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# taz.de -- Eine Analyse der Kürz- und Steuerpläne: Arbeitslose als Sparschwe…
> 80 Milliarden Euro will das Bundeskabinett in den nächsten Jahren
> einsparen. Arbeitslose und Familien sind am stärksten betroffen.
> Energiekonzerne und Industrie sollen mehr Steuern zahlen.
Bild: Die Liste ist lang: Westerwelle und Merkel stellten am Montag die Neugest…
BERLIN taz | Am Montag verabschiedete das Bundeskabinett ein umfangreiches
Sparpaket. Hier eine Analyse der Maßnahmen im Detail:
Den Schwachen wird es genommen
Arbeitslose müssen mit deutlichen Kürzungen rechnen. So sollen die
befristeten Zuschläge entfallen, die Erwerbslose bekommen, wenn sie vom
Arbeitslosengeld in Hartz IV rutschen. Pro Jahr will die Regierung dadurch
0,2 Milliarden Euro einsparen. Für Arbeitslose bedeutet das im ersten Jahr
bis zu 160 Euro, im zweiten Jahr bis zu 80 Euro Einkommenseinbußen im
Monat.
Wer Hartz IV bezieht, für den wird künftig nichts mehr in die Rentenkasse
eingezahlt. Das soll jährlich 1,8 Milliarden Euro einsparen. Damit steigt
für Hartz-IV-Bezieher das Risiko, dass die Rente später unter dem Niveau
der Grundsicherung liegt und eine Aufstockung nötig wird, bei der Erspartes
angerechnet und trotzdem nur Hartz-IV-Niveau erreicht wird.
Zur Erinnerung: Vor dem Sparpaket aus dem Jahre 2000 unter
SPD-Finanzminister Hans Eichel wurde für Arbeitslosenhilfeempfänger ein
Rentenbeitrag eingezahlt, der sich nach 80 Prozent des vorherigen
Nettogehaltes bemaß. Diese Bemessungsgrundlage wurde schon in den
vergangenen Jahren drastisch abgesenkt.
Die Arbeitsagenturen sollen künftig Pflichtleistungen in
Ermessensleistungen umwandeln, also weniger Maßnahmen anbieten können. So
sollen in den nächsten vier Jahren insgesamt 16 Milliarden Euro eingespart
werden. Dabei wurde schon in den vergangenen Jahren drastisch bei der
Weiterbildung gekürzt.
Außerdem sank der Betrag für die Existenzgründungsförderung. Und was
"effizient" ist in der Beschäftigungspolitik, ist eine Frage der
Perspektive. Da die Arbeitslosenversicherung künftig ohne öffentliche
Hilfen finanziert werden soll, dürfte der Beitragssatz zu dieser
Versicherung über die für 2011 festgelegten 3,0 Prozent vom Bruttolohn
hinaus steigen. BD
Elterngeld nicht für Arbeitslose
Das Elterngeld soll an der Obergrenze gekürzt und an der Untergrenze
gestrichen werden. Bei der Obergrenze soll die Höchstsumme von 1.800 Euro
bestehen bleiben. Jedoch werden nicht mehr wie bisher 67 Prozent des
monatlichen Nettogehalts als Lohnersatzleistung gezahlt, sondern nur noch
65 Prozent.
Den Grund dafür, dass die Höchstgrenze nicht angetastet werden soll, hatte
Familienministerin Schröder bereits vor einer Woche benannt:
Besserverdienende Väter hätten bei geringeren finanziellen Leistungen
keinen Anreiz mehr, die beiden Vätermonate in Anspruch zu nehmen.
Bei der Untergrenze soll das Elterngeld für Hartz-IV-EmpfängerInnen in Höhe
von 300 Euro gestrichen werden. Bislang erhielten Hartz-IV-EmpfängerInnen
das Elterngeld als einzige familienpolitische Leistung, die nicht
angerechnet wird. Begründung nun: Die zusätzliche Gewährung von Elterngeld
für Hartz-IV-BezieherInnen verringere den Lohnabstand.
Die Einsparsumme für 2010 beträgt 630 Millionen Euro, der Gesamtetat des
Familienministeriums 6,56 Milliarden Euro. Das Elterngeld ist dabei mit
4,48 Milliarden Euro der größte Posten.
Der geplante Ausbau der Partnermonate von derzeit 12 auf 14 Monate ist
gestoppt. "Das ist derzeit nicht finanzierbar", sagte die
Familienministerin. Auch über das ab 2013 geplante Betreuungsgeld in Höhe
von monatlich 150 Euro wird derzeit nicht mehr verhandelt.
