# taz.de -- Schwarz-Gelbes Steuerpaket: 24 Milliarden Euro weniger Steuern | |
> Die Koalition nennt es "Schutzschirm für Arbeitnehmer in der Krise": Eine | |
> massive Steuersenkung soll helfen und sich aus schnellerem Wachstum | |
> refinanzieren. | |
Bild: Kriegte seine Steuersenkung durch: Guido Westerwelle mit seinen Koalition… | |
BERLIN taz | Die angehenden Koalitionäre geben sich sozial. "Die neue | |
Regierung hält Wort", erklärte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) am | |
Samstag – "Wir entlasten die Bürger". FDP-Chef Guido Westerwelle wurde auf | |
einem Sonderparteitag am Sonntag, noch deutlicher: Wer die schwarz-gelbe | |
Regierung als kalt bezeichne, dem sei "in seiner Hirnverbranntheit nicht zu | |
helfen". | |
Denn: Union und FDP versprechen zum Start ihrer Regierung Steuersenkungen | |
in Höhe von 24 Milliarden Euro pro Jahr und einen "Schutzschirm für | |
Arbeitnehmer", in Anlehnung an den Rettungsschirm für Banken, mit dem der | |
Staat marode Geldinstitute mit Steuergeld gestützt hat. | |
Drei Wochen verhandelten sie, bis sie am Wochenende ihr 124-seitiges | |
Programm – Überschrift: "Wachstum, Bildung, Zusammenhalt" – präsentieren | |
konnten. Über die Finanzfragen stritten sie bis zum Schluss. Nun sollen | |
Familien mit Kindern, Arbeitnehmer, Erben und Unternehmer entlastet werden. | |
Die Erleichterungen sollen die "Leistungsbereitschaft der Arbeitnehmer und | |
Arbeitgeber in unserem Land schnell und deutlich stärken" – so steht es im | |
Regierungsprogramm. Im Kapitel "Motivation und Entlastung" heißt es | |
zunächst: An den von Schwarz-Rot beschlossenen Steuererleichterungen in | |
Höhe von 14 Milliarden Euro ab Januar 2010 wird festgehalten. Zum Beispiel | |
sind Krankenversicherungsbeiträge dann besser abzusetzen. Dieses Paket soll | |
unabhängig von den geplanten 24-Milliarden-Euro-Entlastungen greifen. | |
Ziel sei es – so liest man weiter – zum 1. Januar 2011 ein neues | |
Einkommensteuersystem in Kraft zu setzen, weg von stetig steigenden | |
Steuersätzen für jeden dazu verdienten Euro, hin zu einem System mit | |
wenigen Tarif-Stufen. Dafür hatte sich vor allem die FDP stark gemacht. | |
Dabei sollen untere und mittlere Einkommen entlastet und der | |
"Mittelstandsbauch" abgeflacht werden. Zahl und Verlauf der Stufen sind | |
aber offen, so dass unklar bleibt, wer am Ende tatsächlich profitieren | |
wird. | |
Auf jeden Fall soll es Steuervereinfachungen geben. Jeder soll die | |
Möglichkeit bekommen, "ohne Papierbelege mit dem Finanzämtern zu | |
kommunizieren". Zudem sollen Steuerberatungskosten wieder absetzbar sein. | |
Fest steht auch, dass der Kinderfreibetrag in einem ersten Schritt zum | |
Januar 2010 auf 7008 Euro erhöht werden soll. Damit auch die | |
Geringverdiener nicht leer ausgehen – für sie bringt die Erhöhung des | |
Freibetrags nichts – soll das Kindergeld im Januar um je 20 Euro pro Kind | |
steigen. Und Geschwister, Nichten und Neffen will man bei der | |
Erbschaftssteuer entlasten. Für sie soll es einen neuen Steuertarif von 15 | |
bis 43 Prozent geben. | |
Mit einer Unternehmenssteuerreform soll zum 1. Januar 2010 begonnen werden. | |
So wird die sogenannte Zinsschranke gelockert, um kleinere und mittlere | |
Unternehmen bei der Kreditbeschaffung zu entlasten. Auch bei Übernahmen, um | |
eine Firma zu sanieren, verspricht der Koalitionsvertrag Erleichterungen. | |
