# taz.de -- Längere AKW-Laufzeiten: Dürfen die das? | |
> Bevor die Meiler tatsächlich länger laufen, gilt es noch ein paar Hürden | |
> zu nehmen: Bundespräsident, Verfassungsgericht, neue Regierung: Sie alle | |
> dürfen mitreden. | |
Bild: Könnte die Laufzeitverlängerung theoretisch stoppen: Bundespräsident C… | |
BERLIN/FREIBURG taz | Wie lässt sich der von der Bundesregierung | |
beschlossene Ausstieg aus dem Ausstieg noch verhindern? Diese Frage | |
beschäftigt derzeit Opposition und Anti-Atom-Bewegung gleichermaßen. An | |
mehreren Stellen können die Pläne noch scheitern: | |
Zunächst müssen die notwendigen Gesetze vom Bundestag verabschiedet werden. | |
Nachdem sich Fraktionsspitzen und Minister verständigt haben, ist hier aber | |
kein ernsthafter Widerstand mehr zu erwarten. | |
Fraglich ist noch, ob die EU-Kommission der Laufzeitverlängerung zustimmen | |
muss. Das hatte am Wochenende die Umweltorganisation Greenpeace erklärt. | |
EU-Energiekommissar Günther Oettinger widersprach am Montag jedoch. Zudem | |
würde das Verfahren dadurch vermutlich allenfalls verzögert. | |
Eine ernsthafte Hürde könnte der Bundesrat sein. Hier hat Schwarz-Gelb seit | |
der NRW-Wahl keine Mehrheit mehr. Die Regierung hat deshalb ihre Pläne so | |
gestaltet, dass - nach ihrer Meinung - die Länder nicht blockieren können. | |
Die Ministerien für Inneres und Justiz halten "moderate" | |
Laufzeitverlängerungen ohne Bundesrat für möglich. Ob diese Einschätzung | |
stimmt, wird letztlich vom Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe | |
entschieden werden. Wenn die Änderung des Atomgesetzes ohne Zustimmung des | |
Bundesrats beschlossen wird, kann jedes Bundesland, aber auch ein Viertel | |
der Bundestagsabgeordneten dagegen klagen. Mehrere Länder haben den Gang | |
nach Karlsruhe angekündigt, ebenso SPD und Grüne im Bundestag. Sie halten | |
bei jeder Laufzeitverlängerung eine Zustimmung des Bundesrats für | |
erforderlich. Dabei können sie sich immerhin auf ein Gutachten von | |
Hans-Jürgen Papier stützen. Der ehemalige Präsident des | |
Bundesverfassungsgerichts hat es im Mai für Umweltminister Röttgen | |
erstellt. | |
Theoretisch könnte auch Bundespräsident Christian Wulff (CDU) die | |
Laufzeitverlängerung stoppen. Wenn das Verfahren der Gesetzgebung nicht | |
richtig eingehalten wurde, kann er die Unterschrift unter ein Gesetz | |
verweigern, das Gesetz tritt dann nicht in Kraft. Es wird jedoch erwartet, | |
dass Wulff die diffizile Prüfung dem Bundesverfassungsgericht überlässt, | |
weil das Grundgesetz den Fall nicht ausdrücklich regelt. | |
Falls das novellierte Atomgesetz schließlich doch in Kraft tritt, kann eine | |
neue Bundesregierung (bzw. deren Fraktionen im Bundestag) es wieder ändern. | |
Falls die Stromkonzerne in Erwartung der längeren Laufzeiten bereits | |
Investitionen in ihre Reaktoren vorgenommen haben, könnten sie gegen eine | |
solche Entscheidung theoretisch auf Schadenersatz klagen. Weil die | |
Unternehmen aber im Jahr 2000 dem Atomkonsens zugestimmt hatten und die | |
Opposition bereits jetzt ankündigt, am Ausstieg festzuhalten, bezweifeln | |
die Energiepolitiker Sylvia Kotting-Uhl (Grüne) und Matthias Miersch (SPD) | |
aber, dass sich die Konzerne auf "Vertrauensschutz" berufen können. | |
6 Sep 2010 | |
## AUTOREN | |
Chr. Rath | |
M. Kreutzfeldt | |
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