# taz.de -- Wahlkampfthema Atomkraft: CDU probt den leisen Ausstieg | |
> Die Christdemokraten halten an der "Öko-Energie" Atomkraft fest und | |
> könnte damit ein Problem bekommen - nach diversen Störfällen in Krümmel | |
> mitten im Wahlkampf. | |
Bild: Der richtige Abzweig für die Union? | |
Wenn der CDU-Generalsekretär einen seiner Einfälle für besonders gelungen | |
hält, kann er das schlecht verbergen. Ronald Pofalla setzt dann stets ein | |
spitzbübisches Grinsen auf, lässt seine Mundwinkel ein wenig zucken und | |
lauscht dem Eindruck seiner Worte für eine Weile genussvoll nach. | |
Besonders heftig grinste und zuckte es vor ziemlich genau einem Jahr, als | |
Pofalla das neue Umweltpapier seiner Partei vorstellte. Es enthielt so | |
viele Bekenntnisse zu Klimaschutz und grünen Werten, dass es allgemein als | |
Türöffner für neue Koalitionen gelesen wurde. Nur in einer Frage nicht, dem | |
Bekenntnis zur Atomenergie. Der Satz, auf den Pofalla so stolz war, | |
lautete: "Kernkraft ist für die CDU Öko-Energie." | |
Das schien ein gelungener Schachzug zu sein. Die neue schwarz-grüne | |
Koalition in Hamburg stritt gerade über ein neues Kohlekraftwerk. Bei den | |
Grünen tobte eine Debatte, ob der Totalausstieg aus allen herkömmlichen | |
Energieträgern denn realistisch sei. Und vor dem Hintergrund stark | |
steigender Energiepreise ermittelten Meinungsforscher erstmals eine | |
Mehrheit für längere Laufzeiten der Atomkraftwerke. | |
Inzwischen sind die Energiepreise zumindest vorübergehend wieder gesunken, | |
die grünen Abweichler sind im Wahlkampf verstummt. Es gibt | |
Umfragemehrheiten für eine schwarz-gelbe Koalition, die aus einer bloßen | |
Absichtserklärung der CDU eine realpolitische Perspektive machen. Und es | |
gab einen Störfall im schleswig-holsteinischen Atomkraftwerk Krümmel. | |
Der sozialdemokratische Umweltminister kann sein Glück kaum fassen, und im | |
Verbergen solcher Gemütszustände ist Sigmar Gabriel kaum geübter als der | |
CDU-Politiker Pofalla. Die SPD wolle das Atomthema zum Wahlkampfthema | |
machen, kündigte Gabriel am Montag im Frühstücksfernsehen an. "Am 27. | |
September entscheiden die Deutschen darüber, ob dieser Reaktor und sieben | |
weitere länger betrieben werden", sagte er. | |
Damit signalisierte Gabriel zugleich jenen Kampfgeist, den viele | |
Sozialdemokraten derzeit bei ihrem Spitzenkandidaten Frank-Walter | |
Steinmeier vermissen. Seit es unter den führenden SPD-Wahlkämpfern als | |
ausgemacht gilt, dass sie sich mit ihrem Einsatz für die Rettung von | |
Unternehmen um jeden Preis verrannt haben, hat sich Steinmeier mit eigenen | |
Initiativen nicht mehr hervorgewagt. | |
Am Montag war es ausgerechnet Steinmeiers künftiger Wahlkampfhelfer Thomas | |
Steg, der in seiner bisherigen Funktion als Regierungssprecher die Coolness | |
der Kanzlerin angesichts der Gabriel-Attacke transportieren musste. Merkel | |
halte die deutschen Atomkraftwerke für sicher und sei weiterhin für längere | |
Laufzeiten, sagte Steg - und verwies auf eine Rede, die Merkel vorigen | |
Mittwoch vor dem Deutschen Atomforum hielt, dem Lobbyverband der | |
Kraftwerksbetreiber. | |
Darin hatte Merkel den Wunsch nach längeren Laufzeiten bekräftigt. Dennoch | |
ist bei der Union der Wunsch unübersehbar, das Thema bloß nicht ins Zentrum | |
des Wahlkampfs rücken zu lassen. Energiepolitik werde "nicht das Thema der | |
Wahlauseinandersetzung im September sein, aber ein Thema", sagte die | |
Kanzlerin vor dem Atomforum. | |
Anders als vor einem Jahr verzichten die Christdemokraten jetzt auf allzu | |
offensives Werben für die "Öko-Energie". Es handele sich um ein | |
"durchsichtiges Wahlkampfmanöver" der SPD, erklärte die | |
CDU/CSU-Fraktionsvize Katherina Reiche nur. Die Schweden, sagte Merkel in | |
ihrer Rede, hätten die Sache sehr interessant gelöst: "Man ist öffentlich | |
ausgestiegen, hat anschließend die Kernkraftwerke nachgerüstet und | |
modernisiert und hat dann einfach weitergemacht." | |
7 Jul 2009 | |
## AUTOREN | |
Ralph Bollmann | |
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Lobbyismus | |
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