Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Brutales Vorgehen von Irans Polizei: "Es war wie eine Mausefalle"
> Am Mittwoch zerschlug Irans Polizei den Protest mit großer Härte. Die
> Opposition spricht von mindestens drei Toten. Derweil wurden 70
> Professoren nach einem Treffen mit Mussawi verhaftet.
Bild: Polizei setzt Demonstranten nach am Baharestan Platz am Mittwoch, das ber…
BERLIN/TEHERAN taz/dpa/rtr/afp | Die iranische Regierung hat am
Mittwochnachmittag eine Demonstration der Oppositionsbewegung unter dem
Motto "Sea of Green" nach Berichten von Teilnehmern über Twitter mit großer
Gewalt zerschlagen. Die Protestler hatten sich am Baharestan Platz
versammeln sollen. Dort wartete bereits Stunden vorher ein großes
Polizeiaufgebot. "Sie warteten auf uns", berichtet ein Twitterer. "Es war
wie eine Mausefalle."
Die Polizei schlug bereits zu, als sich erst ein paar Hundert Menschen dort
versammelt hatten. Nach Angaben von Bloggern der Website "Anonymus Iran",
die für gewöhnlich bemüht ist, alle Twitter-Berichte mehrfach zu
bestätigen, sind mindestens drei Menschen getötet worden – zwei davon durch
Schusswaffen. Nach unbestätigten Berichten ist die Zahl der Toten womöglich
höher. Dutzende wurden verletzt. Offenbar verhaftete die Polizei alle
Protestler, deren sie habhaft werden konnte.
Die Staatsmacht hat sich offenbar auf die Demonstranten eingestellt. Den
Berichten zufolge kontrollierte die Polizei großräumig um den Platz herum
Mobiltelefone, löschte Bilder und Videos oder beschlagnahmte die Geräte.
Auch wurde mehrfach das Telefonnetz gestört. Um den Platz waren weiträumig
Patrouillen postiert, die meisten der angeblich mehrere Tausend
Oppositionellen, die demonstrieren wollten, kam gar nicht zum Baharestan
Platz durch.
"Alle Geschäfte waren geschlossen – man kann nirgendwo hingehen – sie
folgen den Leuten mit Hubschraubern", berichtete einer über Twitter.
"Überall Rauch und Feuer." Nach Angaben von "Anonymus Iran" versuchten sich
die Demonstranten immer wieder, zu Gruppen zusammenzuschließen. Offenbar
zogen sich die Auseinandersetzungen bis in die Nacht hin. Wieder waren auch
Milizionäre auf Motorrädern unterwegs.
70 Professoren nach Treffen mit Mussawi festgenommen
Nicht nur Demonstranten wurden verhaftet. Auf der Internetseite von Irans
Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi wurde am Mittwoch eine Liste mit 70
Namen von Universitätsvertretern sowie Mitgliedern islamischer
Vereinigungen veröffentlicht, die offenbar nach einem Treffen mit dem
Politiker am Mittwoch festgenommen wurden. In Oppositionskreisen wächst die
Sorge, auch Mussawi könnte faktisch unter Hausarrest stehen.
Nach einer Meldung der iranischen Nachrichtenagentur Fars setzt Mussawi
jetzt auf Verhandlungen. Mehrere hochrangige Parlamentsabgeordnete hätten
am Mittwoch Mussawi sowie den früheren Präsidenten Akbar Haschemi
Rafsandschani getroffen.
Dabei hätten Mussawi und Rafsandschani den Wunsch geäußert, den Konflikt um
die umstrittene Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad beizulegen,
sagte der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses des Parlaments, Aladdin
Burudscherdi. Es war das erste Treffen Mussawis mit Offiziellen seit Beginn
der Massenproteste gegen das Wahlergebnis vor fast zwei Wochen, in deren
Rahmen bisher mindestens 17 Menschen ums Leben gekommen sind.
