# taz.de -- Westerwelle in Brasilien: Unterwegs als Atom-Lobbyist | |
> Bundesaußenminister Westerwelle (FDP) habe sich auf seiner | |
> Südamerika-Reise "massiv" für die deutsche Atomwirtschaft eingesetzt, | |
> urteilt der Chef von Areva NP. | |
Bild: Guido Westerwelle und seine Delegation. | |
PORTO ALEGRE taz | Auf seiner einwöchigen Südamerikareise, die am Freitag | |
in Rio de Janeiro zu Ende ging, ist Außenminister Guido Westerwelle fast | |
ausschließlich als Werbeträger für die deutsche Exportwirtschaft | |
aufgetreten. So auch in Brasilien, wo er sich als Atomlobbyist ins Zeug | |
legte. | |
Nach außen ging er dabei eher behutsam vor: "Deutschland und die deutschen | |
Unternehmen" seien auch beim Ausbau der friedlichen Atomkraftnutzung "an | |
einer Zusammenarbeit interessiert", lautete die amtliche Sprachregelung | |
nach seinem Treffen mit Industrieminister Miguel Jorge. | |
Deutlicher wurde Ulrich Gräber, der mitreisende Geschäftsführer des | |
französisch-deutschen Atomfirma Areva NP, an der Siemens ein Drittel hält. | |
Westerwelle habe sich "massiv" für die Atomwirtschaft eingesetzt und das | |
deutsch-brasilianische Nuklearabkommen aus dem Jahr 1975 "voll bestätigt", | |
sagte Gräber der Agentur apn. | |
Der Atommanager erwartet nun, dass der Vertrag über den Weiterbau des AKWs | |
Angra 3 jetzt "schnellstens" unter Dach und Fach gebracht werde. Den | |
Auftrag hatte die schwarz-gelbe Bundesregierung im Januar mit einer | |
Hermesbürgschaft von bis zu 2,5 Milliarden Euro abgesichert. | |
Norbert Barthle (CDU), der im Haushaltsausschuss des Bundestages sitzt, hob | |
damals den Export von deutschem Know-how und Reaktorteilen hervor, die | |
ungeklärte Entsorgung des Atommülls oder die Lage von Angra dos Reis im | |
erdbebengefährdeten Küstengebiet zwischen Rio und São Paulo waren für ihn | |
kein Thema. Die Opposition kritisierte dagegen den Export veralteter | |
Technologie in ein Land mit niedrigen Sicherheitsstandards und ohne | |
unabhängige Atomaufsicht. | |
Sollte also der staatliche Auftraggeber Eletronuclear nicht zahlen, würde | |
der deutsche Fiskus einspringen. Das ist zwar eher unwahrscheinlich, doch | |
bereits der Zwillingsmeiler Angra 2, der 2000 nach 25-jähriger Bauzeit ans | |
Netz gegangen war, verschlang mindestens zehn Milliarden US-Dollar. | |
Dennoch steht Präsidialamtsministerin Dilma Rousseff, die Kandidatin der | |
Arbeiterpartei PT für die Präsidentenwahl im Oktober, hinter den Atomplänen | |
der Regierung. Danach sollen bis 2030 vier weitere AKWs gebaut werden, zwei | |
im Nordosten Brasiliens, zwei im Südosten. Als Energieministerin von | |
Staatschef Lula da Silva war Rousseff aus ökonomischen Gründen noch gegen | |
die Fertigstellung von Angra 3 gewesen. | |
Brasilianische Atomkritiker vermuten hinter ihrem Sinneswandel denn auch | |
den „Finger der Militärs“, zumal es eine Trennung zwischen ziviler und | |
militärischer Nutzung der Kernkraft nur auf rhetorischer Ebene gibt. Ein | |
Zusatzprotokoll zum Atomwaffensperrvertrag zu unterzeichnen, das eine | |
effektivere Kontrolle der Anlagen ermöglichen würde, lehnt die Regierung | |
Lula ab. Ebenso weitere UN-Sanktionen gegen den Iran, wie Westerwelle nun | |
aus erster Hand von seinem Amtskollegen Celso Amorim erfuhr. | |
13 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
Gerhard Dilger | |
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Eine Text- und Videoantwort |