# taz.de -- Beteiligung am Völkermord in Ruanda: Frankreichs Schande | |
> Ein Untersuchungsbericht in Ruanda enthüllt bislang unbekannte | |
> Einzelheiten über die Beteiligung französischer Soldaten beim Völkermord | |
> an Ruandas Tutsi. | |
Bild: Am 3. Juli 1994 werden französische Soldaten in einem Hutu-Flüchtlingsl… | |
Französische Soldaten waren direkt am Völkermord in Ruanda beteiligt, bei | |
dem zwischen April und Juli 1994 über 800.000 Menschen getötet wurden. Dies | |
geht aus einem [1][Bericht] über „die Verwicklung des französischen Staates | |
in den Völkermord in Ruanda 1994“ hervor, den eine unabhängige | |
Untersuchungskommission am Dienstag nachmittag in Ruandas Hauptstadt Kigali | |
vorlegte. | |
Der Bericht, der bereits im November 2007 fertiggestellt worden war, soll | |
nun als Grundlage für mögliche juristische Schritte gegen Frankreich | |
dienen, sagte die ruandische Regierung. 33 Politiker und Militärs aus | |
Frankreich werden namentlich als Verantwortliche genannt. | |
Am Abend des 6. April 1994 hatte in Ruanda ein staatlich organisiertes | |
Abschlachten der Tutsi-Minderheit des Landes begonnen, nachdem der damalige | |
ruandische Hutu-Präsident Juvénal Habyarimana in einem bis heute nicht | |
zweifelsfrei geklärten Flugzeugabschuss getötet worden war. Mit den | |
gezielten Massakern, die jahrelang vorbereitet worden waren, wollte die | |
damalige Hutu-Militärelite Ruandas ein von Habyarimana geschlossenes | |
Abkommen zur Machtteilung mit der Tutsi-Rebellenbewegung RPF (Ruandische | |
Patriotische Front) überflüssig machen, die seit 1990 in Ruanda gegen die | |
Regierung kämpfte. | |
In ganz Ruanda jagten und ermordeten Armee und Milizen der ruandischen | |
Regierungspartei, die Tutsi des Landes. Der Völkermord endete erst, als die | |
RPF aus ihren Basen im Norden Ruandas heraus das ganze Land eroberte und im | |
Juli 1994 das Völkermordregime in das benachbarte Zaire vertrieb. | |
Die für den Völkermord verantwortliche ruandische Regierung war ein enger | |
Verbündeter Frankreichs, dessen Militär die damalige ruandische Armee | |
aufrüstete und trainierte. Ab 1990, als die Tutsi-Guerilla RPF aus Uganda | |
heraus ihren Krieg begann, sah Ruandas Regierung alle Tutsi des Landes als | |
„inneren Feind“ an und militarisierte das Land. | |
An Straßensperren kontrollierten ruandische und französische Soldaten | |
gemeinsam Reisende; Tutsi unter ihnen, generell als „fünfte Kolonne“ der | |
RPF verdächtigt, wurden oftmals festgenommen, erniedrigt und misshandelt, | |
und manche davon verschwanden in Militärhaft. Französische Soldaten | |
beteiligten sich auch an Folter gefangener RPF-Rebellen. | |
Nach dem Mordanschlag auf Präsident Habyarimana am 6. April 1994 sammelten | |
sich die führenden Hutu-Extremisten in der französischen Botschaft in | |
Ruandas Hauptstadt Kigali, wo sie die für den Genozid verantwortliche neue | |
„Übergangsregierung“ bildeten. Französisches Militär, zur Evakuierung | |
weißer Ausländer nach Kigali entsandt, verweigerte verfolgten Tutsi Hilfe, | |
und französische Waffenlieferungen an die Täter gingen während der | |
organisierten Massaker weiter, während Frankreich im UN-Sicherheitsrat | |
Bestrebungen blockierte, die Massaker als „Völkermord“ zu bezeichnen und | |
damit ein Eingreifen zu erzwingen. | |
Ende Juni schließlich, als das Völkermordregime vor der militärischen | |
Niederlage gegen die RPF stand, besetzten französische Truppen den Westen | |
Ruandas, offiziell um dem Morden ein Ende zu setzen, tatsächlich aber um zu | |
versuchen, die Eroberung ganz Ruandas durch die RPF zu verhindern. In | |
beispielloser Detailliertheit führt der Untersuchungsbericht aus, wie die | |
Soldaten der französischen Eingreiftruppe „Turquoise“ mit den | |
Hutu-Mordmilizen zusammenarbeiteten, statt sie zu entwaffnen. Sie gingen | |
mit ihnen gemeinsam auf Patrouille, sie lieferten ihnen gefangene Tutsi | |
aus, sie ließen sich von den Milizen mit Tutsi-Mädchen beliefern, die sie | |
dann vergewaltigten. | |
In einzelnen Fällen sollen französische Soldaten selbst Morde an verfolgten | |
Tutsi begangen oder Leichen auf ihren Wagen transportiert haben. Am | |
Kivu-See, der die Grenze zu Zaire bildet, erklärten sie den Milizen, wie | |
man Leichen so ins Wasser wirft, dass sie nicht sichtbar an der Oberfläche | |
treiben. In der Südprovinz Gikongoro verhafteten französische Soldaten | |
überlebende Tutsi und warfen sie gefesselt aus Hubschraubern im Tiefflug | |
über dem geschützten Nyungwe-Regenwald ab. | |
Die Untersuchungskommission, geleitet von Ruandas früherem | |
Generalstaatsanwalt Jean de Dieu Mucyo, hatte im April 2006 ihre Arbeit | |
aufgenommen und insgesamt anderthalb Jahre lang Zeugen befragt und | |
Dokumente gesichtet. Insgesamt 698 Zeugen wurden von der Kommission | |
vernommen. | |
Der Bericht wurde bereits am 15. November 2007 der ruandischen Regierung | |
übergeben, aber diese hielt ihn bisher zurück, um die gespannten | |
Beziehungen zu Frankreich nicht noch weiter zu belasten. In Ruanda regiert | |
seit Sommer 1994 die einstige Tutsi-Rebellenbewegung RPF, deren Führer Paul | |
Kagame seit 2000 Präsident des Landes ist. | |
6 Aug 2008 | |
## LINKS | |
[1] http://www.rue89.com/files/Rwanda.pdf | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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