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# taz.de -- Insolvenz: Arcandor wird zerschlagen
> Nach den Absagen für Staatshilfe und Notkredit meldet die Karstadt-Mutter
> Insolvenz an. 43.000 Arbeitsplätze sind in Gefahr.
Bild: Die Karstadt-Mitarbeiter müssen weiter um ihre Jobs zittern.
BOCHUM taz | Der Versand- und Warenhauskonzern Arcandor mit seinen Marken
Quelle und Karstadt ist pleite. Das Unternehmen stellte am Dienstag beim
Amtsgericht Essen Antrag auf Insolvenz. Grund sind fällige Kredite von 710
Millionen Euro, die bis Freitag zurückgezahlt werden müssen und für die
Arcandor trotz monatelanger Bemühungen keine Anschlussfinanzierung finden
konnte. Mit der Pleite sind die Jobs von 43.000 Mitarbeitern bedroht,
teilte Konzernsprecher Gerd Koslowski mit. Die Touristiksparte Thomas Cook,
einige Spezialversender sowie der Homeshopping-Kanal HSE24 seien weiter
zahlungsfähig.
Die Bundesregierung hatte erst am Montag Bitten von Arcandor um Kredite und
Bürgschaften aus dem wegen der Wirtschaftskrise aufgelegten
"Deutschlandfonds" abgelehnt. Auch einen als "Rettungsbeihilfe"
eingeforderten staatlichen Notkredit in Höhe von 437 Millionen Euro wies
die Regierung zurück. Arcandors von der Finanzkrise besonders angeschlagene
Banken Bayern LB, Commerzbank und Royal Bank of Scotland seien nicht bereit
gewesen, "selbst bei einer hundertprozentigen Bürgschaft die Kredite für
die Rettungsphase zur Verfügung zu stellen", hieß es dazu aus dem von
CSU-Bundeswirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg geleiteten
Ministerium. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nannte die
Arcandor-Insolvenz "unvermeidlich". Eigentümer und Gläubiger hätten sich
"absolut nicht genug" engagieren wollen, kritisierte die Kanzlerin.
Zuvor hatte Arcandor selbst eine letzte Galgenfrist nicht genutzt: Ein vom
Bundeswirtschaftsministerium geforderter "neuer, substanziell verbesserter
Antrag" auf Staatskredit wurde nicht eingereicht. Offenbar waren weder die
Hausbanken noch die Hauptaktionäre, die Privatbank Sal. Oppenheim und die
Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz (siehe Portrait) bereit, Arcandor über
bereits angekündigte Hilfen in Höhe von 150 Millionen Euro hinaus zu
unterstützen. Mehr sei "nicht verantwortbar", verteidigte sich
Arcandor-Aufsichtsratschef Friedrich Carl Janssen, bei Sal. Oppenheim
persönlich haftender Gesellschafter. "Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz
und Sal. Oppenheim waren nicht bereit, einen ehrlichen Beitrag zur Rettung
von Arcandor zu leisten", kritisierte dagegen die nordrhein-westfälische
SPD-Vorsitzende Hannelore Kraft.
Die Arcandor-Mitarbeiter reagierten auf die Pleite entsetzt. "Das ist
durchgegangen wie eine Explosion", sagte Gabriele Schuster, Betriebsrätin
in der Essener Konzernzentrale. "Die Stimmung ist grausam, die Mitarbeiter
weinen." Quelle-Gesamtbetriebsrat Ernst Sindel sprach von einem
"Super-GAU". Wie SPD-Bundesfinanzminister Peer Steinbrück betonte Kanzlerin
Merkel dagegen, die Insolvenz biete die Chance, "das Unternehmen auf neue
Füße zu stellen und ihm neue Perspektiven zu eröffnen". In den vergangenen
Tagen hatte Konkurrent Metro Interesse an einem Großteil der
Karstadt-Warenhäuser gezeigt - Metro-Chef Eckhard Cordes warnte vor dem
Abbau von mindestens 5.000 Arbeitsplätzen allein bei Karstadt. Der
Geschäftsbetrieb dort werde "in vollem Umfang" weitergehen, so
Arcandor-Sprecher Koslowski. Die Gehälter bis August seien als
Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit gesichert. Auch Forderungen von
Lieferanten würden bedient, Anzahlungen von Kunden blieben bestehen. Unklar
ist dagegen die Zukunft der Versandhandelssparte Quelle.
9 Jun 2009
## AUTOREN
Andreas Wyputta
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