut ein Jahrzehnt nach seiner Ankunft kamen kubanische Vertragsarbeiter | |
| nach Karl-Marx-Stadt, zu denen sich der Teenager wegen der gemeinsamen | |
| Herkunft aus Lateinamerika hingezogen fühlte. "Das waren zwei Welten. Die | |
| Kubaner hausten zu viert in einem Zimmer, hatten keine Freiheiten." | |
| Auch die Vietnamesin Thuy Nonnemann kam als Vertragsarbeiterin in die DDR. | |
| Sie formuliert es drastischer und spricht von "Sklavenarbeit". Die | |
| Vietnamesen seien im zugeteilten Wohnheimplatz im Mehrbettzimmer unter | |
| ständiger Kontrolle gewesen und hätten nur eingeschränkt Besuch empfangen | |
| dürfen. Von den Dolmetschern seien sie zur Arbeit gebracht worden "wie | |
| Vieh", sagt Nonnemann. | |
| Für den damaligen DDR-Staatssekretär für Arbeit und Löhne, Wolfgang | |
| Beyreuther, war der Einsatz von Vertragsarbeitern hingegen ein Akt von | |
| Völkerfreundschaft und internationaler Solidarität. "Wir haben die Leute | |
| ausgebildet", sagt der 80-Jährige. Die Verträge zur Entsendung von | |
| Vertragsarbeitern aus Vietnam, Mosambik, Angola und Kuba tragen seine | |
| Unterschrift. | |
| Dass Vietnamesinnen in der DDR keine Kinder bekommen durften, war in | |
| Beyreuthers Augen einzig und allein die Schuld ihres Heimatlandes: "Vietnam | |
| hatte ja über die Leute zu entscheiden." Nicht Menschen waren damals | |
| Vertragspartner, sondern Staaten, die über höchst private Belange ihrer | |
| Bürger entschieden. | |
| Almuth Berger, Ausländerbeauftragte der letzten DDR-Regierung und später | |
| dann des Landes Brandenburg, sieht das anders. Viele DDR-Behörden hätten | |
| lange Zeit nichts davon wissen wollen, dass eine Vertragsarbeiterin ein | |
| Kind bekam. Schließlich war es ja schwierig für eine Frau, zu arbeiten, | |
| wenn sie ein Baby hatte. | |
| Erst ab Anfang 1989 durften Vietnamesinnen in der DDR Kinder zur Welt | |
| bringen und mussten bei einer Schwangerschaft nicht mehr zwischen | |
| Abtreibung und Ausreise wählen. Der Betrieb musste der Weiterbeschäftigung | |
| allerdings zustimmen. | |
| Berger plädiert für ein differenziertes Bild. Es habe Fremdenfeindlichkeit | |
| gegeben, aber auch gelebte Solidarität. Um das Jahr 1980 herum hätten die | |
| Vertragsarbeiter tatsächlich noch eine Ausbildung bekommen. In den | |
| Folgejahren mussten sie dann nur noch Lücken in der Produktion stopfen. Sie | |
| verrichteten einfachste Arbeiten, für die keinerlei Qualifikation nötig | |
| war. Die Vertragsarbeiter aus Mosambik mussten mit einem Teil ihres Lohns | |
| sogar die Schulden ihres Staates bei der DDR abzahlen, das Geld wurde | |
| einbehalten. Beyreuther jedoch beteuert, er habe den einschlägigen | |
| Beschluss des SED-Zentralkomitees gar nicht gekannt. | |
| 5 Feb 2008 | |
| ## AUTOREN | |
| Marina Mai | |
| Marina Mai | |
| ## TAGS | |
| Mosambik | |
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