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# taz.de -- Druck beim Apple-Lieferanten: Die dunkle Seite des iPads
> Die Firma Foxconn produziert in China für den Apple-Konzern das iPad.
> Eine Reihe von Selbsttötungen in der chinesischen Belegschaft zeigt die
> Arbeitsbedingungen in den Fabriken der Elektronikindustrie.
Bild: Bewerber für einen Job bei Foxconn. Viele Beschäftigte sind junge Wande…
Fans des kalifornischen Technologiekonzerns Apple fiebern dem für Freitag
geplanten Verkaufsstart des Tablet-Computers iPad in Deutschland entgegen.
Außerdem munkelt man, dass Apple bei seiner diesjährigen
Entwicklerkonferenz Anfang Juni in San Francisco sein neues iPhone 4G
vorstellen werde. Allein bis Jahresende sollen davon 28,5 Millionen Stück
produziert werden, und zwar wie schon bisher in den chinesischen
Niederlassungen des taiwanesischen Elektronikproduzenten Foxconn. Dort wird
auch das iPad hergestellt, das in den USA allein in den ersten 28 Tagen
eine Million Mal verkauft wurde.
Die Spannung in Foxconns gigantischem Fabrikkomplex im südchinesischen
Shenzen ist anders geartet als bei den Fans des Konzerns mit dem
angebissenen Apfel, der gemessen am Börsenwert gerade Microsoft als
weltgrößte Technologiefirma abgelöst hat. Bei Foxconn geht momentan alles
darum, ob es dem Produzenten für Apple und andere Elektronikweltmarken
gelingt, die Serie von Selbsttötungen unter seinen chinesischen
Beschäftigten zu beenden.
Im Mittelpunkt steht der Fabrikkomplex Longhua in Shenzen - zahlenmäßig die
größte Fabrik der Welt. Eine "Stadt in der Stadt" mit Läden, Banken, Post,
Kantinen, Schwimmbädern und Internetcafés, wo mehr als 300.000 Menschen
arbeiten. Die meisten von ihnen sind junge Wanderarbeiter und
-arbeiterinnen. Sie leben in Wohnheimen mit Massenschlafsälen.
Mittwochnacht stürzte sich hier ein 23-jähriger Arbeiter aus der Provinz
Gansu aus dem siebten Stock seines Wohnheimes, meldete die amtliche
Nachrichtenagentur Xinhua. Die Polizei spricht von Selbsttötung. Es ist
damit der zehnte Foxconn-Beschäftigte allein in Longhua, der in diesem Jahr
den Freitod wählte. Alle Opfer waren zwischen 18 und 24 Jahre alt, und alle
starben durch einen Sprung aus Fabrik- oder Wohngebäuden.
Erstmals hatte im Juli 2009 der Freitod eines 25-jährigen Foxconn-Managers
in Longhua Schlagzeilen gemacht. Er soll zuvor wegen des Verlusts eines
iPhone-Prototypen vom Wachschutz bedrängt und geschlagen worden sein. Erst
durch diesen Fall wurde der Öffentlichkeit überhaupt bewusst, dass Apple
das iPhone bei Foxconn produzieren lässt.
Der jüngste Freitod des 23-Jährigen erfolgte, nur Stunden nachdem
Foxconn-Chef Terry Gou erstmals in der Firmengeschichte Journalisten zum
Besuch des Fabrikgeländes eingeladen und persönlich herumgeführt hatte. Bis
dahin galt Longhua als "verbotene Stadt", zu der Fremde und vor allem
Journalisten keinen Zutritt hatten. Die einzige legale Gewerkschaft gilt
ohnehin als Handlanger des Managements. Noch im Februar wurde ein
Reuters-Fotograf, der von außen Aufnahmen gemacht hatte, von Werkschützern
getreten und bedroht.
Sprechverbot
Die Freitode lenken das Augenmerk auf die Arbeitsbedingungen bei Foxconn.
Sie gelten als hart, stressig und öde, es herrscht ein militärischer Ton.
