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# taz.de -- Geschlecht und Staatshilfe: "Frauen-Branchen lässt man sterben"
> Die Bundesregierung rettet Opel, Arcandor nicht. Damit gehen vornehmlich
> Frauenarbeitsplätze verloren. Die Ökonomin Friederike Maier über
> industriepolitische Prioritäten.
Bild: Weniger wert als die Opel-Schrauber? Karstadt-Mitarbeiterinnen demonstrie…
taz: Frau Maier, Opel beschäftigt zu 92 Prozent Männer, Arcandor zu drei
Viertel Frauen. Opel wird gerettet, Arcandor nicht. Ist das gerecht?
Friederike Maier: Es wird auf jeden Fall mit zweierlei Maß gemessen. Die
beiden Branchen werden in Deutschland sehr unterschiedlich bewertet, was
nicht ganz zufällig mit dem Geschlecht der dort Arbeitenden korreliert.
Die Autoindustrie ist der Politik wichtiger als der Handel?
Ja. Dabei kommen mehrere Selbstdefinitionen zusammen: Deutschland begreift
sich als Industriestandort, als Autoproduzent und als Exportnation. Der
Handel ist in dieser Wahrnehmung etwas ganz anderes. Er ist lokal, er
produziert nicht.
Die Industrie schafft die Werte, die der Handel nur verteilt, lautet das
Argument.
Das ist ein ganz alter volkswirtschaftlicher Irrglaube. Wir haben eine
internationale Arbeitsteilung. Da ist die Frage: Wer muss was produzieren?
Müssen die Deutschen Autos bauen? Vielleicht können die Koreaner das
wirklich besser. Und wir können dafür vielleicht etwas anderes:
Intelligente Dienstleistungen, Software, Solaranlagen. Eine kapitalistische
Gesellschaft muss nicht selbst alles produzieren. Sie kann auch Handel
treiben, sie kann mit Dienstleistungen reich werden, wie die Schweiz.
Nun ist Karstadt kein so gutes Beispiel für Wachstum.
Opel hat Autos produziert, die keine Käufer gefunden haben. Wo ist der
Unterschied?
Für Opel gibt es eine Exportzukunft, für Karstadt nicht.
Auf dem internationalen Automarkt gibt es ebenfalls eine Überproduktion,
insbesondere im Mittelklasse-Segment. Aber weil die deutsche Politik so an
die Autoindustrie glaubt, wird sie gestützt. Genauso gut hätte man
Konsumgutscheine ausgeben können, für Kinderkleider oder Flachbildschirme,
das hätte Arcandor Zeit für eine Neuausrichtung gegeben. Nicht einzelne
Rettungsaktionen sondern ein klarer konturiertes Konjunkturprogramm wäre
hier gefragt. Der Staat muss entweder die Geschäftspolitik mitbestimmen
können oder die Finger von solchen Unternehmen lassen.
Und ist es nun Zufall, dass vorwiegend Frauenarbeitsplätze über die Wupper
gehen?
Nein. In der sogenannten Kernindustrie sind die guten Jobs für die
"Familienernährer". Frauenarbeit wird als Zuverdienst wahrgenommen. Das
kann durchaus auch die Industrie sein. Aber auch die frauendominierten
Industrien hat man in den siebziger Jahren sang- und klanglos sterben
lassen: Textilindustrie, Bekleidung, Nahrungsmittel.
Die SPD hat als erstes darauf hingewiesen, dass man bei Arcandor vor allem
Frauenarbeitsplätze retten sollte.
Dass die SPD hier einen Gender-Aspekt aufgreift, ist bemerkenswert. Früher
hätte man gesagt: Die Industrie ist unser Hauptaugenmerk, alles andere ist
abgeleitet. "Das sind ja nur Arbeitsplätze von Frauen", das sagt heute
keiner mehr. Aber die Frage ist: Folgt daraus irgend etwas?
Trotz des Arguments "Frauen" wollen zwei Drittel der Deutschen keine
Arcandor-Rettung.
Aber nicht, weil sie gegen Frauenarbeitsplätze sind, sondern weil sie nicht
einsehen, dass sie mit ihren Steuergeldern für Managementfehler bezahlen
sollen. Die Eigentümer haben die Gewinne privatisiert, nun wollen sie die
Verluste sozialisieren. Das mag die Bevölkerung nicht.
9 Jun 2009
## AUTOREN
Heide Oestreich
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