# taz.de -- Kolumne Sziget-Festival Budapest (2): Wie es schmeckt | |
> Auf dem Sziget-Gelände gibt es so ziemlich alles zu essen. Der | |
> kulinarische Tempel ist allerdings der Auchan-Markt. | |
Bild: Wichtig bei der Essensuche: der ultimative Durchblick. | |
Das Sziegt schmeckt nach Hähnchenbeinen. Mit Parika. Natürlich existiert | |
auf der Insel alles Essbare aus allen Ländern und Zeiten: zum Beispiel | |
Drehkuchen mit in allen Geschmacksrichtungen (macht süchtig, weil der Teig | |
so unglaublich als Geschacksverstärker wirkt), Langos (gut, wenn man | |
betrunken ist), Sültkobasz (gut wenn man nicht viel Zeit hat und den | |
Nährwert dreier Mahlzeiten zugleich verzehren möchte), asiatischer | |
Nudelquerschnitt, Hot Dog-Hamburger-Döner-Mischwaren, etwa 50 Sorten | |
Fleisch- und Gemüsepfannen - eine Aufzählung macht ob des Überangebotes | |
wenig Sinn. Doch leider ist das Essen auf dem Gelände recht teuer. | |
Es gibt jedoch eine Einrichtung, die Abhilfe schafft: den Auchan-Markt. So | |
zumindest würden ihn diejenigen Verdammten so profan nennen, die keine | |
Ahnung haben, was er für die Bürger der Obudai-Insel tut. | |
Wer nur daran denkt, diese Insel eines Tages einmal während des | |
Sziget-Festivals zu betreten, sollte in das Mirakel der Ernährung | |
eingeweiht sein. Zu diesem Zwecke sei an dieser Stelle das erste Großmantra | |
aus dem Vierten Buch Auchan zitiert. | |
Nachts singen es die Erleuchteten an den Ufern der Donau und geben es so | |
Generation für Generation weiter: | |
"Auchan, du Tempel auf der Wiese, gegrölt werden Deine Sonderangebote von | |
Deinen Priestern ohne Obertrikotagen. | |
Sechs paprikagewürzte Hähnchenbeine kosten nur 1400 Forint. Wir nehmen es | |
mit Orangensaft und Fruchtfleisch dazu. Denn die Pepsi-Cola ist die Brause | |
des Satans und nicht für uns bestimmt. Und ebenso auch nicht die Pizza für | |
249 Forint, welche Du dem Heiden zum Fraße gibst. Und deren Teig nicht | |
durch ist in unserem Munde. | |
Und vergib uns, dass wir versuchen Deine Gaben zu schmuggeln über die | |
Brücke, welche da ist über dem Flusse und ja wir hatten die Wodkaflasche in | |
Deinem täglich Brot versteckt doch Du leitetest die Augen von Inkal | |
Security und ließest sie den Frevel entdecken | |
Doch warum führst Du uns auch in Versuchung? Und glänzt mit breitem | |
Angebote? Erlöse uns doch von dem Bösen. | |
Und vertreibe die falschen Priester des namenlosen Supermarktes vom | |
Gelände, die gar bösen Zauber treiben und garstige Teuerung mit den Waren, | |
welche nur Dir gebenedeit entspringen. | |
Denn Dein ist die Paprikacreme, der kleine feine Eiskaffee für nur ein paar | |
Cent und zum zweiten Jahr in Folge auch dunkles Brot. | |
Wir sind Deiner nicht würdig und doch nimmst Du uns in Deinen | |
klimatisierten Räumen auf. Aber nur, wenn wir nicht mit nacktem Oberkörper | |
einkehren. | |
Wir danken dir, oh Allgebender. | |
Auchan! Auchan! Auchan!" | |
11 Aug 2009 | |
## AUTOREN | |
Daniel Schulz | |
## TAGS | |
Ungarn | |
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