# taz.de -- Webseiten-Plagiate als Geschäftsmodell: Die fleißigen Kopier-Brü… | |
> Sie machen Millionen mit geklauten Ideen: 1999 verkauften drei Brüder aus | |
> Köln einen eBay-Klon an das US-Vorbild. Jetzt haben sie wieder eine | |
> kopierte Webseite dem Erfinder angedreht. | |
Bild: Kopierer als Kapitalgeber: Alexander, Marc und Oliver Samwers (v.r.) geh�… | |
BERLIN taz | Man muss nicht im berühmten Silicon Valley in Kalifornien | |
residieren, um mit innovativen Internet-Unternehmen ordentlich Geld zu | |
verdienen. Gute Ideen anderer zu erkennen und zu kopieren reicht völlig, | |
das haben Alexander, Marc und Oliver Samwer schon mehrfach bewiesen. Der | |
neueste Coup der drei Brüder aus Köln: Vor wenigen Monaten haben sie die | |
US-amerikanische Webseite [1][Groupon.com] abgekupfert – und das Plagiat | |
nun an eben diese verkauft. | |
Der Name der Ende 2008 gestarteten Webseite Groupon setzt sich aus „Gruppe“ | |
und „Coupon“ zusammen. Die Idee: Wenn sich genügend Käufer für ein | |
Abendessen, eine Tankfüllung, einen Mietwagen oder ein anderes Produkt | |
zusammenfinden, erhalten diese einen Gutschein für das betreffende Angebot; | |
so können Nutzer der Seite oft 50 bis 70 Prozent des regulären Preises | |
sparen. Der Umsatz des in den USA führenden Gutscheindienstes wird für 2010 | |
auf 350 Millionen Dollar geschätzt, sein Wert wurde zuletzt mit 1,2 | |
Milliarden US-Dollar beziffert. | |
Das in Berlin ansässige Groupon-Plagiat [2][Citydeal.de] dagegen ist erst | |
vor sieben Monaten gegründet und im März mit 16,5 Millionen Euro bewertet | |
worden. Hinter dem Unternehmen stehen neben den Samwer-Brüdern auch die | |
Holtzbrinck-Gruppe und zwei weitere Investoren, die bislang zusammen rund | |
neun Millionen Euro in den Aufbau der Internetseite gesteckt haben. | |
Citydeal ist inzwischen in mehr als 80 europäischen Städten aktiv und | |
beschäftigt mehr als 600 Menschen. | |
Nun wurde bekannt, dass Groupon.com seinen deutschen Nachahmer übernehmen | |
wird - angeblich für einen dreistelligen Millionenbetrag. Der in den USA | |
führende Gutscheindienst ist damit nicht nur auf einen Schlag auf dem | |
europäischen Markt präsent, obendrein wächst die Belegschaft auf 900 | |
Mitarbeiter in 18 Ländern an. Groupon-Gründer Andrew Mason hatte den Deal | |
am Sonntag [3][via Twitter] angekündigt und wenig später die Details [4][im | |
Unternehmensblog] bekannt gegeben. Citydeal bezeichnete er darin | |
anerkennend als „weltgrößten Groupon-Klon“ und die Samwer-Brüder als | |
Meister im Klonen fremder Geschäftsmodelle. | |
Für diesen Ruf als fleißige Kopierer haben die drei Anwaltssöhne aus Köln | |
hart gearbeitet - in der Schule, im Studium und im Beruf. Der Älteste von | |
ihnen, der 39 Jahre alte Marc, eiferte seine Eltern nach und studierte Jura | |
in Frankreich und Spanien. Sein zwei Jahre jüngerer Bruder Oliver ließ sich | |
an renommierten Unis in den USA und Chile in Betriebswirtschaftslehre | |
ausbilden und arbeitete danach als Trainee bei der Privatbank Sal. | |
Oppenheimer; das Abitur hatte er zuvor mit der Traumnote 0,8 abgeschlossen. | |
Alexander, der jüngste der Brüder, toppte das mit einem Abitursschnitt von | |
0,66 sogar noch; anschließend studierte er Volkswirtschaftslehre und | |
Politik in Oxford, absolvierte Praktika unter anderem bei den | |
Unternehmensberatern von McKinsey und dem renommierten | |
Angel-Estrada-Verlag. | |
