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# taz.de -- 700 Dollar für Finanzmärkte: Investmentbank ade!
> Die Unterscheidung zwischen Investment- und Geschäftsbanken war eine
> Reaktion auf die Weltwirtschaftskrise. Mit der jetzigen Krise wird diese
> Trennung obsolet.
Bild: Diese Krise wird die Wall Street komplett verändern.
BERLIN taz Es waren schon einmal die Banken, die die Welt an den Abgrund
führten: Eine beispiellose Bankenpleite brachte 1929 Millionen Menschen um
ihr Geld. Der Kollaps mündete in der Weltwirtschaftskrise. Ein paar Jahre
später zog die US-Regierung ihre Lehre aus der Großen Depression und legte
neue Spielregeln für die Banken fest: Unter Präsident Franklin D. Roosevelt
wurde 1933 ein Gesetz beschlossen, das Banken und Privatanleger dauerhaft
vor allzu riskanten Spekulationen schützen sollte.
Der sogenannte Glass-Steagall-Act zog eine klare Trennungslinie zwischen
zwei Arten von Banken: auf der einen Seite relativ sichere Geschäftsbanken
für Privatkunden, die unter gesetzlicher Aufsicht stehen und ihre Einlagen
solide absichern. Auf der anderen Seite die Investmentbanken, die nach
eigenem Ermessen an der Börse, bei der Finanzierung von Unternehmen und in
Wertpapiergeschäften hohe Risiken eingehen durften.
Die Aufgabenteilung ging 75 Jahre einigermaßen gut. Doch seit Montag ist
sie Geschichte. Die Ära der Investmentbanken ist zu Ende, weil sie die
wirtschaftlichen Folgen ihrer riskanten Spekulationen nicht mehr
verkraften. Goldman Sachs und Morgan Stanley, die beiden verbliebenen von
ehemals fünf großen US-Investmentbanken, haben auf ihren privilegierten
Sonderstatus verzichtet und reihen sich nun in die Gruppe gewöhnlicher
Geschäftsbanken ein. Damit unterstehen sie fortan den Regeln und Kontrollen
der US-Aufsichtsbehörden. So können beide Investmentbanken ihre durch faule
Hypothekenpapiere wackelnden Finanzen aufbessern, indem sie auch von
Privatkunden Einlagen übernehmen.
"Wir befinden uns in einer Zeitenwende. Wir erleben gerade die Implosion
des internationalen Finanzkapitalismus als Teil einer Systemkrise", sagt
Ortwin Runde. Der Finanzexperte der SPD im Bundestag setzt sich seit Jahren
dafür ein, die außer Kontrolle geratenen Finanzmärkte an die Kette zu
legen. "Hätte man diese Dramatik bei den Investmentbanken vor einem Jahr
vorhergesagt, wäre man für verrückt erklärt worden", sagt Runde der taz.
Doch so schnell ändern sich die Zeiten.
Als Konsequenz fordert der SPD-Politiker "eine völlig neue Architektur des
Finanzsystems, die mit einer grundlegenden Änderung der Lebens- und
Wirtschaftsweise einhergeht". Der globale Kampf um Rohstoffe und Energie,
aber auch die Auswüchse der Finanzmärkte ließen keine andere Wahl. "Die USA
können es sich nicht mehr leisten, ihre imperiale Macht von Europa und
Asien finanzieren zu lassen." Selbstverpflichtungen der Finanzbranche
würden aber nicht mehr ausreichen. "Wir brauchen eine demokratische
legitimierte Regulierung ohne Ausnahmen", sagt Runde. Ob Hedgefonds,
Steueroasen oder Zweckgesellschaften, mit denen Banken außerhalb ihrer
Bilanz heikle Geschäfte abwickeln: Es dürfe keine Bereiche außerhalb der
Regulation mehr geben, fordert Runde. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil
kündigte am Montag an, eine SPD-Arbeitsgruppe werde in den nächsten Wochen
Vorschläge zur Regulierung der Finanzmärkte vorlegen.
Mit der größten Staatsintervention in den USA seit der Weltwirtschaftskrise
in den 1930er-Jahren will die US-Regierung derweil das Finanzsystem retten,
indem es in den nächsten zwei Jahren den Banken illiquide Hypothekenpapiere
mit 700 Milliarden Dollar Steuergeldern abkauft. Dazu soll die
Verschuldungsgrenze der USA von 10,6 auf 11,3 Billionen Dollar angehoben
werden. Das Rettungspaket dürfte wahrscheinlich über die Neuemission von
Staatsanleihen finanziert werden. "Es stellt sich dann aber die Frage, ob
ausländische Anleger weiterhin bereit sind, das hohe US-Defizit zu
finanzieren", sagte Dorothea Schäfer, Expertin für Finanzmärkte und Banken
beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) der taz. Allein die
Handelsbilanz der USA war 2007 mit 815 Milliarden Dollar tief in den roten
Zahlen. Schäfer erwartet jedoch, dass das Paket kommen wird: "Die
Finanzierung des 700 Milliarden Dollar Rettungspakets ist gesichert.
Allerdings wird darunter auch Wert des US-Dollars leiden", sagte Schäfer.
Auch der Fraktionsvize der Union im Bundestag warnt: "Möglicherweise legt
die US-Regierung mit dem Rettungspaket das Fundament für die nächste
Krise".
Von der Rettung dürften wohl auch ausländische Banken mit faulen Papieren
profitieren, sofern sie in den USA tätig sind. Die sieben reichsten
Nationen halten es ihrerseits aber nicht für nötig, das US-Rettungspaket
mit eigenen Maßnahmen zu unterstützen. "Die G-7-Länder planen kein
Hilfspaket für Banken nach dem Vorbild der USA", sagte Bundesfinanzminister
Peer Steinbrück (SPD) nach einer Telefonkonferenz der G-7-Finanzminister
und Notenbankchefs. Die Börsen schienen den G-7-Ministern am Montag recht
zu geben: Vor allem Finanztitel zählten unter den 30 DAX-Werten zu den
Gewinnern. Auch in Asien gewannen Finanztitel. Der japanische Nikkei-Index
legte um 1,4 Prozent zu, der Hang-Seng-Index in Hongkong kletterte um 1,6
Prozent.
Allerdings mehren sich die Zweifel, ob sich die Krise durch die
Großintervention überwinden lässt. Gerade Kreditderivate, die zuletzt das
Kernproblem der Finanzmarktkrise waren, werden nicht im Rettungsplan
berücksichtigt. Ihr Marktvolumen beträgt etwa 62.000 Milliarden Dollar.
Zudem bleibt das entscheidende Problem der Finanzkrise ungelöst: Das
fundamentale Misstrauen, das die Banken untereinander hegen, besteht
weiter. "Trotz des Rettungspakets wird die Krise weiterschwelen, auch wenn
dramatische Rettungsaktionen wohl weniger häufig werden als in der letzten
Zeit", meint Dorothea Schäfer vom DIW.
22 Sep 2008
## AUTOREN
Tarik Ahmia
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