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# taz.de -- Leipziger Buchmesse: Links sein ohne Pickelhaube
> Links von der CDU fanden auf der diesjährigen Buchmesse in Leipzig viele
> Diskussionen statt. Aber für eine gemeinsame Erzählung fehlen noch die
> Autoren.
Bild: Gibt's das auch schon als Buch? "Avatar"-Fan auf der Leipziger Buchmesse.
Wer Sachsens Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich zur Verleihung des
Buchpreises für Europäische Verständigung in Leipzig reden hörte, durfte
sich mehr als nur ein wenig wundern. In György Dalos wurde in Leipzig am
Mittwoch ein Dissident geehrt, dessen jüdisch-ungarische Familie dem Terror
deutscher und ungarischer Nazis ausgesetzt war. Doch Tillich - der gerade
viel damit zu tun hat, die Sponsoringdebatte der sächsische CDU klein zu
halten - pries zur Preisverleihung vor allem Sachsen, sein "Vaterland".
Begriffe wie "Faschismus" und die Jahreszahl 1933 kamen ihm nicht über die
Lippen, dafür "Weltkrieg" und "SED-Regime". Ein Denken, das die CDU mit der
Ära Kohl eigentlich hinter sich gelassen hat. Der Ministerpräsident könnte
zudem auf der Buchmesse jede Menge Literatur finden, die seine historischen
Ansichten widerlegen.
Vielleicht nicht unbedingt jene, derentwegen Karl-Heinz Dellwo nach Leipzig
gekommen ist. Dellwo stellte hier seine gemeinsam mit anderen ins Leben
gerufene "Bibliothek des Widerstands" vor. "Widerstand"? Dellwo, heute 57
Jahre alt, war als RAF-Mitglied 1975 an dem Überfall auf die deutsche
Botschaft in Stockholm beteiligt. Aus dem Gefängnis sprach er sich in den
1980ern für ein Ende des bewaffneten Kampfes und der RAF aus.
Für Dellwo bleibt "Widerstand" dennoch "eine zentrale Tugend, etwas
grundsätzlich Positives". Er wolle die Geschichte nicht verklären, sagt er,
stelle mit der "Bibliothek des Widerstands" vielmehr "authentisches
Material" zur Verfügung, damit die Linke "nicht immer die gleichen Fehler"
macht.
Die ersten drei von Willi Baer, Carmen Bitsch und Karl-Heinz Dellwo im
Laika Verlag vorgelegten Bände beschäftigen sich mit Angela Davis,
Griechenland 2008 und dem 2. Juni 1967. "Der 2. Juni 1967", schwarz-rot
eingebunden, enthält Schriften von Uwe Soukup, Karl Heinz Roth und Dellwo
selbst sowie eine DVD mit historischem Filmmaterial von Thomas Giefer,
Hans-Rüdiger Minow und Roman Brodmann. Film und Text sind Konzept. Dellwo
ist stolz darauf, für einen später geplanten Band die Lizenzrechte für
Chris Markers "Rot liegt in der Luft" bekommen zu haben.
Gruseln würde es den früheren RAF-Mann sicherlich bei einem Begriff wie
"linker Patriotismus". Genau darüber diskutierten in Leipzig am
Samstagabend Katja Kipping und Robert Habeck, moderiert von taz-Redakteur
Peter Unfried. Kipping ist stellvertretende Vorsitzende der Partei Die
Linke, Habeck Fraktionsvorsitzender der Grünen in Schleswig-Holstein.
Vom "prinzipiellen Antikapitalismus" (Dellwo) hält Habeck nicht viel:
Veränderungen fänden im und mit dem Kapitalismus statt, nicht von außen und
gegen ihn. Die künftige Hegemonie für eine regierungsfähige linke Mehrheit
in Deutschland führe über die Mitte der Gesellschaft. Zum Regieren müsse
man sich aber auch in der Opposition bekennen, selbst wenn man, wie Katja
Kipping an diesem Abend deutlich machte, erhebliche Probleme mit Habecks
"linkem Patriotismus" hat. Der klingt ihr zu sehr nach Pickelhaube.
Stanislaw Tillich wirds gern hören: Links der CDU fanden in Leipzig viele
Diskussionen statt, aber für eine gemeinsame kraftvolle Erzählung fehlen
noch die entsprechenden Autoren.
22 Mar 2010
## AUTOREN
Andreas Fanizadeh
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