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# taz.de -- „Es geht aufwärts“: Ökotourismus auf Drogenpfaden
> Der Tayrona-Nationalpark ist ein Kleinod an der Karibikküste Kolumbiens.
> Inzwischen kehren die Touristen wieder zurück in ein Land.
Bild: Wunderschöne, abwechslungreiche Landschaft
Iván Arturo Alvárez ist zufrieden. Auch heute hat er wieder all seine Esel
und Pferde an die Besucher von Tayrona vermieten können. „Früher lebten
viele von uns vom Kokainanbau. Doch das ist Geschichte.“ Vor ein paar
Jahren kaufte er sich seine Tiere und hat den Schritt zum Kleinunternehmer
nie bereut. Seine siebenköpfige Familie kann er jetzt ernähren, ohne mit
dem Gesetz in Konflikt zu geraten - dank der Touristen, die allmählich den
Weg nach Kolumbien zurückfinden.
Tayrona gilt mit seiner üppigen Vielfalt an Flora und Fauna als der
schönste Nationalpark Kolumbiens. Hinter dem dichten Dschungelgrün erhebt
sich die Sierra Nevada, mit Gipfeln bis zu 5.770 Metern. Es ist das höchste
Küstengebirge der Welt. Mithilfe Ivans braver Tiere bahnen wir uns den Weg
durch verschlungene Pfade, die vor nicht allzu langer Zeit noch fest in den
Händen der Drogenschmuggler waren. Die Rauschmittel, in den Siebzigerjahren
noch Marihuana, später dann Kokain, wurden in den Gebirgsausläufern der
Sierra Nevada angebaut. Dort herrschten gute klimatische Bedingungen und
das Terrain war schwer zugänglich. Die Ernte wurde in Tayrona an den Strand
gebracht und verschifft.
Die dort lebenden Bauern und Eingeborenen wurden Teil des Drogenkonflikts
Kolumbiens. Nachdem die Giftbesprühungen der Kokafelder wenig Erfolg
brachten - Wissenschafter haben sie vom ökologischen Standpunkt schon immer
mit großer Skepsis betrachtet - musste umgedacht werden. Die neue Idee: die
Bauern sollten an einem neuen Produkt verdienen. Die Idee der Posadas
Eco-Turisticas - ökotouristischer Herbergen- wurde geboren. Die Regierung
unterstützte die Bauern, die speziell für dieses Projekt geschult worden
sind, finanziell und logistisch beim Bau kleiner Herbergen, die alle im
Stil der Tayrona-Architektur erbaut wurden. Mit Erfolg: Inzwischen haben
die Touristen das Dschungelterrain erobert. Und die hiesigen Bewohner
profitieren von einer neuen Einkommensquelle.
„Die Arbeit als Fremdenführer macht mir Spaß, und meine Kinder haben jetzt
eine echte Zukunft“, erklärt auch Iván. Von der bewegten Geschichte ist
hier im tropischen Regenwald nichts zu spüren, Vögel wie Kolibris, Kondore,
Tukane oder Kakadus begleiten uns, bunte Schmetterlinge flattern auf und
ab, und unentwegt huscht es im Blattwerk um uns herum, Affen hüpfen
kreischend von Ast zu Ast.
Kolumbien gehört zu den zwölf Ländern der Erde, die 70 Prozent der
Biovielfalt beherbergen. Der Name des Nationalparks geht auf die Tayrona
zurück, neben den Inkas eine der höchstentwickelten Indianerkulturen
Lateinamerikas, die bereits behauene Steine für den Unterbau von Häusern,
Wege, Terrassen und Bewässerungskanäle verwendeten. Ihre Geschichte fand im
16. Jahrhundert ein trauriges Ende. Damals strandeten die spanischen
Konquistadoren, raubten ihnen Goldschätze und sakrale Objekte und rotteten
sie nach und nach aus. Doch es leben wieder Nachfahren der Tayrona im Park,
die Kogui-Indianer, von denen es heute noch etwa 3.000 in Kolumbien gibt.
Ihr Dörfchen, Pueblito Chairama, erreicht man nach drei Stunden Fußmarsch
von Calabazo ausgehend, einem der Eingänge des Parks. Dort kann man sich
mit Geschenken für die Indios eindecken, die hier nach ihren alten
Traditionen leben und den Weg aus dem Park nur ganz selten finden. Etwa ein
Dutzend wurden vor einigen Jahren wieder angesiedelt. Ihr Chef heißt Mama.
