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# taz.de -- Facebook in der Kritik: Gefällt mir - nicht mehr
> Zu wenig Mitsprache und Privatsphäre, zu viele Datenpannen: Der Quit
> Facebook Day kanalisiert den Unmut vieler Nutzer. Mehr als 30.000
> Aussteiger werden am Montag erwartet.
Bild: Zack und raus: Am weltweiten Quit Facebook Day sind Nutzer aufgerufen, ih…
BERLIN taz | Als der Wiener Dieter Willinger seinen Facebook-Account
stilllegte, richtete er auch gleich die Website ausgestiegen.com ein. Aus
dem Scherz wurde schnell Ernst: Mehr als tausend Nutzer begründen dort
bislang in einer letzten Statusmeldung, weshalb sie sich für immer
ausloggen. Heute, am Quit Facebook Day, bekommen die Aussteiger noch einmal
kräftig Zuwachs. Mehr als 30.000 sollen es werden.
Der Unmut der Facebook-Nutzer ist über die letzten Monate stetig gewachsen:
zu wenig Mitspracherechte, zu wenig Privatsphäre, zu viele Datenpannen. Die
Internetplattform mit mehr als 400 Millionen Mitgliedern hat einen
kritischen Punkt erreicht. Die Nutzer fühlen sich übergangen - und sie üben
nicht mehr nur Kritik, sie handeln, wie die zwei kanadischen Webentwickler,
die den Quit Facebook Day initiiert haben. Sollten sich tatsächlich so
viele Mitglieder abmelden, dann wäre das die größte Abmeldeaktion in der
Geschichte von Facebook.
Auf der Pinnwand von [1][ausgestiegen.com] schreiben sich die Nutzer den
Frust von der Seele: "Facebook wusste zu viel über mich", schreibt ein
Florian. Marcel widern die "kruden Geschäftsbedingungen" an, und Stephanie
fühlte sich dort einfach nicht mehr sicher. Der Projektmanager Willinger
möchte mit seiner Website nicht zum Austritt aufrufen: "Es geht darum, eine
Diskussion außerhalb der Netzwerke über die Netzwerke zu führen."
Auf der Seite gibt es auch Anleitungen, wie man seinen Facebook-Account
löschen kann, denn das ist kompliziert. Mehrere Schritte und eine Frist von
zwei Wochen sind nötig, bis das Konto dauerhaft gelöscht wird. Die
Suchphrase "how delete facebook" gehört zu den zehn meistgesuchten
Begriffen bei Google.
Dabei wollte die Erfolgsgeschichte von Facebook gar nicht abreißen.
Harvard-Student Mark Zuckerberg gründete das soziale Netzwerk im Jahr 2004,
zunächst nur für Studierende der Eliteuni. In naher Zukunft wird die
Internetplattform 500 Millionen Mitglieder haben, mehr als jedes andere
soziale Netzwerk. Ungefähr 8,6 Millionen Mitglieder kommen aus Deutschland.
"Die Netzwerkeffekte, durch die Facebook groß geworden ist, könnten dem
Netzwerk genauso schnell zum Verhängnis werden", sagt Jan-Hinrik Schmidt,
Medienwissenschaftler des Hans-Bredow-Instituts in Hamburg. Wenn Leute
abwandern, ziehe das weitere Aussteiger nach sich, sagt Schmidt: "Durch
Aktionen wie den Quit Facebook Day wird das Netzwerk nicht untergehen,
allerdings ist es gute Symbolpolitik."
Ein weiteres Beispiel dafür, dass sich ein Teil der Nutzer ein anderes
Netzwerk wünscht, ist [2][Diaspora]. Als vier Studierende aus New York
ankündigten, ein soziales Netzwerk namens Diaspora aufzubauen, erhielten
sie dafür in wenigen Tagen Spenden in Höhe von 175.000 Dollar. Ihr
Versprechen: Wir sammeln keine Daten und wir wollen ein demokratisches
Netzwerk.
Facebook hingegen hat sich diesbezüglich einige Pannen geleistet: Ende März
waren kurzfristig die E-Mail-Adressen fast aller Nutzer öffentlich
einsehbar. Dann kam heraus, dass Facebook Nutzerdaten an Drittanbieter
gibt, ohne die Genehmigung der Nutzer einzuholen. Zahlreiche Änderungen der
Datenschutzeinstellungen haben die User weiter verunsichert. Der
öffentliche Druck stieg so weit, dass das Unternehmen in der vergangenen
Woche die Privatssphäreeinstellungen vereinfachen musste. Mehr
Profilinformationen wie zum Beispiel der Geburtstag oder das Geschlecht
lassen sich nun verbergen. Die Privatsphäre soll laut Facebook mit einem
Klick zu verwalten sein, zuvor waren dafür unzählige Einzelschritte nötig.
"Facebook-Gründer Zuckerberg hat zwar den Datenschutz vereinfacht, aber
vereinfachter Datenschutz heißt nicht automatisch mehr Datenschutz", sagt
Peter Schaar, Bundesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit.
Die grundlegenden Voreinstellungen wurden auf Facebook teilweise
beibehalten. Die Nutzer müssen weiter aktiv werden, wenn sie bestimmte
Informationen nicht teilen wollen. Laut Schaar gebe es in der Bevölkerung
eine höhere Sensibilität für Datenschutz, insbesondere bei sozialen
Netzwerken. "Auf Dauer werden Unternehmen Schaden nehmen, wenn sie keine
Datenschutzrichtlinien etablieren, mit denen die Kunden einverstanden
sind", sagt der Datenschützer.
Vereinfachte Privatsphäreeinstellungen oder andere soziale Netzwerke können
Dieter Willinger nicht mehr locken.Willinger schreibt E-Mails und er
telefoniert. Mehr nicht. Dazu rät er auch den Aussteigern.
31 May 2010
## LINKS
[1] http://www.ausgestiegen.com/
[2] http://www.joindiaspora.com/
## AUTOREN
Laurence Thio
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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