# taz.de -- Kolumne Sziget-Festival Budapest (3): Wie es riecht | |
> Über die Gezeiten auf der Obudai-Insel und die Zombies, die sich auf der | |
> ständigen Suche nach frischen Red Bull-Fahnen herumtreiben. | |
Bild: Auf dem Sziget-Festival liegt nicht nur ein warmer Schweißgeruch in der … | |
Eines der ersten Dinge, die der Hedonist auf der Obudai-Insel lernt, ist | |
das Leben im Einklang mit den Gezeiten der Gerüche. Das Sziget ist so gut | |
mit sanitären Anlagen versorgt, wie kaum ein anderes Festival. Die blauen | |
Dixieboxen sind omnipräsent - so auch ihr Aroma. Und wer nicht morgens um | |
fünf die braungefüllten Abgründe der Fäkalhölle schauen möchte, der muss | |
das Wesen der olfaktorischen Oszilation verstehen. Und zwar schnell. | |
Ständig patroullieren weiße Kübelwagen über die Insel, um der üblen Gerüc… | |
Herr zu werden. Sie ersetzen pesthauchenden Abortinhalt durch eine blaue | |
Substanz, die nach einer Mischung aus Mandeln und Himbeerkaugummi riecht. | |
Etwa so, als würde die Donau um die Insel gestaut und die weltweite | |
Jahresproduktion an Red Bull eingeleitet. Und nun stelle man sich noch vor, | |
Budapest würde stoßweise sein täglich Abwässer in diesen See spülen. Der | |
solcherart zusammengerührte Brodem ist einzigartig. | |
Der erfahrene Festivalbesucher versucht alles, um ihn zu meiden und richtet | |
sein Kloverhalten binär aus: Red Bull? Ja. Brodem? Auf gar keinen Fall! | |
Weil die Kübelwagen nicht alle Erleichterungseinheiten auf einmal befüllen | |
können, muss man die über die Insel wabernden Schwaden nasal zu deuten | |
lernen, um die blauen Geruchsfäden von den braunen zu scheiden. Und | |
natürlich ersteren zu folgen. | |
Manche immer wiederkehrenden Besucherstämme haben bereits mit dem Ausbilden | |
eigener Auguren begonnen, Persönchen mit leichtem Knochenbau und | |
depardiuesken Riechorganen, die da witternd im Geäst der Pappeln hocken. | |
Haben sie ein aromatisch vielversprechendes Areal entdeckt, treiben sie | |
ihre Kameraden mit lauten "Dixie, Dixie"-Rufen zur Besetzung derselben an. | |
Kein Wunder, dass bei vielen Szigetianern spätestens nach zwei Tagen eine | |
mittelschwere Pawlowsche Konditionierung einsetzt. Der Geruch nach | |
Mandelhimbeerchemie lädt nicht mehr zum Besuch der Örtlichkeit, er erzwingt | |
sie geradezu. Vom Hubschrauber aus ließen sich gigantische Menschenströme | |
beobachten, die nahezu willenlos den Ausdünstungen der blauen Soße folgen | |
und dabei in hundert Sprachen ein monotones "Muss mal" murmeln. Diese | |
sogenannten Dixie-Zombies erwachen erst am letzten Tag des Festivals | |
wieder, wenn mit einem lauten Schlussakkord der letzte Song des letzten | |
Headliners verklingt. | |
Glauben Sie nicht? | |
Dann schnappen Sie sich doch mal einen Sziget-Heimkehrer und schleichen | |
sich leise so nahe wie möglich heran. Und dann öffnen Sie eine Dose Red | |
Bull. | |
Diese Bands wird unser Autor heute (12.8.09) sehen: Ska-P, Novelle Vague, | |
Snow Patrol, Lily Allen oder Calexico, Zagar. | |
12 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
## TAGS | |
Ungarn | |
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