Als Präsente kaufen wir Reis, Brot und „Panela“, unbehandelten, in Blöcke
gepressten Rohrzucker, mit dem man Getränke herstellt und der hier als
Delikatesse gilt. Nun geht es über die verschlungenen Dschungelpfade ins
Herz von Tayrona, zuerst nach Pueblito mit seinen Rundhäusern, deren Dächer
mit Palmenblättern bedeckt sind. Hier gackern Hühner und meckern Ziegen,
auf Terrassen wird Mais und Maniok angebaut. Die Indios, die hier Souvenirs
wie gewebte Taschen verkaufen, nehmen uns gleichmütig in Empfang. Zwei
Mädchen in weißen Kleidern horten die Geschenke. Es ist schwer, ihnen ein
Lächeln zu entlocken, vielleicht wurden sie schon zu oft von Touristen
abgelichtet. Vielleicht fühlen sie sich hier einsam, denn die meisten
Koguis leben heute wieder in der Sierra Nevada, unweit der Ciudad Perdida,
der Verlorenen Stadt. Diese geheimnisvolle Tayrona-Hochburg war 400 Jahre
lang völlig vergessen, bis sie 1976 von Archäologen wiederentdeckt wurde.
Die meisten Touristen besuchen den Nationalpark aber vor allem wegen seiner
breiten 35 Strände. Vor dem Hintergrund der dunkelgrünen Palmenhaine
leuchtet das Meer in verschiedenen Türkistönen. Für José Nieto, nach 25
Jahren Dienst der älteste Führer im Park, ist Cabo de San Juan, auch
genannt „La Piscina“, der schönste und sicherste Strand. „Vom offenen Me…
ist er durch eine Korallenkette geschützt. Ein Paradies für Taucher“,
erklärt er. „Surfer aus aller Welt kommen hierher, denn einige der
Tayrona-Strände sind berühmt für ihren Wellengang“, sagt José.
An drei Strandabschnitten kann man für wenig Geld campen und Liegen und
Moskitonetze mieten. Es gibt mehrere einfache Restaurants, die vor allem
Fischgerichte anbieten. Und an der Playa Cañaveral am Eingang des Parks
werden Ecohabs, einfache, den Rundbauten der Indianer nachempfundene Hütten
mit Blick aufs Meer vermietet. Noch kommen vergleichsweise wenig Deutsche
nach Tayrona, dafür haben Italiener, Franzosen und Briten den Park längst
zu ihrem Paradies erklärt. „In Italien wurde mein Name bereits in mehreren
Fachmagazinen erwähnt. Wenn Gäste aus diesem Land hierherkommen, fragen sie
oft am Parkeingang nach mir“, freut sich Nieto. Und der britische Guardian
kürte die Tayrona-Strände zu den zweitschönsten der Welt.
Tayrona profitiert auch von seiner Nähe zu Santa Marta, der ältesten
spanischen Siedlung Kolumbiens und einer der wichtigsten Kolonialstädte des
Landes. Sie wurde 1525 von Rodrigo de Bastidas gegründet und ist heute mit
ihrem Vorort El Rodadero beliebtes Ferienziel der Kolumbianer. Die Altstadt
mit ihrer Kathedrale, der ältesten Lateinamerikas, ist sehenswert.
Außerhalb des Stadtkerns liegt die Quinta de San Pedro Alejandrino, wo 1830
der südamerikanische Freiheitskämpfer Simón Bolívar verstarb. Hier
verfasste er seine berühmte Abschiedsproklamation (Última proclama del
Libertador), in der er die Kolumbianer zur Einheit aufrief.
Dass Kolumbien wieder im Kommen ist, hat für Álvaro Fernández Silva,
Tourismusmanager in Santa Marta, einen Grund: „Seitdem unser Präsident
Uribe im Jahr 2002 die Macht in Kolumbien übernahm, Polizei und Militär in
den Städten und Überlandstraßen aufstockte und Staatsfeinden wie
Guerillatruppen und Drogenbaronen den Kampf ansagte, hat sich in Kolumbien
in Sachen Sicherheit einiges getan“, erklärt er.
Und die Touristen kehren zurück. Kamen 2006 etwa eine Million nach
Kolumbien, waren es letztes Jahr schon 1,3 Millionen. Uribe will bis zum
Jahr 2010 die 4-Millionen-Grenze überschreiten. Das Land wirbt bewusst mit
dem Slogan: „Das einzige Risiko ist, dass du bleiben willst.“ Die Menschen
haben ihren Optimismus wiedergefunden. „Es geht aufwärts“, sagt auch Iván
und tätschelt den Kopf seines ältesten Sohnes. Dann fügt er hinzu :“Es
wurde aber auch Zeit.“
27 Dec 2008
## AUTOREN
Ute Müller
## TAGS
Reiseland Kolumbien
Gabriel García Márquez
Kolumbien
Polizei
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