# taz.de -- Bundesamt für Strahlenschutz: Privatisierte Endlagerung als Option | |
> Röttgen beendet das Gorleben-Moratorium, der Salzstock wird wieder | |
> erkundet. Dem Bundesamt für Strahlenschutz könnte Zuständigkeit für | |
> Endlagerung entzogen werden. | |
Bild: Castor-Transport, unterwegs nach Gorleben, fotografiert in der Nähe von … | |
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) ist eine unbequeme Behörde. | |
Unabhängig davon, welche Partei das übergeordnete Bundesumweltministerium | |
führt und welche Ziele dort gerade verfolgt werden, bezieht BfS-Präsident | |
Wolfram König klare Position zu den Risiken, die von nuklearen Anlagen und | |
ihren Abfällen ausgehen. An der Eignung des Salzstocks Gorleben als | |
Endlager für hochradioaktiven Atommüll hatte er wiederholt Zweifel | |
geäußert. Der Standort sei "nicht nach einem Auswahlverfahren bestimmt | |
worden, der internationalen Standards entspricht", hatte er im Oktober | |
erklärt. Und: Ohne einen Vergleich mit anderen Standorten sei Gorleben | |
politisch kaum durchzusetzen und juristisch angreifbar. | |
Am Montag nun hat Umweltminister Norbert Röttgen entschieden, dass das | |
zehnjährige Gorleben-Moratorium beendet wird und der Salzstock ab sofort | |
weiter erkundet wird - und zwar als einziger Standort. Doch ob das | |
Strahlenschutzamt und sein Chef Wolfram König dabei noch eine Rolle spielen | |
werden, ist offen. Im Ministerium wird nach Informationen der taz erwogen, | |
dem BfS die Zuständigkeit für die Endlagerung zu entziehen. | |
Entweder, so die Überlegungen, könnte dafür eine neue Behörde geschaffen | |
werden - oder die Endlagerung könnte privatisiert werden. Im Rahmen der | |
sogenannten Beleihung kann der Staat bestimmte hoheitliche Aufgaben an | |
private Institutionen übertragen - bekanntestes Beispiel ist der TÜV, der | |
im Staatsauftrag die Sicherheit von Autos überwacht. Eine solche Lösung | |
auch bei der Endlagerung einzuführen hatte der Präsident des Deutschen | |
Atomforums, Walter Hohlefelder, schon 1991 gefordert. | |
Röttgen dementierte entsprechende Überlegungen auf Anfrage nur halbherzig. | |
"Neue Zuständigkeiten sind nicht Teil der Entscheidung, um die es heute | |
geht", sagte er lediglich. Die atompolitische Sprecherin der Grünen, Sylvia | |
Kotting-Uhl, kritisierte die Überlegungen: "Wenn das | |
Bundesumweltministerium bei der Endlager-Erkundung auf die Kompetenz des | |
BfS verzichten will, wirft das Fragen nach den Beweggründen auf." Auch wenn | |
sie dem Minister widerspreche, dürften "kompetente Meinungen nicht | |
abgewürgt" werden, so Kotting-Uhl. | |
Ein Grund für die mögliche Entmachtung des BfS könnte die juristische | |
Einschätzung zur weiteren Erkundung in Gorleben sein. Um den Salzstock | |
weiter erkunden zu können, will Röttgen den alten Rahmenbetriebsplan aus | |
dem Jahr 1983 verlängern. Anders als bei einem neuen Verfahren wäre in | |
diesem Fall keine formale Beteiligung der Öffentlichkeit nötig. | |
In einem im Auftrag des BfS erstellten Rechtsgutachten, das der taz | |
vorliegt, wird dieses Vorgehen jedoch als unzulässig bezeichnet. Denn seit | |
1983 haben sich die Bedingungen für Gorleben grundsätzlich verändert. | |
So ist die geplante Einlagerungsmenge um über 90 Prozent gesunken, und die | |
Sicherheitsanforderungen an Endlager wurden verschärft. "Der | |
Rahmenbetriebsplan 1983 (in Gestalt seiner Verlängerungen) kann daher keine | |
Rechtsgrundlage für eine weitere bergrechtliche Erkundung des | |
Endlagerstandorts Gorleben sein", heißt es in dem Gutachten vom vergangenen | |
September. | |
Röttgen wies solche Befürchtungen ebenso wie andere Einwände gegen die | |
Wiederaufnahme der Erkundung am Montag zurück. Mit dem Ende des von | |
"ideologischer Überfrachtung" geprägten Gorleben-Moratoriums sei die | |
"jahrzehntelange Verantwortungslosigkeit und Feigheit" bei der Suche nach | |
einem Atommüllendlager beendet. Röttgen betonte, dass die Entscheidung über | |
Gorlebens Eignung offen sei. Diese werde erst nach Abschluss der Erkundung | |
im Jahr 2017 feststehen. Alternative Standorte sollen währenddessen nicht | |
erkundet werden. Lediglich theoretisch und in allgemeiner Form sollen | |
Wissenschaftler alternative Gesteinsformationen prüfen. | |
Am Gorlebener Endlagerbergwerk demonstrierten gestern knapp hundert | |
AKW-Gegner, darunter auch Bauern mit Traktoren, gegen die geplante | |
Wiederaufnahme der Arbeiten unter Tage. Die Bürgerinitiative | |
Lüchow-Dannenberg kündigte zudem eine weitere Klage gegen den 27 Jahre | |
alten Gorlebener Rahmenbetriebsplan an, den Röttgen verlängern will. | |
Auch wegen des Gutachtens, das das BfS zum Rahmenbetriebsplan in Auftrag | |
gegeben hatte, sehe man "gute Chancen, den Weiterbau im Salzstock zu | |
stoppen", sagte BI-Sprecher Wolfgang Ehmke. Konkret will die BI Klagen von | |
Grundeigentümern unterstützen, deren Abbaurechte an dem Gorlebener | |
Salzstock durch die Endlagergenehmigung beeinträchtigt werden. | |
16 Mar 2010 | |
## AUTOREN | |
M. Kreutzfeldt | |
J. Voges | |
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