# taz.de -- Geschäftsmodelle von Internetfirmen: Deutschland kopiert gern | |
> StudiVZ sah bei seinem Start aus wie Facebook in Rot. Deutsche | |
> Internetfirmen kopieren gern, was auf dem US-Markt funktioniert. Beispiel | |
> wimdu.com. | |
Bild: Ein Beispiel von vielen. | |
BERLIN taz | Jedes Internet-Start-up braucht eine Gründungsgeschichte. Auch | |
Arne Bleckwenn hat eine. Die geht so: Als er mit seinem Freund Hinrich eine | |
Rucksack-Weltreise gemacht hat, ging ihnen das ständige Absteigen in Hotels | |
und Hostels irgendwann auf den Keks. Und dann kam ihnen, als sie in Paris | |
bei so einem alten Franzosen wohnten, die Idee, man könne doch weltweit | |
Privatunterkünfte vermitteln. Über das Internet. Und so wäre, erzählt | |
Bleckwenn, die Idee für wimdu.com geboren. | |
Der Beginn einer Erfolgsgeschichte: Anfang April starteten Bleckwenn und | |
sein Partner Hinrich Dreiling die Onlineübernachtungsbörse wimdu.com, | |
inzwischen beschäftigen sie nicht nur ein vollbesetztes Großraumbüro in | |
einem schick renovierten Klinkerbau in Berlin-Kreuzberg, sondern eigenen | |
Angaben zufolge über 400 Mitarbeiter in 15 Büros weltweit. | |
Beeindruckender wäre diese Geschichte noch, wenn Bleckwenn der Erste | |
gewesen wäre, der diese Geschäftsidee gehabt hätte. Doch Wimdu ist das, was | |
man im US-amerikanischen eine Copycat nennt: ein Klon eines sehr | |
erfolgreichen Internetunternehmens aus den USA. Dort existiert seit bereits | |
drei Jahren ein Unternehmen namens airbnb.com, das exakt das gleiche | |
Geschäftsmodell von Wimdu sehr erfolgreich betreibt. In der US-Techszene | |
wird es als eine der heißesten Neugründungen gefeiert, soll inzwischen 1 | |
Milliarde US-Dollar wert sein. Öffnet man die Seite von wimdu.com neben der | |
von airbnb.com, sind sie kaum zu unterscheiden. Gleicher Service. Gleiches | |
Layout. Derlei Copycats von Internetfirmen sind kein Einzelfall. Besonders | |
Deutschland, so höhnen Start-up-Spezialisten von San Francisco bis New | |
York, klont man besonders gern US-Erfolgsrezepte. Machte aus Facebook | |
StudiVZ und eben aus Airbnb jetzt Wimdu. | |
## Bleckwenn: "Ich finde das alles ziemlich unfair" | |
Das hört Bleckwenn naturgemäß nicht gern. "Ich finde das ziemlich unfair, | |
dass uns das vorgeworfen wird", sagt er, während hinter in seinem Berliner | |
Chefbüro emsig am Wachstum seines noch jungen Imperiums gearbeitet wird. | |
Sagt, Mercedes und BMW würden sich doch auch ähnlich sehen. Oder Expedia | |
und Opodo. Bing und Google. Redet schneller. Zählt die Unterschiede | |
zwischen seinem Unternehmen und "den Amerikanern", wie er Airbnb fast immer | |
nennt, auf. Lastschriftbezahlung. Regionalbüros. Solche Dinge. | |
Bleckwenn ist ein junger Chef. Ein Anfangdreißiger, auf dessen Stirn sich | |
erst langsam erste Denkfalten eingraben, trotz Hitze im blauen Oberhemd und | |
grauen Wildlederschuhen. Wimdu ist schon das dritte Unternehmen, das er | |
gegründet hat - bis Februar 2010 leitete er eine Plattform, die Onlinegames | |
monetarisieren sollte und die inzwischen mit einem Mitbewerber geschluckt | |
wurde. Für Marktbeobachter keine Überraschung - steckte hinter dieser Firma | |
doch, ebenso wie hinter Wimdu, der in Internetkreisen berüchtigtste | |
Familienclan Deutschlands: die drei Gebrüder Samwer. | |
Oliver, Alexander und Marc Samwer sind einer breiteren deutschen | |
Öffentlichkeit höchstens bekannt, weil ihnen einst das | |
Nerv-Klingelton-Imperium Jamba gehörte. Millionen verdienten sie allerdings | |
mit dem Konzept, ständig das Ohr am Puls der US-Start-up-Szene zu haben, um | |
- ruckzuck! - von den vielversprechendsten Neugründungen deutsche | |
Firmenklone zu gründen und diese schnell und möglichst gewinnbringend | |
wieder zu verkaufen. Bereits 1999 drehten sie der Firma Ebay ihren | |
hauseigenen Ebay-Klon alando.de an, zuletzt erregten sie Aufmerksamkeit, | |
als der US-Rabattdienst Groupon den Samwer-Klon CityDeal für geschätzte 100 | |
Millionen Dollar erwarb. Exit nennt man das in der Gründerszene. Ein | |
Konzept, das die Samwers zu Milliardären gemacht haben soll. Und ihnen in | |
den USA den Ruf als Könige des Nachmachens einbrachte. | |
## "Anschauen, was woanders funktioniert" | |
Ein Geschäftsmodell, zu dem Oliver Samwer steht. So riet er jungen Gründern | |
in einem seiner seltenen Interviews 2009: "Sich viel anschauen, was | |
sicherlich in anderen Märkten der Welt funktioniert. Sich selbst überlegen, | |
was könnte hier funktionieren. Auch nicht Angst haben, wenn es mal Modelle | |
gibt, die schon besetzt sind. Wenn ich da besser exekutiere, kann ich da | |
