# taz.de -- Kommentar Europawahl: Krise macht konservativ | |
> Ausgerechnet die Parteien profitieren, die für neoliberale Ideen stehen - | |
> obwohl die Krise den Neoliberalismus als Ideologie scheinbar erledigt | |
> hat. | |
Mitten in der Krise vertrauen die Menschen ausgerechnet den Parteien, die | |
für neoliberale Ideen stehen - obwohl die Krise den Neoliberalismus als | |
Ideologie scheinbar erledigt hat. Dies ist das auffälligste Ergebnis der | |
Europawahl in Deutschland. Wäre es am Sonntag um die Neubesetzung des | |
Bundestags gegangen, hätte Schwarz-Gelb knapp an einer absoluten Mehrheit | |
gekratzt. Merkel, Westerwelle und Co dürfen sich gestärkt fühlen, während | |
der SPD die Aufholjagd gründlich misslungen ist - sie liegt weit | |
abgeschlagen hinter den Konservativen. | |
Auch die Union musste Verluste hinnehmen, dennoch erscheint sie den | |
Menschen offenbar als die geeignetere Krisenmanagerin. Kein Wunder, unter | |
Merkel ist die CDU mittlerweile in fast alle Richtungen anschlussfähig. | |
Während die Kanzlerin, ohne mit der Wimper zu zucken, eine Staatsbürgschaft | |
für Opel mitträgt, funktioniert Wirtschaftsminister Theodor zu Guttenberg | |
als ordnungspolitisches Feigenblatt, der den marktliberalen Flügel bedient. | |
Und wem dieses weichgespülte Marktprogramm nicht mehr reicht, wählt eben | |
FDP. Die Liberalen haben auch durch solche Überläufer ihr Ergebnis beinahe | |
verdoppelt. | |
Und so banal es ist: Wenn Unternehmen und Banken wanken, wählen viele | |
Menschen wieder diejenigen, bei denen sie Wirtschaftskompetenz vermuten. | |
Die Krise macht konservativ. Auch wenn sie gerade durch Rezepte der | |
Marktapologeten ausgelöst wurde - ebenjene profitieren nach wie vor von | |
jahrzehntelanger Diskurshoheit. Es ist eine absurde Volte, dass sich dies | |
bei der Europawahl so deutlich zeigt. Denn in der EU lassen sich Banken | |
regulieren, soziale Standards wie Mindestlöhne festlegen oder die | |
Wirtschaft ökologisieren. | |
Für die SPD ist das Ergebnis nicht weniger als eine Katastrophe. Sie hat es | |
nicht geschafft, ihre WählerInnen zu mobilisieren, obwohl sie sich als | |
Verfechterin des starken Staates geriert. Wobei sich ja allem auch | |
Positives abgewinnen lässt: Nach dieser Klatsche ist jedem Genossen klar, | |
dass es jetzt ums Ganze geht. Und mancher politikverdrossene, aber SPD-nahe | |
Bürger wird vielleicht doch zur Bundestagswahl gehen - obwohl er es | |
eigentlich nicht vorhatte. | |
8 Jun 2009 | |
## AUTOREN | |
Ulrich Schulte | |
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