# taz.de -- Kommentar Franzosen in Ruanda: Ruanda, vergessener Hinterhof | |
> Ruanda sollte Vorposten eines französischen Einflußgebiets sein. Bis | |
> heute ist das in Paris ein Tabu. | |
Der Völkermord in Ruanda 1994 war für eine gewisse französische | |
Großmachtpolitik in Afrika Höhe- und Endpunkt zugleich. Französische | |
Kolonialnostalgiker betrachteten Afrika als Hinterhof. Daraus entwickelte | |
sich die Strategie, Ruanda zum Vorposten eines von West- und Zentralafrika | |
aus expandierenden französischen Einflussgebiets auszubauen. In Ruanda | |
waren damit Hutu-Kämpfer, die sich gegen die aus dem englischsprachigen | |
Uganda eindringenden ruandischen Exiltutsi stellten, Vorposten eines | |
französischen Weltmachtanspruchs. Für Frankreich mussten sie ihr Land | |
halten, selbst um den Preis der physischen Vernichtung des Gegners. | |
Nur so erklärt sich die Mischung aus Brutalität, Zynismus und Blindheit, | |
mit der französische Militärs noch in der Schlussphase des Genozids an über | |
800.000 Menschen die Mordmilizen weiter ermutigten und sie darin | |
unterstützten, Tutsi zu jagen. Der jetzt in Ruanda vorgelegte | |
Mucyo-Untersuchungsbericht hält erstmals in der voluminösen Geschichte der | |
internationalen Genozid-Aufarbeitung die französische Militärpräsenz in | |
Ruanda aus Sicht der Betroffenen fest - und die dargelegten Erinnerungen | |
übertreffen die düstersten Mutmaßungen. | |
Frankreich hat heute längst nicht mehr so viel Interesse an Afrika wie | |
damals, und so ist diese Art mörderischer Machtpolitik nur noch selten zu | |
beobachten, höchstens vielleicht noch in den Savannen des Tschad. Aber sie | |
ist bloß in der Versenkung verschwunden, nie explizit denunziert worden. | |
Eine ehrliche Aufarbeitung der französischen Unrechtspolitik in Afrika | |
steht aus. Ruanda bleibt in Paris ein Tabu. Man spricht höchstens von | |
"Irrtümern", was ungefähr so ist, als bezeichne Radovan Karadzic das | |
Massaker von Srebrenica als ein Versehen. Auch jetzt möchte das offizielle | |
Paris den neuen Untersuchungsbericht am liebsten durch Ignorieren aus der | |
Welt schaffen, statt sich den Tatsachen zu stellen. | |
Die Menschen in Ruanda, ob Opfer oder Täter, haben Besseres verdient. Sie | |
wollen wissen, warum ihr Land damals in eine Apokalypse getrieben wurde. | |
Der Mucyo-Bericht geht mit gutem Beispiel voran. Jetzt sollten die darin | |
Genannten mit der Vergangenheit ehrlich umgehen. | |
6 Aug 2008 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
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