Karubi sagt Trauermarsch ab
Einer der unterlegenen Kandidaten bei der iranischen Präsidentschaftswahl,
Mehdi Karubi, hat den für Donnerstag geplanten Trauermarsch in Teheran
abgesagt. Trotz aller Bemühungen sei es Karubi nicht gelungen, einen Ort
für die Veranstaltung zu finden. Laut der Internetseite von Karubis Partei
soll der Trauermarsch zum Gedenken an die Toten bei den Demonstrationen nun
in der kommenden Woche stattfinden.
Auch in der vergangenen Woche war der Trauermarsch zwischenzeitlich
abgesagt worden – und fand trotzdem statt.
Die Reformer verbreiten derweil per Twitter einen Aufruf für einen neuen
Protest am Freitag. Dabei sollen Reformer am Mittag grüne und schwarze
Ballons von ihren Wohnungen aus steigen lassen: Grün für die Bewegung,
Schwarz für die Toten. Dabei wird immer wieder das Schicksal von Neda
Agha-Soltan hervorgehoben.
Kranke bleiben Zuhause
Offenbar zeigt der Druck der Staatsmacht Wirkung. In einem Interview
bestätigt eine Frau, die den Iran gerade Richtung USA verlassen hat, dem
Fernsehsender CNN, die Lage in Teheran befinde sich "jenseits der Angst –
die Lage ist mehr wie Terror".
Dazu passt eine Meldung über Twitter, dass in einem Fall auch mit einer Axt
auf Demonstranten eingeschlagen worden sein soll. Diese Meldung ist aber
unbestätigt – und auch nicht sehr glaubwürdig. Einige Beobachter mutmaßen,
dass die Staatsmacht solche Meldungen streut, um die Protestler in Angst zu
versetzen. Andere mutmaßen, dass solche Gerüchte entstehen, wenn
Demonstranten angesichts des brutalen Vorgehens der Polizei in Panik
geraten.
Mehrfach kamen hingegen Hinweise, dass die Krankenhäuser von Milizen
umstellt sind, die nach Patienten Ausschau halten, die typische
Verletzungen von Straßenschlachten aufweisen. Inzwischen bleiben deshalb
offenbar viele verletzte Demonstranten zu Hause.
25 Jun 2009
## ARTIKEL ZUM THEMA
Kommentar Iran: Spiritualität tötet
Aufstände als solche zählen nichts, sie müssen ihre Ziele schon ausweisen,
ehe wir ihnen Solidarität über den Moment hinaus schenken.
Iranischer Twitterer bleibt stumm: Wo ist persiankiwi?
Er gilt als einer der wichtigsten seriösen Twitterer aus dem Iran. Seine
Berichte waren nüchtern und meist korrekt. Am Mittwoch änderte sich der
Ton, wurde fast panisch. Nun ist er stumm.
Solidarität mit Irans Oppositionellen: Die Liste der verhafteten Reformer
Nach iranischen Regierungsangaben wurden allein in Teheran über 600
Menschen verhaftet. Oppositionelle gehen von mehreren Tausend aus. Hier die
Namen, die bekannt sind.
Welche Blogs, Videos und Tweets taugen: Netzsignale aus Teheran
Weil ausländische Journalisten den Iran verlassen müssen, dringen
Informationen fast nur noch via Internet zu uns. Aber welche Quellen sind
verlässlich? Ein Wegweiser.
Informationen via Internet: Das Iran-Getwitter
Die Unübersichtlichkeit und Unklarheit über die Wahrheit der
Twitternachrichten spiegeln die reale Chaossituation im Iran wider.
Aufruf der Anti-Schah-Demonstranten: 68er unterstützen iranischen Protest
Mit einem Solidaritätsaufruf stellen sich die Anti-Schah-Demonstranten von
1967 auf die Seite der iranischen Demokraten von heute.
Blogeintrag aus Teheran: "Die schicken ja Kinder!"
Eine Frau berichtet von ihren Erlebnissen auf den Straßen von Teheran.
Erinnerungen an den 2. Juni 1967: Der Iran und wir
Was waren die Motive der Anti-Schah-Demonstrationen vom 2.Juni 1967? Und
was geschah an diesem Tag? Erinnerungen eines Teilnehmers.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.