Beim Erwerb von Problemfällen könnten mehr Verluste steuerlich geltend | |
gemacht und mit Gewinnen verrechnet werden. | |
Beschränkungen bei der Verlagerung betrieblicher Funktionen ins Ausland | |
sollen wegfallen. Zudem würden auch Firmenerben entlastet: Die | |
Arbeitsplatzauflage für eine Steuerbefreiung von Firmennachfolgern bei | |
Betriebsfortführung soll gelockert werden. | |
Strittig war zuletzt die steuerliche Freistellung von kommunalen Müll- und | |
Wasserbetrieben von der Umsatzsteuer. Die FDP wollte diese im Grundsatz | |
aufheben. Kommunen protestierten und drohten mit höheren Gebühren. Nun wird | |
eine "Wettbewerbsgleichheit kommunaler und privater Anbieter" angestrebt. | |
Die Regierung will auch die ermäßigten Mehrwertsteuersätze prüfen lassen. | |
Der kaum noch überschaubare Katalog, in dem die Ausnahmen aufgelistet sind, | |
soll durchforstet werden. Zimmer in Hotels und anderen gewerbsmäßigen | |
Unterkünften sollen aber wiederum ab Januar 2010 begünstigt werden. | |
Wie Union und FDP die Steuerentlastungen finanzieren wollen, ist offen. Die | |
Koalition war bereits gescheitert mit der Idee, die steigenden Kosten der | |
Sozialversicherung – Arbeitslosenversicherung und gesetzliche Krankenkassen | |
– haushaltstechnisch in einem Schattenhaushalt der alten Regierung | |
anzulasten. Sie mussten dieses Vorhaben wegen verfassungsrechtlicher | |
Probleme wieder fallen lassen. | |
Nun wird der Schattenhaushalt 2010 durch Steuermittel finanziert. Oder in | |
den Worten der Koalition: "Damit spannen wir einen Schirm zum Schutz der | |
Arbeitnehmer in der Krise auf." Die Beiträge von Arbeitnehmern und | |
Arbeitgebern sollen stabil gehalten werden – so wird zumindest versprochen. | |
Das Darlehen an die Bundesagentur wird in einen Zuschuss verwandelt, die | |
Auszahlung "muss selbstverständlich an strenge Kriterien gebunden sein". | |
Zudem erklärten Union und FDP nun, sie gingen davon aus, dass mit der | |
Beschleunigung des Wachstums und dem Abbau der Arbeitslosigkeit mehr Geld | |
in die Staatskassen fließe. Denn mehr finanzieller Spielraum für die Bürger | |
sei Voraussetzung für mehr Konsum und mehr Investitionen. Die schwarz-gelbe | |
Formel: "100.000 Arbeitslose weniger haben einer Entlastungswirkung von | |
etwa 2 Milliarden Euro in Haushalt und den Sozialkassen". | |
Um die Steuergeschenke zahlen zu können, dürfte das allerdings nicht | |
reichen. Ein konkretes Finanzierungskonzept sieht anders aus. Zumal: | |
Ökonomen bezweifeln, dass die Wohltaten für die Bürger überhaupt die von | |
der Koalition angenommene Wirkung haben – und das Wachstum tatsächlich so | |
kommt. | |
"Die Effekte werden nicht groß sein", prophezeit zum Beispiel Gustav Horn | |
vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie (IMK). Von | |
Steuersenkungen profitiere schließlich nur, wer überhaupt Steuern zahle – | |
"das sind die mit mittlerem und hohem Einkommen". Hartz IV-Empfänger, | |
Geringverdiener, Rentner hätten nichts davon. | |
Das Problem dabei: Diejenigen mit gutem Einkommen sparen eher, anstatt zu | |
konsumieren. So werde die Konjunktur nicht angekurbelt, keine Arbeit | |
geschaffen und niemand geschützt vor Entlassungen, meint Horn. | |
"Schutzschirm für Arbeitnehmer, das ist nur ein schönes Wort der neuen | |
Koalition", sagt er. | |
25 Oct 2009 | |
## AUTOREN | |
Hanna Gersmann | |
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