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# taz.de -- Biennale-Kunstausstellung in Venedig: Weltentwürfe
> Die 53. Internationale Kunstausstellung hat sich viel vorgenommen. Kann
> sie es einlösen?
Bild: Krimitauglich: Dänische Installation "Death of a Collector".
In Venedig, ist auf der Tragetasche des Nordischen Pavillons ein Statement
zitiert, das die Journalistin Sarah Thornton bei ihren Recherchen unter
Kunstsammlern aufschnappte, in Venedig "verliebt man sich sogar in
Lampenpfosten". Ja, wenn es nur so wäre.
Dann ginge der vom Künstlerduo Elmgreen & Dragset kuratierte Nordische
Pavillon als ganz und gar großartig durch. Denn Ansätze dazu gibt es in der
sonst als problematisch, weil der Kunstpräsentation wenig dienlich,
geschmähten Architektur. Das dänisch-norwegische Duo hat sie in einen
wohnlichen, mit ausreichend Kunstmarktkunst (wie Maurizio Cattelan,
Wolfgang Tillmans, Terence Koh oder Hernan Bas) bestückten Singlehaushalt
verwandelt, der selbst den Ansprüchen von AD (Architectural Digest) genügen
könnte.
Gleiches gilt für den angeschlossenen Dänischen Pavillon - trotz der
Treppenruine von Martin Jacobson. Just das aber führt dazu, dass man den
Braten riecht. Hätten Elmgreen & Dragset bei "The Collectors" weniger dick
aufgetragen, könnte der Performance-Teil, in dem die ganze Anlage zum
Verkauf steht, eine wirklich böse Überraschung werden. So aber haftet dem
Zynismus, mit dem die vermeintlichen Immobilienmakler von Vigilante Real
Estate die Architektur und die Kunst ins Lächerliche ziehen, um sie
gleichzeitig als marktechnisches Alleinstellungsmerkmal anzupreisen, vor
allem der fade Geschmack der ironisch allen Einwänden vorbeugenden
Selbstreferenzialität an.
Cattelans Salami
Dass sich in der Tasche neben Zitaten auch eine von Maurizio Cattelan
gespendete Salami findet, ist wohl als freundliche Geste gedacht. Denn im
Deutschen Pavillon angekommen, ist klar: Heute bleibt die Küche kalt - im
wörtlichen wie im übertragenen Sinn.
Tatsächlich ist das modernistische Einrichtungsmodul aus rohem Tannenholz,
das der britische Künstler Liam Gillick durch alle Räume zieht, eine
Küchenzeile. Allerdings kommt sie ohne die nötigen Gerätschaften aus, die
es brauchte, um ein Essen zuzubereiten. Das müsste nicht unbedingt das
Problem der Installation sein. Das ist eher die Katze oder die Tatsache,
dass es sie überhaupt braucht. Die Küchenzeile, die Gillick seiner eigenen
Küche nachempfunden hat, zitiert die puristische Moderne einmal mehr als
Stachel im Fleisch des puristischen Neoklassizismus.
Wo Repräsentation war, soll Funktionalität, also Küche, werden. Vielleicht
aber hätte es nur eine funktionierende Küche gebraucht. Die elektronisch
gesteuerte Plüschkatze jedenfalls, die nun auf der Küchenzeile liegt und
eine rätselhafte Geschichte erzählt, macht die Einbauküche nicht
interessanter.
Nur wenige Meter weiter zeigt Roman Ondák im Pavillon von Tschechien, wie
mit einem minimalen künstlerischen Eingriff zu punkten ist. Zu Recht heißt
die Arbeit "Loop", mit der er die Bepflanzung, die sich um die
Ausstellungshäuser der Nationen herumzieht, in seinen Pavillon hinein- und
durch ihn hindurch einfach weiterpflanzt.
Daniel Birnbaum hat seine 53. Ausgabe der Biennale unter das Motto "Fare
Mondi", oder "Weltenmachen" gestellt. Doch Welten wurden offenbar nur von
den Fünfziger- bis zu den Siebzigerjahren gebaut, von Öyvind Fahlström,
Gordon Matta-Clark, Blinky Palermo oder der japanischen Gutai Group. Auch
Bruce Nauman hat in dieser Zeit seine künstlerische Welt entwickelt. Sein
verhaltener Auftritt im US-amerikanischen Pavillon erklärt sich auch
dadurch, dass er an zwei weiteren Orten in Venedig mit Soundinstallationen
dann doch noch laut werden kann.
Was das aktuelle Weltenbauen betrifft, so erschöpft es sich oft - da haben
Elmgreen & Dragset den Nagel auf den Kopf getroffen - in Fragen des
Stylings. Es geht weder um Aufbruch noch um Gegenentwurf, sondern um
Detailarbeit am und Verfeinerung des Bekannten.