Eine 21-Jährige aus Guangxi berichtete der im benachbarten Hongkong
erscheinenden South China Morning Post: "Die Atmosphäre an unserem
Arbeitsplatz ist deshalb so angespannt, weil wir zwölf Stunden lang nicht
miteinander sprechen dürfen."
Eine 22-Jährige aus Hunan klagte über die Schnelligkeit des Fließbands:
"Obwohl Foxconn uns immer pünktlich den Lohn zahlt und kostenloses Essen
und Unterkunft gewährt, fühle ich mich leer und wie eine Maschine". Ein
Praktikant der angesehenen Wochenzeitung Nanfang Zhoumo ("Südliches
Wochenende") aus Guangzhou arbeitete 28 Tage undercover bei Foxconn und war
schockiert. In seinem Schlafraum mit zehn Betten hätten sich die Arbeiter
nicht einmal mit Namen gekannt.
Foxconn zahlt genau den staatlichen Mindestlohn von 900 Yuan (105 Euro).
Dieser zwingt die Arbeiter zu möglichst vielen Überstunden. Die
Sechstagewoche à zwölf Stunden ist deshalb eher die Regel als die Ausnahme.
Nach ersten negativen Berichten ließ Apple bereits 2006 die Bedingungen bei
Foxconn untersuchen, war aber insgesamt zufrieden. Dennoch hatte damals
schon ein Viertel der Arbeiter nicht den einen im Apple-Kodex vorgesehenen
freien Tag pro Woche, und in 35 Prozent der Fälle betrug die wöchentliche
Arbeitszeit mehr als 60 Stunden.
Vergangene Woche wiesen neun chinesische Sozial- und Arbeitswissenschaftler
in einem offenen Brief auf das Schicksal junger Wanderarbeiter hin. Diese
fänden auf dem Land keine Arbeit und sähen keine andere Alternative, als in
den Städten schlecht bezahlte und perspektivlose Jobs anzunehmen. "In dem
Moment, wo sie wenig Möglichkeiten sehen, sich durch harte Arbeit in den
Städten ein Zuhause zu schaffen, bricht die Bedeutung ihrer Arbeit in sich
zusammen." Der Weg nach vorn sei blockiert, der Rückweg versperrt. Andere
verwiesen darauf, dass die heutige Generation der Wanderarbeiter
anspruchsvoller und direkter mit dem für sie unerreichbaren Wohlstand
konfrontiert sei.
Foxconn verweist darauf, dass sich in Longhua monatlich mehrere tausend
Menschen bewerben. Selbst Arbeiteraktivisten aus Hongkong bescheinigen
Foxconn, nicht schlechter als andere Firmen im Perlflussdelta mit seinen
Mitarbeitern umzugehen und ihnen sogar eine kostenlose Krankenversicherung
zu bieten. Firmenboss Gou weist alle Vorwürfe wegen schlechter
Arbeitsbedingungen kategorisch zurück und will partout keinen Zusammenhang
zu den Selbstmorden sehen. Er führe "keine Fabrik voll Blut, Schweiß und
Tränen", sagte er zu Wochenbeginn vor der Presse in Taiwan.
Normalerweise spricht der öffentlichkeitsscheue Gou nicht mit Journalisten.
Das Wall Street Journal ließ er fünf Jahre lang auf ein Interview warten.
Später bescheinigte ihm das Blatt bei Foxconn "die Macht eines Warlords".
Gous Problem ist, dass Foxconn stärker im Licht der Öffentlichkeit steht,
seit seine Firma für Apple den iPod produziert. Das jugendliche Image des
innovativen Apfelkonzerns und seines beliebten Musikplayers will so gar
nicht zu Chinas Arbeitsbedingungen passen. Mit der Produktion des iPhones
und iPads nimmt die Aufmerksamkeit weiter zu.
