# taz.de -- Koalitionsvertrag im Detail: Das will Schwarz-Gelb | |
> Gentechnik, längere Laufzeiten, Sprachtests, Schonvermögen und die "Idee | |
> des Westens". Was FDP, CDU und CSU so vorhaben. Zumindest das, was sie | |
> jetzt schon verraten wollen. | |
Bild: Auf ins Vergnügen. | |
Inneres: Die Koalition setzt die Sperrung kinderpornografischer Seiten aus. | |
Stattdessen wird versucht, "derartige kriminelle Angebote schnellstmöglich | |
zu löschen". Das BKA-Gesetz (Onlinedurchsuchungen) bleibt, soll aber | |
hinsichtlich des Schutzes der Privatsphäre verbessert werden. Beim | |
Strafrecht soll härter gegen jugendliche Täter vorgegangen werden. | |
Integration: Die Sprachkenntnisse sollen verbessert werden. Vor Schulbeginn | |
soll jedes Kind Deutsch können. Alle Vierjährigen sollen sich einem | |
Sprachtest unterziehen. Ein eigenes Ministerium wird es für diese | |
"Schlüsselaufgabe" nicht geben. | |
Verkehr: "Uns geht es darum, Mobilität zu ermöglichen und nicht zu | |
behindern", schreiben die Koalitionäre. Sie lehnen eine Erhöhung der | |
Lkw-Maut ab. Die Bahnreform soll weitergeführt werden, die schrittweise | |
Privatisierung der Transport- und Logistiksparten eingeleitet werden, | |
"sobald der Kapitalmarkt dies zulässt". Ein Tempolimit schließen Union und | |
FDP aus, eine City-Maut ebenso. | |
Energie/Klima: Schwarz-Gelb ist "bereit, die Laufzeiten deutscher | |
Kernkraftwerke unter Einhaltung der strengen deutschen und internationalen | |
Sicherheitsstandards zu verlängern". In einer "möglichst schnell zu | |
erzielenden Vereinbarung mit den Betreibern" soll Näheres geregelt werden. | |
Gorleben wird als Endlager-Standort geprüft. Die Endlager Asse II und | |
Morsleben sollen geschlossen werden. Die Treibhausgas-Emissionen will man | |
"bis 2020 um 40 Prozent gegenüber 1990" senken, die "Überförderung der | |
Photovoltaik" kurzfristig ändern und die Nutzung von Biomasse zur | |
Energiegewinnung fördern. | |
Außenpolitik: Die "Idee des Westens" soll Grundlage der "wertgebundenen und | |
interessengeleiteten" schwarz-gelben Außenpolitik sein. Die Beziehungen zu | |
den USA sollen politisch und wirtschaftlich gestärkt werden. Auch Russland | |
wird als "wichtiger Partner" angesehen, mit dem wirtschaftliche | |
Verbindungen ausgebaut und Energiepartnerschaften geschaffen werden sollen. | |
In Europa will die neue Bundesregierung die Freundschaft und Zusammenarbeit | |
mit Polen "weiter vertiefen". | |
Verteidigung: Nach dem Koalitionsvertrag handelt Deutschland in Zukunft | |
"militärisch nur dann", wenn dies "im Rahmen der Vereinten Nationen, der | |
Nato oder der EU sowie aufgrund einer völkerrechtlichen Legitimation" | |
geschehen kann. In Afghanistan will die schwarz-gelbe Regierung die | |
"Strategie der Übergabe in Verantwortung entschieden voranbringen". Die | |
Wehrpflicht soll ab dem 1. Januar 2011 auf sechs Monate reduziert werden. | |
Entwicklungspolitik: Der neue Minister Dirk Niebel (FDP) soll die | |
Landwirtschaft in Entwicklungsländern fördern. Das Ziel der Steigerung der | |
deutschen Entwicklungsausgaben auf 0,7 Prozent der Wirtschaftsleistung wird | |
formell beibehalten, jedoch ohne Jahreszahlen versehen. Bei der Reform der | |
Hilfsorganisationen hat sich die Union mit dem Ziel durchgesetzt, zunächst | |
die technische Zusammenarbeit zu reformieren. Von einer Zusammenlegung von | |
KfW und GTZ hat man aber offenbar Abstand genommen: Die Reform soll | |
lediglich mit "Mechanismen zur besseren Verknüpfung von technischer und | |
finanzieller Zusammenarbeit verbunden werden". | |
Landwirtschaft: Für die Bauern wird es ein "Grünland-Milchprogramm" in Höhe | |
von 500 Millionen Euro geben. Hinzu kommen höhere Zuschüsse für die | |
Unfallversicherung und weitere Liquiditätshilfen. Ackergifte sollen | |
schneller als bisher zugelassen werden – "unter Beibehaltung der geltenden | |
hohen Standards". Tierschutz soll im "Einklang mit der Wirtschaftlichkeit" | |
vorangebracht werden. Schwarz-Gelb steht nach eigenem Bekunden für ein | |
"gleichberechtigtes Nebeneinander unterschiedlicher Wirtschaftsmethoden von | |
konventioneller und ökologischer Landwirtschaft". | |
Gentechnik: Die neue Koalition "will die verantwortbaren Potentiale der | |
grünen Gentechnik nutzen", heißt es im Koalitionsvertrag. Sie will die | |
Genkartoffel Amflora "für eine kommerzielle, industrielle Verwertung" | |
zulassen, die der Chemiekonzern BASF entwickelt hat. Amflora soll Stärke | |
liefern für die Industrie, etwa um Papier reißfest zu machen. Das | |
Anbauverbot für den Genmais MON 810 des US-Konzerns Monsanto bleibt | |
zunächst bestehen. Die Bundesländer sollen künftig Sicherheitsabstände | |
zwischen Feldern mit Gen-Pflanzen und Äckern mit herkömmlichen Gewächsen | |
festlegen können. | |
Bildung und Familie: Bis 2013 werden 12 Milliarden Euro mehr für Bildung | |
und Forschung ausgegeben, zwei Jahre später sollen 10 Prozent des | |
Brottoinlandsprodukts in diese Bereiche fließen. Künftig sollen mehr | |
Studenten ein Stipendium erhalten. Schwarz-Gelb will den Anteil der | |
Stipendiaten von derzeit 2 auf 10 Prozent steigern. Geplant ist zudem ein | |
"Zukunfskonto" für jedes Neugeborene, mit einem Startguthaben von 150 Euro. | |
Soziales: Das Schonvermögen für Hartz-IV-Bezieher steigt von 250 auf 750 | |
Euro pro Lebensjahr, zudem sollen ALG-II-Empfänger mehr hinzuverdienen | |
dürfen. Fördermaßnahmen für Arbeitslose sollen dagegen reduziert werden. | |
"Einen gesetzlichen Mindestlohn lehnen wir ab", schreiben Union und FDP. Es | |
wird geprüft, ob bestehende Mindestlöhne Arbeitsplätze vernichten. | |
Gesundheit: Die Pflegeversicherung soll zum Teil privatisiert werden, | |
pauschale Beträge erhoben werden. Bis 2011 ändert sich am Gesundheitsfonds | |
nichts. Dann wird der Arbeitgeberanteil eingeforen und wohl eine vom | |
Einkommen unabhängige Pauschalprämie eingeführt werden. | |
HG, PW, GRE | |
25 Oct 2009 | |
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