# taz.de -- Marburger Solar-Initiative: Öko per Gesetz | |
> Kommunen haben weitreichende Kompetenzen: Die Verpflichtung von Bürgern | |
> auf die Nutzung von Solarenergie wird auch durch das Baugesetz | |
> ausdrücklich legitimiert | |
Bild: Soill bald solarverzellt sein: Marbug. | |
FREIBURG taz Die Marburger Solarsatzung will Bauherren "bei der Errichtung | |
von beheizten Gebäuden oder deren Erweiterung um mehr als 30 Quadratmeter" | |
zur Installation von Solarkollektoren verpflichten. In der Debatte kam nun | |
immer wieder die Frage auf: Was darf eine Kommune eigentlich alles | |
festlegen? | |
Sie darf sehr viel. Die Kommunen haben in Deutschland weitreichende | |
Kompetenzen, die sich aus Artikel 28 des Grundgesetzes ergeben. Darin heißt | |
es: "Den Gemeinden muss das Recht gewährleistet sein, alle Angelegenheiten | |
der örtlichen Gemeinschaft im Rahmen der Gesetze in eigener Verantwortung | |
zu regeln." In ihren Gemeindeordnungen können die Länder die | |
Zuständigkeiten der Kommunen präzisieren, oder - wie es Hessen tut - quasi | |
die Verfassung repetieren: "Die Gemeinden können die Angelegenheiten der | |
örtlichen Gemeinschaft durch Satzung regeln, soweit gesetzlich nichts | |
anderes bestimmt ist." | |
Die Formulierung dokumentiert in ihrer Allgemeinheit sehr gut, dass der | |
Gesetzgeber den Kommunen bewusst viele Freiheiten geben will. Deutlich | |
eingeschränkt sind die Kompetenzen der Gemeinde nur, wenn es etwa um | |
kommunale Abgaben geht. Das zeigte ein Fall in den 90er-Jahren, als die | |
Stadt Kassel eine Verpackungssteuer einführte, die dann vom | |
Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. | |
Im Baurecht gehen die Möglichkeiten der Gemeinden jedoch sehr weit. So | |
können die Kommunen zum Beispiel im Rahmen eines Anschluss- und | |
Benutzungszwangs Bauherren zur Nutzung von Fernwärme verpflichten. Auch die | |
Dachneigung und -ausrichtung in einem Wohngebiet ist ein typisches Beispiel | |
für eine Vorschrift, die im kommunalen Bebauungsplan fixiert werden kann. | |
Seit Jahrzehnten wird in Wohngebieten die Zahl der Stellplätze | |
vorgeschrieben, oder es wird in Häusern die höchstzulässige Zahl von | |
Wohnungen bestimmt. Ferner kann eine Stadt laut Baugesetzbuch zum Beispiel | |
auch "Flächen oder Maßnahmen zum Schutz, zur Pflege und zur Entwicklung von | |
Boden, Natur und Landschaft" festlegen. | |
Wenn nun im Zuge der drängenden Klimaprobleme die Installation | |
solarthermischer Anlagen zur Pflicht erhoben wird, ist das somit beileibe | |
kein ungewöhnlicher Eingriff in die Freiheiten des Einzelnen. Zumal die | |
Pflicht zur Solarnutzung durch das bundesweit gültige Baugesetzbuch | |
explizit legitimiert wird. Danach nämlich können Kommunen Gebiete | |
bestimmen, in denen "bei der Errichtung von Gebäuden bestimmte bauliche | |
Maßnahmen für den Einsatz erneuerbarer Energien wie insbesondere | |
Solarenergie getroffen werden müssen". | |
Das präzisiert in Hessen auch die Landesbauordnung. Darin ist | |
festgeschrieben, dass Gemeinden per Satzung Vorschriften "zur | |
Verwirklichung von Zielen des rationellen Umgangs mit Energie" erlassen | |
können. So können die Gemeinden bestimmen, dass "die Verwendung bestimmter | |
Brennstoffe untersagt wird oder bestimmte Heizungsarten vorgeschrieben | |
werden", sofern dies "zur Vermeidung von Umweltbelastungen oder aus Gründen | |
des Wohls der Allgemeinheit geboten ist". BERNWARD JANZING | |
20 Jun 2008 | |
## AUTOREN | |
Bernward Janzing | |
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