# taz.de -- Kolumne Sziget-Festival Budapest (1): Das letzte Mal | |
> Das Sziget-Festival in Budapest wird immer europäischer. Saufliedgrölende | |
> Abiklassen, Lärmschutzärger und immer weniger Ecken und Kanten - Zeit, | |
> langsam Abschied zu nehmen. | |
Bild: Endlich wieder Sziget in Budapest! | |
Als ich gestern über die Brücke zur Obudai-Insel lief und die grüne Donau | |
unter mir dahinfliessen sah, wusste ich: Dies wird das letzte Mal sein. | |
Seit fünf Jahren fahre ich zum [1][Sziget-Festival in Budapest] und ich | |
will Schluss machen, solange wir beide noch gut miteinander auskommen - das | |
Sziget und ich. | |
Schon gestern fiel auf, was sich in den vergangenen Jahen bereits zunehmend | |
angedeutet hatte - das Sziget ist ein westeuropäisches Festival geworden. | |
Niederländer beschwerten sich darüber, dass etwa 80 Prozent der angereisten | |
Gaeste Niederländer seien. Bei einem Rundgang ueber die Insel waren an | |
Nationalitäten zu entdecken: Holländer, Italiener, Franzosen, Engländer, | |
Deutsche. Dazwischen zwei Ungarinnen. Angesichts der jährlich steigenden | |
Preise ist das kein Wunder, viele Osteuropaär können sich den Eintritt | |
nicht leisten. Wenn man Ungarn trifft, erzahlen sie, dass sie sich zumeist | |
Tageskarten kaufen, um eine Band zu sehen, die sie interessiert. | |
Heute morgen wurden wir von einer durchziehenden deutschen Abiturklasse | |
geweckt, "Wir trinken das schäumende Bier und scheissen em Wirt auf die | |
Theke" und anderes Saufliedgut abspielte. Vielleicht haben die Ungarn oder | |
Slowaken früher Gröhllieder gleichen Inhalts über die Zelte dröhnen lassen, | |
aber das habe ich wenigstens nicht verstanden. | |
Die Metal-Buehne ist weggefallen, nachdem die Veranstalter schon in den | |
vergangenen beiden Jahren nicht mehr mit vielen grossen Namen zu begeistern | |
wussten und die Bands vor wenig Publikum spielten. Nicht dass | |
Matteschwingen noch meine Lieblingsbeschäftigung wäre, aber ohne die | |
Metaller hat das Festival an Farbe verloren. Vor allem an Schwarz. | |
In der Nähe der Obudai-Insel wollen sich reichere Ungarn Appartmenthäuser | |
auf das Gelände einer ehemaligen Werft bauen. Nachdem schon der | |
Bürgermeister des angrenzenden Stadtteils nicht müde wird, gegen die | |
Laermbelaestigung durch das Sziget-Festival zu klagen, liegt der Verdacht | |
nahe, dass er bald finanzkräftige Unterstützer bekommt. Schon jetzt müssen | |
die Open-Air-Konzerte deswegen gegen 23.00 Uhr aufhören. Wie sich das | |
Festival unter noch mehr Klagedruck verändert, lässt sich derzeit kaum | |
sagen. Vermutlich muss es zumindest leiser werden. | |
Keine Angst, ich will in den nächsten sieben Tagen nicht darüber klagen, | |
dass früher alles besser war. Ich bin gerade 30 Jahre alt geworden und wenn | |
ich das Glänzen in den Augen der jüngeren Besucher sehe und mit ihnen | |
spreche, dann weiss, dass sie es grossartig finden. Sie spüren beim Laufen | |
über die Bruecke noch, dass sie für eine Woche ein Zauberland mit einer | |
eigenen Sprache und eigenen Regeln betreten, bei dem jeder mit bunten | |
Lampions geschmückte Weg zu einer neuen Überraschung führt. Für mich | |
verliert das Festival an lieb gewonnenen Ecken und Kanten, dabei verändert | |
es sich einfach und ich mich wohl auch. | |
Noch ein letztes Mal will ich das Sziegt daher noch einmal so erleben als | |
wäre es das erste Mal und all jenen, die noch nicht hier waren beschreiben, | |
wie sich der Besuch anfühlt, aussieht, riecht und schmeckt. Und wer sich | |
verzaubern lassen mag, der kommt mit und liegt im nchsten Jahr statt meiner | |
am Donauufer und schaut den Schiffen nach. | |
10 Aug 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://de.wikipedia.org/wiki/Sziget | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
## TAGS | |
Ungarn | |
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