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# taz.de -- Lehrerstreik: "Unsere Geduld ist am Ende"
> Rund 2.000 Lehrer legten gestern die Arbeit nieder und gingen für
> Altersentlastung auf die Straße. Schulbehörde will mit GEW reden, hat
> aber kaum finanziellen Spielraum.
Bild: Will im Alter weniger arbeiten: Streikender Lehrer.
Tosender Applaus tönte gestern früh im großen Saal des Uni-Hauptgebäudes,
nachdem GEW-Chef Klaus Bullan seine Rede gehalten hatte. An die 1.000
Lehrer und Lehrerinnen über 50 waren dem Streikaufruf für Altersentlastung
und Altersteilzeit gefolgt und blieben gestern früh dem Unterricht fern.
Bis 12 Uhr kamen noch einmal weit über tausend dazu und liefen
demonstrierend zur Finanzbehörde.
Die meisten Lehrer sind Beamte und dürfen nicht streiken. Ihnen droht
Gehaltsabzug und eventuell ein Disziplinarverfahren. Doch viele schreckt
das nicht ab. "Für Karriere bin ich zu alt", sagt Brigitte Mikautsch bei
der Aussicht auf einen Fleck in der Personalakte. Sie ist 59 Jahre alt und
unterrichtet 24 Stunden in der Woche an der Staatlichen Schule für
Gesundheitsförderung. Und würde sie nicht andere Funktionen ausfüllen,
wären es mehr Stunden. Es ärgert Mikautsch, dass sie nicht, wie früher
möglich, Altersteilzeit nehmen kann. "Es wird immer mehr von uns verlangt",
sagt sie, "große Klassen mit 30 Schülern, in Räumen, die nicht geeignet
sind".
Noch härter trifft es Christa Rosebrock, eine Lehrerin für Englisch und
Französisch, die 27 Stunden unterrichtet und eine Klasse leitet. "Ich
streike, weil ich heute fünf Stunden mehr unterrichten muss als vor fünf
Jahren", sagt die 62-Jährige. Damals gab es noch die zwei Stunden
Altersentlastung. Und durch Einführung des Arbeitszeitmodells (AZM) muss
sie drei Stunden länger an der Tafel stehen. "Ich habe grünen Star und
nehme Tropfen", sagt sie. "Beim Korrekturlesen tun mir oft die Augen weh."
"Das Arbeitszeitmodell gehört auf den Prüfstand", sagt Katrin Blümel von
der Lehrerkammer. Jetzt mit der Schulreform sei wieder konzeptionelle
Arbeit nötig, müsse Schule "neu gedacht" werden. Blümel: "Die Lehrer
brauchen ein Signal."
Doch das bleibt aus. Der Streit um das AZM wird zur Endlosgeschichte.
Eingeführt wurde es unter FDP-Bildungssenator Rudolf Lange, der auf
Pilotversuche verzichtete und statt dessen baldige Evaluation versprach.
Seither zählen Hamburgs Lehrer zu den am meisten arbeitenden in der
Republik. Es gab zwei Kommissionen, die das AZM untersuchten, fast ohne
Folgen. Im Oktober kündigte GAL-Schulsenatorin Christa Goetsch eine neue
Arbeitsgruppe an, die bis September 2009 eine "große Novellierung"
erarbeiten sollte. Der Termin wird verstreichen. Es gebe "Gespräche mit der
GEW über das Arbeitszeitmodell" in denen es auch um Entlastung für ältere
Lehrer gehe, sagt Goetschs Sprecherin Brigitte Köhnlein. Es sei ein
"ernsthaftes Anliegen und ein schwieriges", weil man sich im Rahmen des
Haushalts bewegen müsse. Konkret gab es ein Gespräch im Sommer, in dem die
Behördenspitze Vorschläge machte, wie durch Effizienz Entlastung geschaffen
werden könne. Längere Stundentakte und die Idee, Ältere weniger und Jüngere
mehr unterrichten zu lassen. Für die GEW keine Lösung.
"Unsere Geduld ist am Ende", sagt Bullan im Uni-Saal und erinnert daran,
dass Hamburgs Regierung ja auch nicht vor Schulden zurückschreckt, wenn die
HSH-Nordbank Milliarden braucht. Schon im November und im April, gingen
Lehrer für Altersentlastung auf die Straße. Doch das Anliegen werde vom
Senat nicht ernst genommen, sagt Bullan, und liest die Antwort auf eine
Anfrage der Linken-Politikerin Dora Heyenn vor: Ob denn der Lehrerjob
weniger anstrengend geworden sei und der Senat deshalb glaube, auf
Altersentlastung verzichten zu können, wollte sie wissen. Worauf der Senat
auf Studien verwies, wonach das Empfinden von Belastung "eng mit
persönlichen Mustern" zusammenhänge. Der Saal tobt. Bullan spricht von
"arrgoganter Ignoranz". Der Streik sei ein Warnruf: "Wenn der wieder
verhallt, streiken beim nächsten mal alle."
24 Sep 2009
## AUTOREN
Kaija Kutter
## TAGS
Bildung
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