Angeblich haben die drei Samwers bereits im Kindesalter davon geträumt, | |
gemeinsam eine Firma zu gründen. Doch erst im Frühjahr 1999 waren sie | |
tatsächlich Unternehmer – dank des jungen Online-Auktionshauses eBay aus | |
den USA, dessen Geschäftsmodell damals in Deutschland noch weitgehend | |
unbekannt war. Zusammen mit drei weiteren Partnern gründeten die damals 28, | |
27 und 24 Jahre alten Männer die nach identischen Regeln funktionierende | |
Webseite Alando.de. Danach ging alles sehr schnell: Der Umsatz wuchs | |
rasant, das Unternehmen zog aus dem elterlichen Wohnzimmer in Köln nach | |
Berlin-Kreuzberg, eBay wurde aufmerksam auf die Nachahmer, schließlich bot | |
das Original dem Plagiat 43 Millionen für die Übernahme. Nach nur sechs | |
Monaten war die Neugründung schon wieder verscherbelt. Und die | |
Samwer-Brüder Millionäre. | |
Mit dem Erlös aus dem Verkauf von Alando.de gründeten sie bereits im Jahr | |
darauf ein neues Unternehmen: Die Jamba! GmbH sollte der größte europäische | |
Anbieter von Klingeltönen und Mobiltelefon-Anwendungen werden. Auch diesmal | |
kam die Idee von anderen: In Japan verdiente die Firma NTT Docomo mit einem | |
solchen Angebot bereits gutes Geld. Umsatz und Wachstum von Jamba! ließen | |
sich so gut an, dass ein amerikanisches Dienstleistungsunternehmen Mitte | |
2004 insgesamt 273 Millionen Dollar für die Übernahme zahlte. | |
Wirtschaftsjournalisten vermuteten, dass bis zu 20 Prozent davon an die | |
Samwer-Brüder gingen. Wenig später geriet Jamba! wegen seiner aggressiven | |
TV-Werbestrategie in die Kritik von Verbraucherschützern und | |
Medienanstalten; obendrein [5][prangerte das Spreeblick-Blog] erfolgreich | |
den Verkauf undurchsichtiger Abos an Jugendliche an. | |
„Wir sind keine Albert Einsteins oder Gewinner von 'Jugend forscht', die | |
irgendetwas Tolles erfinden“, erklärte Oliver Samwer vor sechs Jahren der | |
Tageszeitung Die Welt. Ihr Geschäftsmodell sei vielmehr im Ausland | |
funktionierende Ideen zu entdecken und nach Europa zu bringen. Doch | |
langfristiges Engagement, die Schaffung von Ausbildungsplätzen oder der | |
Ausbau der Samwers-Plagiate zu unabhängigen Marken waren bei den bisherigen | |
Unternehmen eher eine Ausnahme. Auch der neueste Coup scheint nach | |
bewährtem Muster abzulaufen. Der Name ihres Plagiats, CityDeal, etwa soll | |
nach der Übernahme durch den des Originals, Groupon, ersetzt werden – ganz | |
so, wie einst Alando.de Image und Name von eBay übergestülpt wurde. | |
Eine unbeabsichtigte Entwicklung? Auch das 2007 gegründete YouTube-Plagiat | |
MyVideo, an dem die Samwers beteiligt waren, wurde bereits im Jahr darauf | |
verscherbelt. Im Gespräch mit taz.de betonte Oliver Samwers noch vor | |
einigen Jahren, dass ihn der Wechsel vom Eigentümer zum Geschäftsführer von | |
Alando.de 1999 geschmerzt und er aus dieser Erfahrung gelernt habe: Er | |
werde nie wieder eine Firma verkaufen, die er selbst gegründet hat, sagte | |
er im Februar 2004. Drei Monate später hatte seine Jamba! GmbH einen neuen | |
Besitzer. | |
20 May 2010 | |
## LINKS | |
[1] http://www.groupon.com/welcome_to_groupon | |
[2] http://www.citydeal.de/ | |
[3] http://twitter.com/andrewmason/status/14113873804 | |
[4] http://groublogpon.com/cities/groupon-europe/ | |
[5] http://www.spreeblick.com/2004/12/12/jamba-kurs/ | |
## AUTOREN | |
Thomas Schmid | |
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