genauso gewinnen." Und auch darüber hinaus mischen die Samwer-Brüder bei | |
vielen Internetfirmen mit, die durch die deutsche Fernsehwerbelandschaft | |
tingeln: bei Zalando, eDarling, Trivago, MyHammer und so weiter. | |
Die Einmischung der Samwers in den Onlineprivatübernachtungsmarkt zog | |
schnell die Aufmerksamkeit der Airbnb-Gründer in San Francisco auf sich. | |
Denn während sie eine Kapitalspritze von 108 Millionen US-Dollar erhielten, | |
soll Wimdu mithilfe der Samwers 90 Millionen eingesammelt haben. Airbnb | |
wirbt damit, seit seiner Gründung über zwei Millionen Übernachtungen | |
weltweit vermittelt zu haben. Vergleichszahlen veröffentlicht Wimdu nicht, | |
misst den eigenen Erfolg stattdessen an den Übernachtungsmöglichkeiten, die | |
sie auf ihrer Plattform anbieten. Über 12.000 sollen das schon wenige | |
Monate nach ihrer Gründung sein. | |
Ein schneller Zuwachs. Gerade wenn man bedenkt, dass eine ganze Portion | |
Vertrauen dazugehört, einem Vermittler die Vermietung der eigenen | |
Privatwohnung übers Netz anzuvertrauen. Darauf, dass das Portal das | |
Publikum anzieht, die man gern in seiner Wohnung haben möchte. Und auch | |
potenzielle Mieter müssen schließlich an dieses neue, privatere Konzept des | |
Reisens gewöhnt werden. Doch so schnell, wie Wimdu aus dem Boden geschossen | |
ist, ist für den Aufbau eines guten Rufs nur wenig Zeit geblieben. Auch | |
wenn Wimdu-Chef Bleckwenn gern und viel über die gute Kundenbetreuung | |
spricht. Über die Treffen mit Vermietern. Wohnungsbesichtigungen. Den | |
menschlichen Ansatz. | |
## Betrugskünstler, Blender, falsche Tatsachen | |
Ein Brief, den US-Konkurrent Airbnb Anfang Juni an seine Community | |
verschickte, spricht eine andere Sprache. Die Firma warnt ihre Vermieter | |
vor "Betrugskünstlern, bei denen das Kopieren von Webseiten Tradition hat" | |
- vor "Blendern", die sich als internationaler Arm von Airbnb ausgeben oder | |
anderweitig unter Vorspiegelung falscher Tatsachen versuchen würden, Leute | |
abzuwerben, die ihre Wohnung derzeit bei Airbnb anbieten. Einen Firmennamen | |
nannte Airbnb in der Mail nicht, allerdings sprechen viele Details der Mail | |
dafür, dass Wimdu gemeint war. | |
Ein dritter Mitbewerber, das Hamburger Unternehmen 9flats.com, das seit | |
Februar 2011 die gleiche Dienstleistung wie Airbnb und Wimdu anbietet, | |
wurde konkreter: Deren Chef, Stefan Uhrenbacher, ein Veteran der deutschen | |
Internetgründerszene, berichtete von ähnlichen Rückmeldungen seiner Kunden | |
- und sagte ganz offen, Wimdu stecke dahinter. Wimdu-Chef Bleckwenn weist | |
diese Vorwürfe von sich. "Wir tun das nicht - und wir brauchen das auch | |
nicht", sagt er entschlossen. | |
## Laut über Wettbewerber mäkeln ist "unfein" | |
Wenn man allerdings dem Ruf glaubt, der den Unternehmen aus dem Imperium | |
der Samwer-Brüder vorauseilt, würden die Vorwürfe nicht sonderlich | |
überraschen. Demzufolge sollen deren Copycat-Firmen oft nicht zimperlich | |
agieren, wenn es darum geht, sich schnell auf neuen Märkten breitzumachen. | |
Klar eigentlich: Die Branche ist schnelllebig, und wer eine hippe | |
Neugründung fix wieder verkaufen will, hat nicht ewig Zeit, sie brautfein | |
zu machen. Viele, die aus dem lockeren, duzfreudigen und häufig sehr | |
offenen Milieu der Internet-Start-up-Szene kommen, so wirkt es, überrascht | |
die Aggressivität der Firmen aus dem Samwer-Kosmos. Doch zu laut über neue | |
Wettbewerber zu mäkeln ist in der Gründerszene auch unfein. Wer will schon | |
in dem Ruf stehen, das nicht aushalten zu können? | |
Und so sagt Gunnar Froh, Chef der frisch eröffneten Airbnb-Zweigstelle in | |
Hamburg, wenn man ihn fragt, wer hinter den Abwerbungsversuchen gestanden | |
habe, Dinge wie: "Wir haben eine starke Community - da definieren wir uns | |
drüber." Und dass es nicht darum gehe, mit dem Finger auf jemanden zu | |
weisen. Auf Dauer zähle doch, welche Motivation Leute hätten, sagt er. | |
Seine Gründer wollten "den Reisemarkt längerfristig verändern". Darum | |
beschäftigten sie in San Francisco mehr Entwickler als Marketingleute. | |
Anders als die Konkurrenten. Wimdu-Chef Bleckwenn sagt, ihr Ziel sei es, | |
viele Jahre im Geschäft zu bleiben. Also drei oder vier vielleicht. | |
Airbnb-Europa-Chef Froh dagegen glaubt, die Absichten der Konkurrenten | |
seiner Firma genau zu kennen: "Die wollen das Ding verkaufen" sagt er. | |
Exit. Bis zur nächsten Copycat. | |
29 Aug 2011 | |
## AUTOREN | |
Meike Laaff | |
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