Die Gewerkschaft Ver.di und und der DGB warnten vor einer "Verschärfung der
sozialen Schieflage". Der Sozialverband Deutschland kritisierte, dass
vorrangig bei Menschen gekürzt werde, "denen schon jetzt das Wasser bis zum
Hals steht". SIS
Keine Erhöhung von Mehrwert- oder Einkommensteuer
Die Nachricht war Kanzlerin Merkel so wichtig, dass sie damit ihre
Pressekonferenz begann: Es wird keine generellen Steuererhöhungen geben.
Nicht bei der Einkommensteuer, nicht bei der Mehrwertsteuer und auch nicht
beim Solidaritätszuschlag. Damit hat sich die Regierung auf den kleinsten
gemeinsamen Nenner geeinigt, denn im Vorfeld hatten selbst
Koalitionspolitiker Steuererhöhungen nicht ausgeschlossen.
So hatten FDP-Politiker laut darüber nachgedacht, Ausnahmen bei der
Mehrwertsteuer abzuschaffen. Es sei nicht einzusehen, dass Hundefutter mit
7 Prozent besteuert würde, während für Babywindeln 19 Prozent zu zahlen
seien. Nicht wenige Liberale hofften, damit auch wieder das
Mehrwertsteuerprivileg für Hoteliers abzuschaffen, das zu Jahresbeginn
eingeführt wurde. Doch offenbar hat sich die CSU durchgesetzt, die das
Milliardengeschenk für die Hoteliers verteidigen wollte. Jetzt soll sich
eine Kommission mit den Ausnahmen bei der Mehrwertsteuer befassen.
Auch CDU-Finanzminister Wolfgang Schäuble konnte sich offenbar nicht
durchsetzen. Von ihm soll die Idee stammen, den Solidaritätszuschlag von
5,5 auf 8 Prozent zu erhöhen, um den steigenden Bundesbeitrag für die
gesetzlichen Krankenkassen zu finanzieren. Diesen "Gesundheitssoli" hielten
FDP und CSU jedoch nicht für vermittelbar.
Eine neue Steuer will die Koalition dann doch einführen: eine
Finanzmarkttransaktionssteuer, die ab 2012 jährlich 2 Milliarden Euro
bringen soll. Allerdings wurde beim Treffen der G-20-Finanzminister in
Südkorea am Wochenende deutlich, dass es international keine Mehrheiten
gibt für eine Belastung der Banken. Jetzt will Merkel dafür "massiv in
Europa werben".
Außerdem wird es weniger Ausnahmen für die Industrie bei der Ökosteuern
geben und auch die Atomwirtschaft soll stärker besteuert werden, als
Gegenleistung für den Ausstieg aus dem Ausstieg. UH
Atomwirtschaft und Flugverkehr
Was Union und FDP lange ablehnten, scheint nun der Spardruck möglich zu
machen: Mehreinnahmen im Bereich Wirtschaft und Energie. So plant die
Koalition, Ausnahmen bei der Ökosteuer, die zu Mitnahmeeffekten geführt
haben, zu reduzieren. Das soll 1,5 Milliarden Euro jährlich einbringen.
Zudem plant die Koalition eine "Besteuerung der Kernenergie aus
ökologischen und ökonomischen Gründen", heißt es in dem Beschluss von Union
und FDP. Schließlich sei die Atomwirtschaft nicht vom CO2-Emissions-Handel
betroffen, und die Atommüllentsorgung belaste den Bund erheblich. Von den
Atomkonzernen will die Koalition insgesamt jährlich 2,3 Milliarden Euro
eintreiben. Allerdings werde es im Rahmen eines Gesamtenergie-Konzeptes
notwendig sein, "die Laufzeiten von Kernkraftwerken zu verlängern". Dieses
Konzept soll bis Mitte Juli vorliegen.
Im internationalen Luftverkehr werden nun nach Ansicht von Schwarz-Gelb
"verstärkte Anreize für umweltgerechtes Verhalten" benötigt. Da die
Einführung einer Kerosinsteuer international kurzfristig unrealistisch sei,
plant die Koalition bis zur bereits vereinbarten Einbeziehung des
Luftverkehrs in den CO2-Emissions-Handel eine nationale ökologische
Luftverkehrsabgabe.
Diese sollen alle Passagiere zahlen, die von einem deutschen Flughafen
abheben. Sie soll differenziert ausgestaltet werden und vom Preis des
Flugtickets, des Lärms und des Verbrauchs abhängen. Diese Abgabe soll
jährlich 1 Milliarde Euro einbringen. Die bundeseigene Deutsche Bahn AG
wiederum soll einen Teil ihrer möglichen Dividende an den Staatshaushalt
abführen, die Koalition verspricht sich davon jährlich eine halbe Milliarde
Euro. ROT
8 Jun 2010
## AUTOREN
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