# taz.de -- Die Hutu-Miliz und ihre Helfer: Netzwerke des Todes | |
> Offiziell sind die FDLR-Milizen mit UN-Sanktionen belegt, doch | |
> Unterstützung bekommen sie von überall her - aus Tansania und selbst aus | |
> der katholischen Kirche. | |
Bild: Ein Kämpfer der FDLR beobachtet im Ostkongo, wie Zivilisten auf Befehl e… | |
Die kurioseste Spur führt auf die Balearen. Die Regierung der spanischen | |
Ferieninseln im Mittelmeer finanziert zwei spanische kirchliche | |
Wohltätigkeitsverbände, Fundacio SOlivar und Inshuti. Warum interessiert | |
das die UN-Expertengruppe zur Überwachung des Embargos gegen bewaffnete | |
Gruppen in der Demokratischen Republik Kongo? Ihr neuer Bericht, der heute | |
im UN-Sicherheitsrat behandelt wird und der taz vorab exklusiv vorliegt, | |
gibt Einblick in die verborgene Welt der globalen Netzwerke, die der teils | |
von Tätern des ruandischen Völkermords geleiteten Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) ihren andauernden Krieg | |
ermöglichen. | |
Inshuti-Präsident Joan Casoliva habe der FDLR 200.000 Dollar versprochen, | |
heißt es in dem Bericht. Die FDLR habe von Mitgliedern der beiden vom | |
spanischen Staat alimentierten Verbände "regelmäßige finanzielle, | |
logistische und politische Unterstützung" erhalten. Im Einzelnen finanziere | |
Fundacio SOlivar die Stiftung Brothers of Charity des belgischen Priester | |
Constant Goetschalck, bis vor Kurzem im tansanischen Kigoma basiert - eine | |
Drehscheibe für Waffenlieferungen. Diese Stiftung habe Geld an ein Ahadi | |
Institute weitergeleitet, von wo aus Geld an die FDLR gelangte. Ein | |
italienischer Missionar im Ostkongo, Pier Giorgio Lanaro, bestätigte den | |
UN-Ermittlern, er habe in Europa gesammeltes Geld an die Miliz | |
weitergegeben. | |
Nicht nur die Details aus dem Innenleben der katholischen Kirche machen den | |
neuen UN-Expertenbericht zu einer äußerst brisanten Lektüre. Die | |
UN-Experten bringen neue Einzelheiten zur unrühmlichen Rolle Deutschlands, | |
wo die FDLR-Führung bis vor Kurzem unbehelligt lebte (siehe Text unten). | |
Sie analysieren Satellitentelefonverbindungen der FDLR-Feldkommandanten vom | |
Kongo aus in 25 Länder weltweit, darunter Deutschland, Belgien, Frankreich, | |
Norwegen und die Niederlande. In Frankreich, wo FDLR-Exkutivsekretär | |
Callixthe Mbarushimana und die Politik- und Außenpolitikkommissare Emmanuel | |
Ruzindana und Ngirinshuti Ntambara leben, weigerten sich die Behörden | |
ebenso wie in Großbritannien und den USA, die Gesprächspartner zu | |
identifizieren. In Belgien aber sind unter den Anrufern ehemalige | |
ruandische Militärführer aus der Zeit des Völkermordes, die jetzt der FDLR | |
unter die Arme greifen. Telefonkontakt gibt es auch zwischen FDLR und der | |
ruandischen Exilpartei FDU-Inkingi, deren in den Niederlanden lebende | |
Präsidentin Victoire Ingabire nächstes Jahr zu Ruandas | |
Präsidentschaftswahlen kandidieren will und in Europa für sich als moderate | |
Opposition wirbt. | |
Die finanziellen Netzwerke in Europa versetzen die FDLR in die Lage | |
aufzurüsten. Die Miliz erbeutet nicht mehr nur bereits im Kongo | |
zirkulierende Waffen, sondern sie importiert Rüstung aus Tansania über den | |
Tanganjikasee. Bande Ndangundi, ein alter Freund des früheren | |