Die von Birnbaum geschätzten Künstler knüpfen an die Vorgänger, die zuletzt
wiederentdeckten Artists Artists wie etwa Blinky Palermo oder André Cadere
an, deren Werk Wege gebahnt hat, die dazu einladen, künstlerisch ihren
Fortgang zu erproben.
Blumen des Bösen
Doch auch hier hält die Praxis nicht, was die Theorie verspricht. Wenn der
Architekt und Städteplaner Yona Friedman eine Stadt in den Himmel baut,
dann sieht man das Netz, das er dafür unter die Decke spannt, plötzlich
überall. Und sei es, dass Pae White damit die Decke abhängt, um die
Kunstkronleuchter aus Vogelfutter ein bisschen tiefer und damit besser
sichtbar zu hängen.
Es spinnen sich Fäden an allen Ecken und Enden, die freilich nur der
argentinische Künstler Tomas Saraceno zu einer raumgreifenden Welt zu
verknüpfen weiß. Wo nur hat die riesige Blase ihren Ausgang genommen, und
wie können die unzähligen kleinen Fadenstücke überhaupt zu einem solchen
Gespinst verknüpft werden? Eine eigene Welt hat auch die für ihre
Knetfigurenfilme bekannte schwedische Künstlerin Nathalie Djurberg gebaut.
Im Internationalen Pavillon zeigt sie drei neue Filme über die alte
Geschichte sadistischer Lust, wobei eine üppige Vegetation von Blumen des
Bösen ihre Leinwände zu überwuchern droht. Ein paradoxer, aus Ton
gebrannter Garten Eden.
Doch damit erschöpfen sich die neueren Weltentwürfe auch schon. Vielleicht
fehlt ja der Wunsch nach der eigenen Weltsicht, weil schon der Wunsch nach
einer ganz allgemeinen Sicht der Welt nicht vorhanden ist?
Gerade geht die von Elmgreen & Dragset noch beschworene Welt des Luxus und
der Moden zu Bruch, und nirgendwo auf der Biennale findet das Interesse.
Wolfgang Tillmans etwa zeigt ein weiteres Mal seine bunten, monochromen
Fotopapiere und beschäftigt sich in der obligaten Vitrine mit Astronomie
und Sternenfotografie. Auf welchem Stern nur lebt er?
Ahmet Ögüt hingegen lebt auf Erden. Er hat im Türkischen Pavillon auf dem
Gelände des Arsenale mit "Exploded City" eine Modellstadt aus all den
Gebäuden, Brücken, Hotels und im Fall von Madrid auch den Zügen erstellt,
die terroristischen Angriffen zum Opfer fielen. Das ist nicht wenig
inmitten all der Kunst, deren Referenz allein die Kunst mit ihren
taktischen Manövern ist, selbst wenn sein Ansatz schlicht ist.
Weitaus raffinierter spiegelt Krzysztof Wodiczko die reale in die selbst
erschaffene Welt der Kunst. Auf die Milchglasfenster des polnischen
Pavillons scheinen sich die außerhalb des Gebäudes flanierenden Besucher
als Umrisse zu projizieren; man erkennt Eltern mit Kinderwagen, aber auch
vereinzelte Personen, die sich gegen die Scheiben drücken, um ins Innere
des Raumes zu blicken.
Und dann beobachtet man in gleicher Weise auf dem Glasdach den Schrubber,
mit dem es gereinigt wird. Tatsächlich geht es Krzysztof Wodiczko um
Migranten, um ihre Geschichte, die er dem Biennale-Publikum in seiner
ästhetisch überaus eleganten Raumprojektion als dessen eigene verkauft. Wer
drückt da sein Gesicht an die Scheibe, der hochwillkommene Biennale-Gast
oder der ungebetene Migrant?
Selbstverständlich dürfte auch er sich, sofern er sich sein
Biennale-Gastrecht erkauft, auf eines der kleinen Podeste in der neuen
Gartenanlage des Arsenale stellen, die Miranda Julys Beitrag zu Daniels
Birnbaums Ausstellungsparcours sind. Das Wunderkind der Kunst, dem
nachgesagt wird, dass es stets brilliert, egal ob es nun um Kino, Literatur
oder bildende Kunst geht, hat sie mit den Worten "the guilty person", "the
guiltier person" und "the gultiest person" versehen.
Brillanz, möchte man meinen, sieht anders aus, nicht nur im Fall July.
5 Jun 2009
## AUTOREN
Brigitte Werneburg
Brigitte Werneburg
## TAGS
Ausstellung
Kunst im öffentlichen Raum
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