# taz.de -- ERÖFFNUNG DER FRANKFURTER BUCHMESSE: Dazu sagt ein Westerwelle nic… | |
> Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse erinnerte die argentinische | |
> Präsidentin an die jüngste Geschichte des Landes - der | |
> Bundesaußenminister hat dem nichts hinzuzufügen. | |
Bild: Christina Fernandez de Kirchner bei der Buchmessen-Eröffnung mit Elsa Oe… | |
Verhaltener Beifall kam auf, als Argentiniens Präsidentin Cristina | |
Fernández de Kirchner am Dienstagabend zur Eröffnung der 62. Frankfurter | |
Buchmesse den Saal des Kongresscenters betrat. Die charismatische und | |
impulsive Frau ist in Argentinien nicht unumstritten. Zuletzt legte sie | |
sich auch juristisch mit den mächtigen Tageszeitungen Clarín und La Nación | |
an, denen sie vorwirft, sich während der Diktatur (1976-83) unlauter | |
bereichert zu haben. Kirchner erschien in Frankfurt mit einer hochrangigen | |
Delegation, Außen- und Kulturminister an ihrer Seite. Bevor die | |
Festansprachen begannen, begrüßte sie mit Küsschen einige der aus | |
Südamerika Angereisten im Saal, darunter den heute 83-jährigen | |
Schriftsteller Osvaldo Bayer. Bayer, Autor von "Patagonia Rebelde", | |
verbrachte die Zeit der Militärdiktatur im deutschen Exil. | |
Von Frau Fernández de Kirchner durfte man deutliche Worte zur Eröffnung der | |
diesjährigen Buchmesse erwarten, dem mit über 7.000 Ausstellern weltgrößten | |
Treffen der Buchbranche, zu dem bis am Sonntag hunderttausende Besucher | |
eintreffen werden. Während bei ihren Vorrednern und Rednerinnen die | |
Durchsetzungsfähigkeit des gedruckten Wortes gegenüber dem digitalen und | |
die Rechtslage im Internet im Mittelpunkt stand, war es bei Frau Kirchner | |
die jüngste Geschichte der argentinischen Republik. | |
In einer bewegenden Geste bat die argentinische Präsidentin die 85-jährige | |
Elsa Oesterheld zu sich aufs Podium. Sie wolle Elsa Oesterheld | |
stellvertretend für die aus Argentinien angereisten 71 Schriftsteller und | |
Schriftstellerinnen ehren, auch stellvertretend für all diejenigen, die | |
heute nicht mehr am Leben seien, während der Diktatur ermordet wurden. Der | |
ganze Saal erhob sich und spendete Frau Oesterheld Applaus. | |
Elsa Oesterheld gehört zu den Mitbegründerinnen der | |
Menschenrechtsorganisation der "Mütter der Plaza de Mayo". Ihr Mann Héctor | |
Oesterheld war im Argentinien der 60er und 70er Jahre eine Berühmtheit. Er | |
schuf zusammen mit Francisco Solano López den Comic "El Eternauta" und | |
sympathisierte mit dem linksgerichteten Untergrund. 1976 wurde er | |
verschleppt und wahrscheinlich noch im gleichen Jahr umgebracht. Fast die | |
gesamte Familie Oesterheld wurde in der Folge ausgelöscht. 1977 ermordeten | |
Militärs Elsa Oesterhelds 22 bis 25 Jahre alte Töchter Estela, Diana, | |
Beatriz und Marina und deren Männer. Elsa Oesterheld sprach in Frankfurt | |
von einer Art "Wiedergeburt", einer Anteilnahme, mit der sie nicht | |
gerechnet habe. | |
Erwartungsgemäß kein Wort verlor der Bundesaußenminister Guido Westerwelle | |
im Kongresscenter zu den Außenbeziehungen der Bundesrepublik in den | |
1970ern. Dabei wäre der Anlass sicherlich ein paar Bemerkungen wert | |
gewesen. | |
Während der Diktatur gerieten auch viele Nachfahren deutscher Einwanderer | |
ins Visier der Militärs. Die deutsche Botschaft in Buenos Aires bot ihnen | |
damals in aller Regel keinen Schutz. Der frühere Botschafter Kastl begrüßte | |
1976 den Putsch. Über einen in der Botschaft angesiedelten argentinischen | |
Verbindungsoffizier wurden Informationen getauscht und Fehlinformationen | |
gestreut. Aufsehenerregend war auch der Fall von Mercedes-Benz Argentina: | |
Im Werk Gonzalez Catán wurden die Tarifauseinandersetzungen 1976/1977 | |
dadurch gelöst, dass man 16 Gewerkschaftsaktivisten verschwinden ließ. | |
6 Oct 2010 | |
## AUTOREN | |
Andreas Fanizadeh | |
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