# taz.de -- Verteidigungsminister trifft Käßmann: Guttenberg erklärt den Kri… | |
> Nach Käßmanns Kritik am Afghanistan-Einsatz: Die EKD-Vorsitzende und der | |
> Verteidigungsminister treffen sich im Bendlerblock, um zu reden. Und | |
> vereinbaren eine offene Debatte. | |
Bild: Bisher nur auf Distanz miteinander gesprochen: die EKD-Vorsitzende und de… | |
Vertraulichkeit war vereinbart - aber das Treffen war offensichtlich so | |
harmlos, dass man es auch auf offener Bühne hätte wagen können: Die | |
Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Margot | |
Käßmann, und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) trafen | |
sich am späten Montagvormittag im Bendlerblock, dem Berliner Sitz des | |
Ministers, zu einem Meinungsaustausch. Das Ergebnis: Die hannoversche | |
Landesbischöfin wird voraussichtlich eine Rede vor der Führungsakademie der | |
Bundeswehr halten, der Minister eine in einer Evangelischen Akademie. | |
Käßmann sagte, sie sei bereits vor dem Gespräch mit dem | |
Verteidigungsminister nach Afghanistan eingeladen worden. Sie werde dort | |
einen Gottesdienst bei den deutschen Soldaten halten. | |
Das Gespräch zwischen Käßmann und Guttenberg war mit einiger Spannung | |
erwartet worden. Der Anlass war eine Predigt der Bischöfin am Neujahrstag | |
in Dresden und ein Interview zu Weihnachten in der Berliner Zeitung. Darin | |
hatte Käßmann mit Bezug auf eine "Friedensdenkschrift" der EKD gesagt: "Es | |
mag Kriterien geben, mit denen man einen Krieg rechtfertigen kann, was mir | |
schon schwerfiele. Aber nach diesen Kriterien ist das, was in Afghanistan | |
geschieht, in keiner Weise zu rechtfertigen." Daraufhin hatte Käßmann zum | |
Teil harsche Kritik aus der Politik und den Medien erhalten. | |
Wortgleich verkündeten das Ministerium und die EKD nach dem Treffen: "Das | |
Gespräch verlief in konstruktiver und harmonischer Atmosphäre." | |
Diplomatisch hieß es weiter: "Beide Seiten waren sich darin einig, dass die | |
ethische Dimension des Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan geeignet | |
ist, dieses Thema weiter in die Öffentlichkeit zu tragen und dort auch | |
kritisch zu diskutieren. Beide Seiten waren sich ebenso einig, dass für die | |
Soldatinnen und Soldaten der Rückhalt der Gesellschaft wichtig ist - dem | |
könne eine offene Debatte nur dienlich sein." | |
Schon während des Gesprächs hatte ein Sprecher Guttenbergs verkündet, beide | |
Seiten wollten einen "sinnstiftenden Dialog" über die gesellschaftliche | |
Einordnung von Auslandseinsätzen der Bundeswehr verankern. Teilgenommen an | |
diesem Gespräch hatten auch der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann | |
sowie der EKD-Bevollmächtigte bei der Bundesregierung, Bernhard Felmberg. | |
Dutzmann erklärte nach dem Gespräch, alle seien sich "sehr einig" gewesen, | |
dass es bei der Afghanistan-Politik "Nachbesserungsbedarf" gebe. Er sagte, | |
die Soldaten in Afghanistan würden "ganz hervorragende Arbeit machen". | |
Unterdessen haben sich praktisch alle Bischöfinnen und Bischöfe in der EKD | |
hinter Käßmann gestellt. Ausgerechnet aber ihr Vize Nikolaus Schneider | |
rückte vorsichtig von Käßmanns These ab, der Einsatz in Afghanistan sei "in | |
keiner Weise" zu rechtfertigen. Der Präses der Evangelischen Kirche im | |
Rheinland sagte am Montag: "In Afghanistan werden Recht und Gerechtigkeit | |
im Namen einer verblendeten und unmenschlichen Religiosität mit Füßen | |
getreten. Der Einsatz militärischer Gewalt ist deshalb meines Erachtens | |
nach den Kriterien unserer EKD-Friedensdenkschrift zumindest nicht | |
grundsätzlich abzulehnen." | |
Deutlichere Kritik erntete die Bischöfin vom evangelischen Theologe Richard | |
Schröder, einem Autor der EKD-Denkschrift. "Der Glaube an die Allmacht der | |
Gewaltlosigkeit ist ein Aberglaube", sagte er der Mitteldeutschen Zeitung | |
(Dienstag-Ausgabe). Die den Käßmann-Äußerungen zugrunde liegende Analyse | |
sei "verbesserungsfähig". Die Bevölkerung Afghanistans "sehnt sich nicht | |
danach, dass die Bundeswehr abzieht und die Taliban kommen". | |
Nach dem Gespräch sagte Käßmann dem Evangelischen Pressedienst, das Treffen | |
mit Guttenberg sei eine Begegnung auf Augenhöhe gewesen. Aus Sicht der | |
Kirche müsse über eine "klare Abzugsstrategie" gesprochen werden. Das erste | |
Mandat für Afghanistan 2001 sei für sechs Monate erteilt worden. Inzwischen | |
sei die Bundeswehr acht Jahre dort. Guttenberg seinerseits habe sehr | |
deutlich gemacht, dass er über diese Fragen nachdenke, und sei ihr auch | |
"als katholischer Christ" begegnet, der die friedensethischen Positionen | |
der Kirchen und seine eigene Verantwortung ernst nehme. | |
12 Jan 2010 | |
## AUTOREN | |
Philipp Gessler | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Brief Nachtwei an Käßmann: "Danke, dass Sie Anstoß erregt haben" | |
Wir dokumentieren den Brief von Winfried Nachtwei an die Ratsvorsitzende | |
der EKD in Deutschland, Margot Käßmann, im Wortlaut. | |
Debatte Afghanistan und Kirche: Eine Frau trifft ins Schwarze | |
Der deutsche Kriegseinsatz wird endlich wieder als Problem begriffen. Und | |
die Kritik von Margot Käßmann ist differenziert und vor allem berechtigt. | |
Kommentar Afghanistan: Neues Wort für altes Kalkül | |
Der Verteidigungsminister hat die Auseinandersetzungen am Hindukusch als | |
"nichtinternationalen bewaffneten Konflikt" neu eingestuft. Denn dafür | |
gelten andere Regeln als für eine Friedensmission. | |
Militärseelsorge in Deutschland: Geistliche in "Schutzkleidung" | |
Gut 100 evangelische Pastorinnen und Pastoren sind als Seelsorger bei der | |
Bundeswehr, sechs von ihnen im Ausland. Diesen Dienst bietet die Kirche | |
seit 1957 den Soldaten an. | |
Pro und Contra: Ist Käßmanns Afghanistankritik mutig? | |
Pazifismus in Deutschland ist out. Kritische Stimmen wie Käßmann sind | |
leider unpopulär, sagt Daniel Bax. Hingegen glaubt Jörg Sundermeier, die | |
Bischöfin wisse nur zu gut, wie sie Moral verkaufen könne. | |
Kommentar Käßmann: Rückkehr des Radikalpazifismus? | |
Warum hält sich Margot Käßmann nicht zurück, wenn Dampfplauderei droht? Es | |
fehlt ihr derzeit noch an einer Haltung zum Krieg, die sich nicht in | |
ahistorischem Radikalpazifismus erschöpft. |