# taz.de -- Von Deutschland aus koordiniert: Waffen- und Munitionstransfers | |
> Geldwäsche, Rüstungstransfers, Telefonate mit Kommandeuren: Die | |
> ruandische Hutu-Miliz wurde von Deutschland aus gesteuert. Das ist in | |
> einem neuen UN-Bericht zu lesen. | |
Bild: Mehr als 160 Menschen wurden hier von Hutu-Milizen erschossen, zu Tode ge… | |
BERLIN taz | Als Beamte des Bundeskriminalamtes am 17. November die beiden | |
in Deutschland lebenden Führer der ruandischen Hutu-Miliz FDLR | |
(Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) in Karlsruhe und Nürtigen | |
festnahmen, wussten die deutschen Behörden schon, dass ihnen im jetzt | |
vorliegenden UN-Expertenbericht harsche Kritik droht. | |
FDLR-Präsident Ignace Murwanashyaka und sein Vize Straton Musoni hatten die | |
Miliz jahrelang von Deutschland aus geführt. Bis zur Haftprüfung im | |
nächsten Februar müssen die Ermittler zusätzliche Beweise für ihren Vorwurf | |
vorbringen, wonach die beiden für Verbrechen gegen die Menschlichkeit | |
verantwortlich seien. | |
Einige liefert jetzt der UN-Bericht. Den UN-Experten liegt ein amtliches | |
FDLR-Dokument vor, das Präsident Murwanashyaka als "Oberkommandierenden der | |
FDLR-Streitkräfte" bezeichnet und Musoni als "Präsident des | |
FDLR-Oberkommandos" mit dem im Frankreich lebenden Exekutivsekretär | |
Callixthe Mbarushimana als sein Stellvertreter. Bisher waren die drei nur | |
als zivile Köpfe der Gruppe in Erscheinung getreten. Jetzt wird auch ihre | |
formale militärische Verantwortung deutlich. | |
Einen direkten Zusammenhang mit Kriegsverbrechen sehen die UN-Ermittler bei | |
einem Massaker der FDLR an 60 bis 96 Zivilisten im ostkongolesischen Ort | |
Busurungi am 10. Mai 2009. Das Blutbad war möglicherweise ein Racheakt für | |
vorherige Tötungen ruandischer Hutu durch kongolesische Soldaten und wurde | |
verübt, als es zwischen der FDLR und Kongos Armee intensive Kämpfe gab. | |
Murwanashyaka sei vom 5. bis 16. Mai 14-mal in Kontakt mit den lokalen | |
FDLR-Kommandanten gewesen, heißt es. Am 9. Mai habe es vier SMS-Nachrichten | |
von FDLR-Militärchef Sylvestre Mudacamura an seinen Präsidenten gegeben und | |
eine zum Ende des Angriffs auf Busurungi am 11. Mai. | |
Die UN-Expertengruppe schließt vorsichtig: Obwohl sie den Inhalt der | |
Kommunikationen nicht kenne, stellt sie fest, "dass das Muster der | |
Kommunikation, bestätigt durch FDLR-Aussagen über die Befehlserteilung der | |
FDLR-Führung an Feldkommandanten, es nahelegt, dass Herr Murwanashyaka | |
zumindest über die Vorbereitung des Angriffs auf Busurungi informiert | |
gewesen sein muss und an dem Befehl zum Angriff direkt beteiligt gewesen | |
sein könnte." | |
Ignace Murwanashyaka war aber nicht nur mit dem Kriegsgeschehen im Ostkongo | |
befasst. "Herr Murwanashyaka ist an der Koordination von Waffen- und | |
Munitionstransfers an FDLR-Einheiten beteiligt gewesen und hat spezifische | |
Instruktionen über ihren Einsatz weitergeleitet", heißt es im UN-Bericht. | |
"Die Gruppe hat auch Beweismittel erhalten, wonach Murwanashyaka an der | |
Verwaltung großer Geldsummen beteiligt ist, die aus dem illegalen Verkauf | |
von natürlichen Ressourcen aus Gebieten unter Kontrolle der FDLR stammen." | |
Eine Geldquelle sei unter anderem die Handelsfirma Muyeye, eines der | |
größten Mineralienkontore Ostkongos in der Stadt Bukavu. Deren Mitarbeiter | |
Jean-Marie Shamavu überweise Geld aus dem Kongo an Murwanashyakas | |
Mitarbeiter Metete Nzita in Deutschland. Auch Straton Musonis Frau Brigitte | |
Musoni wird im Zusammenhang mit Transaktionen und Telefonaten genannt. | |
Fragen an die deutschen Behörden zu den Transfers seien nicht beantwortet | |
worden, obwohl damit von Deutschland aus UN-Sanktionen gebrochen werden. | |
Die Experten beklagen auch, dass die deutschen Behörden auf die Frage, wer | |
die im September nach einer taz-Anfrage gesperrte FDLR-Webseite bezahlt | |
habe, ebenso wenig geantwortet hätten wie auf Bitten, Kopien des | |
E-Mail-Verkehrs in Murwanashyakas gesperrtem Mailkonto zu erhalten. | |
25 Nov 2009 | |
## AUTOREN | |
Dominic Johnson | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Kongo-Kriegsverbrecherprozess | |
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