# taz.de -- Das deutsche Spiel: Rennen, rennen, rennen | |
> Die Deutschen standen auch schon 2002 und 2006 im Halbfinale. Und doch | |
> hat sich einiges geändert in den letzten acht Jahren. Besonders die | |
> Qualität der Spieler. | |
Bild: "Da muss ich jetzt durch." Müller (re.) nach seiner zweiten gelben Karte… | |
KAPSTADT taz | "Das war so wie ich mir das vorgestellt habe." Bundestrainer | |
Joachim Löw war begeistert von seiner Mannschaft und er tat alles, um den | |
Eindruck zu vermeiden, er sei überrascht von der Art und Weise, wie seine | |
Mannschaft gespielt hat. Für ihn ist klar: wenn man so spielt wie es die | |
Deutschen am Samstag in Kapstadt getan haben, dann kann es schon einmal | |
sein, dass man 4:0 gewinnt, auch gegen Argentinien. | |
"Champion-Niveau" hat Löw in seiner Mannschaft. Jetzt steht sie im | |
Halbfinale. Das war auch 2002 so und 2006. Und doch hat sich einiges | |
geändert in den letzten acht Jahren. | |
Die Qualität der Spieler, die der Bundestrainer zur Verfügung hat, ist | |
nicht zu vergleichen mit der der vorangegangenen Weltturniere. Nach dem | |
überragenden Auftritt gegen die Argentinier setzte sich Löw auf das Podium | |
der Pressekonferenz und sagte, was ihm besonders gut gefallen hat an der | |
Vorstellung seines Teams. Er sprach vom "Willen", von der "unglaublichen | |
Bereitschaft lange Wege zu gehen", "vom Engagement der Spieler". Und fast | |
war es als hörte man einen Berti Vogts durch ihn sprechen oder einen Rudi | |
Völler. Doch dann fügte Löw noch einen Satz hinzu, der das eigentliche | |
Erfolgsgeheimnis der Deutschen in diesen Tagen veranschaulicht: "Und | |
natürlich wissen die Spieler, dass sie gute Fußballer sind." | |
Einer von ihnen ist Thomas Müller, der schon wieder ein Tor geschossen hat, | |
das 1:0 in der 3. Minute und schon wieder eins vorbereitet hat. Auch er | |
bemühte das altfußballdeutsche Fußballvokabular: "Wir arbeiten gut | |
füreinander." Und auch bei ihm fand sich das, was man als Schlüssel für das | |
Spiel bezeichnen könnte, in einem Nebensatz: "Wir haben vorne vier | |
offensive Spieler. Da ist dann eben viel Kreativität drin." | |
Und im Unterschied zu den Argentiniern, die ja auch nicht schlecht gespielt | |
und 20 Mal auf das deutsche Tor geschossen haben, entsteht die Kreativität | |
im deutschen Spiel aus dem System heraus, das von den Akteuren verlangt, zu | |
rennen, als ginge es um Leben und Tod. | |
Damit haben sie dafür gesorgt, dass Argentiniens Trainer Diego Maradona | |
"den traurigsten Tag, seit ich aufgehört habe Fußball zu spielen", erlebt | |
hat. Auch dass es Bastian Schweinsteiger ("Wir sind jetzt auch eine große | |
Mannschaft") war, der mit seinem Solo, mit dem er das 3:0 durch Arne | |
Friedrich vorbereitet hat, für den Messi-Moment des Spiels gesorgt hat, | |
dürfte ihm nicht gefallen haben. Er war fix und fertig. | |
Wo war eigentlich Messi? Das dürfte sich Maradona auch gefragt haben. Den | |
haben die Deutschen derart gut verteidigt, dass er nur für kurze Zeit, 15 | |
Minuten lang nach der Pause, so aufspielte, als könne er an diesem Abend | |
noch einmal gefährlich werden. Die Abwehrarbeit der Deutschen, von der war | |
Joachim Löw besonders begeistert. Und auch bei der zeigte sich, was sich | |
verändert hat im Spiel der Deutschen: Sie grätschen nicht mehr. | |
Beispiel Messi. Wenn einer dem den Ball nicht vom Fuß nehmen konnte, dann | |
lief er neben ihn her, so lang bis ein Kollege dazukam. Eine derartige | |
Hinterherlauferei kostet Kraft, aber daran scheint es den Spielern nicht zu | |
mangeln. Ohne Fouls sind die argentinischen Techniker auf diese Weise | |
gestoppt worden. Nur eine Gelbe Karte hat es gegeben für ein Handspiel. Es | |
war die zweite Verwarnung für Müller. Im Halbfinale muss er aussetzen. "Da | |
muss ich jetzt durch", sagte er, der einen "unglaublichen Tag" erlebt | |
hatte. | |
Einen solchen hat auch Miroslav Klose erlebt, der wieder einmal unglaublich | |
intensiv gearbeitet hat im Sturmzentrum und zudem zwei Tore geschossen hat. | |
"Ich weiß, was er kann", sagte Löw, der sich längst nicht mehr dafür | |
verteidigen muss, dass er an seinem Lieblingskeilstürmer festgehalten hat. | |
Was war, interessiert Löw eh nicht. Er baut sich Mannschaften, so wie sie | |
ihm gefallen. | |
Dass Klose nun genauso viele Tor bei Weltmeisterschaften geschossen hat wie | |
Gerd Müller, nämlich 14, das wusste er gar nicht, als er nach dem Spiel | |
darauf angesprochen wurde. Dennoch sagte er, dass er Klose Historisches | |
zutraue. Im Halbfinale könnte er es vollbringen und zu Ronaldo | |
aufschließen, der mit 15 Toren bist jetzt bester WM-Torschütze aller Zeiten | |
ist. Und das Finale gibt es ja auch noch - vielleicht. | |
3 Jul 2010 | |
## AUTOREN | |
Andreas Rüttenauer | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Deniz Yücel | |
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