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# taz.de -- Frankreichs Regierung: Ganz gezielt gegen die Roma
> Die Regierung hat sich mit der Abschiebung von Roma einer ethnischen
> Diskriminierung schuldig gemacht. Das belegen Anordnungen des
> Innenministers.
Bild: Ein Rom in der informellen Siedlung im Pariser Vorort Pantin.
PARIS taz | Feierlich hatte der französische Immigrationsminister Éric
Besson in Brüssel geschworen, Paris habe zu keinem Zeitpunkt Roma nach
Rumänien und Bulgarien abgeschoben, weil sie Roma seien. Er musste sich
öffentlich eines Besseren belehren lassen. Seit dem Wochenende sind
mindestens drei schriftliche Weisungen von Bessons Regierungskollegen
Innenminister Brice Hortefeux publik, in denen den Polizeipräfekten die
Order gegeben wird, gegen "illegale Lager" von Fahrenden und "speziell der
Roma" vorzugehen. "Die Präfekten sind gehalten, in ihrem
Zuständigkeitsbereich mindestens eine umfassende Operation (Räumung,
Beseitigung, Abschiebung), die prioritär die Roma betrifft, durchzuführen",
heißt es da wörtlich.
Gleich dreimal wird in diesen vertraulichen Rundschreiben der schriftliche
Beweis dafür geliefert, dass die ausländischen Roma eben doch eine
Vorzugsbehandlung genießen und damit trotz mehrfacher Dementis Opfer einer
ethnischen Diskriminierung sind. Heute ist es der Regierung nicht mehr
möglich, sich mit der Ausrede, es handle sich um ein einmaliges Versehen
eines Beamten, aus der Affäre zu ziehen.
Sichtlich verlegen versuchte Immigrationsminister Besson, der zusammen mit
Hortefeux für die Räumung der Roma-Camps und die Abschiebung von mehr als
8.000 Roma allein in diesem Jahr verantwortlich zeichnet, sich zu
rechtfertigen. Er habe von diesen internen Schreiben aus dem
Innenministerium, die ja nicht an ihn adressiert gewesen seien, nichts
gewusst, behauptet er. Distanziert hat sich Besson damit aber nicht von
seinem Regierungskollegen.
In den fraglichen Passagen, die von einer westfranzösischen Zeitung in
Nantes enthüllt worden sind, wird auch ohne Umschweife erwähnt, dass diese
repressiven Maßnahmen von ganz oben angeordnet worden sind und dass
Präsident Sarkozy in drei Monaten mindestens 300 Roma-Lager beseitigt haben
wollte. Der Staatschef sei im Übrigen unzufrieden mit den bis Ende Juli
gelieferten Ergebnissen. Die Präfekten, eine Art Statthalter der Regierung
in den hundert Departements, werden außerdem angewiesen, ihre Vorgesetzten
über die polizeiliche Räumung der Roma-Lager zu informieren, damit "das
Echo in den Medien" entsprechend vorbereitet werden könne. Mehrere
Hilfsorganisationen wollen nach den Enthüllungen beim obersten
französischen Verwaltungsgericht Klage einreichen, weil sich die Regierung
eindeutig der ethnischen Diskriminierung schuldig gemacht habe.
Die französische Staatsführung war wegen ihrer romafeindlichen Politik
international scharf kritisiert worden. Die Regierung hatte sich aber auch
nach einer Verurteilung durch das EU-Parlament unbeeindruckt gegeben und im
Gegenteil Verständnis und Unterstützung für die Fortsetzung dieser Politik
verlangt. Da auch aus den Reihen der katholischen Kirche Einwände gekommen
waren, hat Sarkozy nun beim Papst um eine Audienz ersucht, um eventuelle
Missverständnisse, wie er sich ausdrückte, auszuräumen.
1 Jan 1970
## AUTOREN
Rudolf Balmer
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