Gutes Fließbandkarma
Laut Gou versuche Foxconn alles, den bedauerlichen Selbstmorden vorzubeugen
- mit zum Teil fragwürdigen Methoden. So richtete Foxconn eine interne
Hotline ein, schrieb 2.000 Stellen für Psychologen, Berater und Therapeuten
aus, lud Mönche zu Segnungen und der Verbreitung eines positiven Karmas
ein, lässt Fließbänder jetzt mit Musik beschallen und setzt Belohnungen für
Mitarbeiter aus, die selbstmordgefährdete Kollegen melden. Zwischen
Gebäuden wurden Netze gespannt, die Selbstmörder auffangen sollen, sofern
diese nicht schon von Extrawachen abgefangen wurden.
Foxconn will so weitere 30 Selbsttötungen vereitelt haben. Da diese aber
weitergehen, drängte der Elektronikgigant seine Mitarbeiter, eine
entsprechende Erklärung zu unterschreiben, die die Southern Metropolis
Daily aus Guangzhou abdruckte. Darin heißt es: "Ich verspreche, mich oder
andere niemals in einer extremen Form zu verletzen." Mit der Unterschrift
erteilten die Beschäftigten ihren Vorgesetzten auch eine Vollmacht, sie
"zum eigenen Schutz oder dem anderer" in eine psychiatrische Klinik
einzuweisen, sollten sie in "einer anormalen geistigen oder körperlichen
Verfassung sein". Das Blatt zitierte einen Arbeiter: "Wenn ich Streit mit
meinem Vorgesetzten habe, werde ich dann in eine psychiatrische Anstalt
eingewiesen?"
Noch am Mittwoch entschuldigte sich Gou für die Erklärung und versprach,
diese nicht mehr einzusetzen. Die Selbsttötungen seien ein soziales
Problem, für das Foxconn nicht verantwortlich sei, sagte er. Selbsttötungen
würden nun mal zunehmen, sobald eine Gesellschaft wohlhabender werde. "Ich
habe mit Psychologen gesprochen, die meinten, dass die Selbstmordrate bei
Foxconn unterhalb der des Landes liegt," sagte er laut South China Morning
Post.
Apple hat ein PR-Problem
Bereits am Dienstag hatte in Hongkong die Aktivistengruppe Sacom ("Schüler
und Lehrer gegen das Fehlverhalten von Konzernen") vor einem Foxconn-Büro
protestiert, iPhones aus Pappe verbrannt und zum Boykott des neuen 4G
aufgerufen. "Wir wollen das Bewusstsein der Konsumenten wecken, welchen
Preis Arbeiter für die Produktion des iPhones zahlen", sagte Debby Chan
Sze-wan von Sacom.
Jetzt sah sich auch Apple zu einer Stellungnahme veranlasst. Sie soll vor
allem beruhigen. "Wir sind traurig und erschüttert von den jüngsten
Selbsttötungen bei Foxconn", sagte Apple-Sprecher Steve Dowling laut AP.
"Apple sorgt sehr dafür, dass die Bedingungen in unserer Lieferkette sicher
sind und Beschäftigte mit Respekt und Würde behandelt werden." Apple werde
Foxconns Maßnahmen prüfen und weiter die Fabriken inspizieren. Doch selbst
wenn Apple wollte, würde der Konzern die große Nachfrage nicht kurzfristig
über andere Fabriken abdecken können.
"Die Löhne der Arbeiter sollten auf ein anständiges Niveau angehoben
werden, damit sie nicht mehr so viele Überstunden machen müssen", fordert
Geoffrey Crothall von der Organisation China Labour Bulletin in Hongkong.
Das würde ihnen Zeit für soziale Aktivitäten und Entspannung geben und
ermöglichen, ihre wie auch immer gearteten Probleme zu bearbeiten."
Foxconn und Apple sehen die Selbstmordserie vor allem als PR-Problem. Von
Maßnahmen in die vorgeschlagene Richtung ist von ihnen so wenig bekannt wie
von einer unabhängigen Untersuchung der Fälle.
28 May 2010
## AUTOREN
Sven Hansen
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