kongolesischen Präsidenten Laurent-Désiré Kabila, koordiniert aus | |
Daressalam in Tansania Waffenlieferungen an die FDLR über Burundi. Er habe | |
enge Beziehungen zur Hutu-Regierung Burundis und hochrangigen Offiziellen | |
in Tansanias Regierung, Polizei und Militär, so die UN-Experten. Er | |
telefoniere in diesem Jahr häufig mit einer portugiesischen Reederei und | |
einem ugandischen Luftfahrtunternehmer. | |
Mit diesen Geschäften, so der schwerwiegende UN-Vorwurf, wolle eine ganze | |
Gruppe tansanischer Offizieller ihren "Einfluss über politisch-ökonomische | |
Interessen" in die Provinz Südkivu wahren. Treibstoff wird von Tansania in | |
den Kongo geschmuggelt, Mineralien in die andere Richtung. Burundi, seit | |
2006 von einer ehemaligen Hutu-Rebellenbewegung regiert, sei "Rückzugsbasis | |
für FDLR-Rekrutierungen und Sympathisantennetzwerke". Die FDLR unterhalte | |
enge Beziehungen zu Burundis Geheimdienstchef Adolphe Nshimirimana und zur | |
burundischen Polizeiführung. Kürzlich habe Burundis Polizei eine Delegation | |
nach Malaysia geschickt, um 40.000 Sturmgewehre zu kaufen, doppelt so viele | |
wie es in dem kleinen Land Polizisten gibt. | |
Das Geld dafür erwirtschaftet die FDLR durch Mineralienexporte, vor allem | |
Gold und Zinnerz. Goldhändler im Kongo, die mit der FDLR zusammenarbeiten, | |
haben Partner in Uganda, Burundi und Dubai. Zu den Abnehmern gehören die | |
Malaysia Smelting Corporation und die Thailand Smelting and Refining | |
Corporation. Letztere ist im Besitz der Londoner Amalgamated Metals | |
Corporation, ihr Hauptlieferant ist laut UNO die auf den Samoa-Inseln | |
registrierte und in Hongkong ansässige African Ventures Ltd, vor Ort vom | |
Schweizer Geschäftsmann Chris Huber vertreten. Er soll jetzt auch Abnehmer | |
für Mineralien sein, die von ehemaligen Tutsi-Rebellen stammen, die seit | |
ihrer Eingliederung in Kongos Armee Bergbaugebiete kontrollieren. | |
Waffen für die FDLR kommen auch von Kongos Armee selbst, deren Kommandeure | |
in der Provinz Südkivu enge Beziehungen zur FDLR unterhalten und | |
Waffentransfers entweder dulden oder einleiten, obwohl sie die Miliz | |
offiziell bekämpfen. Kongos Regierung wiederum bekommt Waffen aus Asien und | |
Europa. Laut UNO landete am 21. Januar der nordkoreanische Frachter "Bi Ro | |
Bong" mit 3.435 Tonnen Waffen für Kongos Armee im Atlantikhafen Boma. Im | |
Mai landete der chinesische Frachter "An Xin Jiang" im Nachbarhafen Matadi | |
weitere Rüstungsgüter an. Weder Nordkorea, noch China, noch Kongos | |
Verteidigungsministerium beantworteten Fragen der UN-Experten dazu. | |
Im ostkongolesischen Kisangani landeten zwischen September 2008 und Februar | |
2009 18 Flugzeuge aus Sudans Hauptstadt Khartum, deren Fracht die Armee | |
entgegennahm. Panzerfahrzeuge aus China, Belgien und Spanien kamen in den | |
vergangenen Monaten nach Kongo, ebenso Kampfhubschrauber aus der Ukraine, | |
die nun im ostkongolesischen Goma stehen und von Ukrainern und Weißrussen | |
gewartet werden. | |
25 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
F. Misser | |
D. Johnson | |
## TAGS | |
Ruanda | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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liegt der taz vorab vor. |